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LATEINAMERIKA/2381: Manuel Noriega - Vom Ehrenlegionär zum Sündenbock (SB)


USA liefern früheren Machthaber Panamas nach Frankreich aus


Als Machthaber in Panama gehörte Manuel Noriega einst zu jenen Figuren auf der Lohnliste der CIA, von denen es in US-Geheimdienstkreisen heißt, man könne sich ihrer bedenkenlos bedienen, müsse aber auch wissen, wie man sie wieder loswird. In der Reagan-Ära Statthalter Washingtons am Kanal, von George Bush im Zuge einer Invasion gefangengenommen und als Drogenbaron abgeurteilt, teilt Noriega das geradezu klassische Schicksal hochgezüchteter Protegés der USA. Die Vereinigten Staaten haben ihn zu einem Diktator und Drogenhändler gemacht und ihn später unter dem Vorwurf aus dem Verkehr gezogen, eben dies geworden zu sein.

Er war zunächst ein Ziehkind der Hegemonialmacht, deren Auslandsgeheimdienst und Antidrogenbehörde ihn auch dann noch protegierten, als seine Machenschaften kaum noch unter Verschluß zu halten waren. Wenngleich er schließlich nicht zuletzt wegen seiner Drogengeschäfte nicht mehr tragbar war, lieferten diese doch nur die Vorwandslage, sich seiner zu entledigen. Wie andere Diktatoren dieser Weltregion hatte er gesellschaftliche Umwälzungen mit repressiven Mitteln verhindert und dem neoliberalen Übergriff Tür und Tor geöffnet. Als Despot und Raubritter repräsentierte er Formen der Bereicherung und Gewalt, die sich nun als Bremsklotz bei der Modernisierung von Ausbeutung und Zurichtung erwiesen.

Sein widerwärtiges Profil als Geheimdienstchef, Despot und Drogenhändler, das ihn zum bevorzugten Bündnispartner gemacht hatte, begünstigte nun die US-Regierung, ihn mittels eines kriegerischen Akts zu entmachten. Mit der Invasion Panamas schlug man unter wohlwollenden Reaktionen der Weltöffentlichkeit ein neues Kapitel der Interventionspolitik auf, das gleichsam die strategische Blaupause zu späteren Angriffskriegen lieferte. Durch seine jahrelange Haftstrafe dem Vergessen überantwortet, drohte Noriega noch einmal zum Problem zu werden, als er an deren Ende wieder in seine Heimat zurückkehren wollte. Noriega wieder in Panama, wo er schlafende Hunde wecken könnte - das galt es zu verhindern, wofür sich Washington ein vorzüglicher Ausweg in Gestalt der Franzosen bot.

Nach der gestern erfolgten Auslieferung Manuel Noriegas an Frankreich haben die Justizbehörden in Paris umgehend einen Haftbefehl gegen den früheren Machthaber Panamas ausgestellt. Dieser war 1999 in Abwesenheit wegen Geldwäsche in mehreren Fällen zu einer zehnjährigen Haftstrafe und einer hohen Geldbuße, die nach heutiger Währung mehreren Millionen Euro entspricht, verurteilt worden. Da Noriega dagegen Einspruch eingelegt hatte, wird er nun erneut wegen der Vorwürfe vor Gericht gestellt. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine weitere lange Haftstrafe. Die französische Justiz beschuldigt ihn, in den 1980er Jahren rund 3,15 Millionen Dollar aus Drogengeschäften auf Konten französischer Banken gewaschen zu haben. [1]

Im Jahr 1989 hatte der damalige US-Präsident George Bush die Invasion Panamas angeordnet, um Noriega zu stürzen und gefangenzunehmen. Die US-Armee flog ihn nach Miami aus, wo er wegen Drogenhandels und Geldwäsche zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Strafe wurde später wegen guter Führung auf 17 Jahre reduziert. Da er den Status eines Kriegsgefangenen besaß, bekam er eine 25 Quadratmeter große Einzelzelle, die wegen ihrer großzügigen Ausstattung die "Präsidenten-Suite" getauft wurde. Nach Ende seiner Haftzeit ging Noriega vergeblich durch alle Instanzen, um seine Auslieferung an Frankreich zu verhindern. Erst kurz vor dem Abflug in Miami hatte die US-Regierung in Washington bekanntgegeben, daß Außenministerin Hillary Clinton die Anordnung zur Auslieferung unterzeichnet habe. An Bord einer Passagiermaschine der Air France wurde Noriega nach Paris gebracht. [2]

Nach einer Stunde öffentlicher Anhörung und einer anschließenden anderthalbstündigen Beratung entschied der zuständige Haftrichter, daß der 76jährige bis zum Beginn des Prozesses im Santé-Gefängnis in der Pariser Innenstadt in Haft bleibt. Die Pariser Justiz will bei einer Anhörung am 12. Mai über den Termin für das Verfahren entscheiden. Die Zeitung "Le Figaro" schrieb, der Prozess solle im Juni oder Juli stattfinden. Beobachter schließen aber nicht aus, daß das Verfahren erst nach der Sommerpause beginnt.

Noriegas Verteidigung kündigte umgehend Berufung gegen die Entscheidung an. Die Anwälte wollen erreichen, daß ihr Mandant in seine Heimat überstellt wird, wo die Regierung ebenfalls seine Auslieferung verlangt. Obgleich Noriega in Panama wegen seiner Verstrickung in die Ermordung von Oppositionellen zu 54 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, könnte er wegen seines hohen Alters die Strafe dort womöglich als Hausarrest verbüßen. Seine Anwälte verwiesen auf den schlechten Gesundheitszustand ihres Mandanten, der vor vier Jahren einen Schlaganfall erlitten habe und seitdem teilweise gelähmt sei. "Wir werden alles dafür tun (...), daß dieser Mann in sein Land zurückkehren darf", sagte Anwalt Olivier Metzner. Zudem seien die Vorwürfe längst verjährt.

In seiner Anhörung vor dem Haftrichter hatte Noriega die Rückkehr in seine Heimat verlangt. Dabei berief er sich auf seinen Status als Kriegsgefangener, den ihm ein US-Gericht 1992 zuerkannt hatte. "Ich habe Recht auf alles, was einem Kriegsgefangenen nach der Genfer Konvention zusteht, darunter die Rückkehr in die Heimat nach Ende der Gefangenschaft", wurde Noriega in französischen Medien zitiert.

Da Manuel Noriega zeitweise enge Beziehungen zur politischen Elite Frankreichs gepflegt hatte, gilt ein Prozeß dort als heikle Angelegenheit. Wie die Zeitung "Le Canard enchaîné" schrieb, habe er unter anderem die Militärtransporte für die Atomwaffentests auf dem Mururoa-Atoll durch den Panamakanals gebilligt. Zudem hätten sich in Panama mehrere Filialen französischer Banken befunden, die dort diskreten Geschäften nachgegangen seien.

Als faktischer Staatschef Panamas hatte Noriega Vorsorge getroffen und in Paris Immobilien in bester Lage erworben, um sich einen komfortablen Alterssitz zu sichern. Seine Luxusappartements wurden jedoch nach der Verurteilung 1999 konfisziert. Informationen der Zeitung "Le Parisien" zufolge flossen in den 1980er Jahren umgerechnet etwa 5,3 Millionen Euro über die Konten, die das Ehepaar Noriega bei französischen Banken hatte. Seine Frau Felicidad wird noch immer mit internationalem Haftbefehl gesucht. Wie Noriega 1995 in US-Haft einem französischen Untersuchungsrichter gesagt hatte, seien seine Reisen nach Frankreich bekannt gewesen. Er habe völlig legal Militärmaterial, Flugzeuge und Waffen bei der französischen Militärindustrie gekauft. Während der Regierungszeit Präsident Jacques Chiracs war Noriega 1987 sogar mit einem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet worden.

Manuel Noriega, der ursprünglich Psychiater werden wollte, dann jedoch eine Laufbahn als Berufssoldat einschlug, wurde schon als junger Offizier von der CIA als Informant angeworben. Seine Ausbildung erhielt er an der berüchtigten "School of the Americas" in der Kanalzone, die bis 1999 von den USA verwaltet wurde. Als Washington Mittelamerika in ein Schlachtfeld gegen Kommunismus und Revolution verwandelte, stieg Noriega zu einem ihrer wichtigsten Handlanger in dieser Weltregion auf. Er stand nicht nur auf der Lohnliste der CIA, sondern wurde auch vom Pentagon gedeckt, da er die strategisch überaus wichtige Kanalzone unter Kontrolle hielt. Als Washington die Contras heranzüchtete, um die Sandinisten in Nicaragua niederzuwerfen, und zugleich eine Ausbreitung gesellschaftlicher Umwälzungen in Guatemala, Honduras und El Salvador zu verhindern trachtete, war Noriega der Garant für stabile Verhältnisse in Panama. Zwischen 1971 und 1983 war er Chef des militärischen Geheimdienstes, worauf er das mittelamerikanische Land von 1983 bis 1989 de facto regierte.

Der Protegé Washingtons übernahm Mitte der 1980er Jahre schließlich die Macht im Land und ging brutal gegen die Opposition vor. Als er seine Drogengeschäfte mit kolumbianischen Kartellen ausbaute und Geldwäsche im großen Stil betrieb, schien für die USA der Zeitpunkt gekommen, sich seiner zu entledigen. Nachdem sich die Beschwerden über Noriega häuften, signalisierte man ihm, er möge sich zurückhalten. Das fruchtete jedoch nicht, worauf man es mit Drohungen versuchte und schließlich sogar Putschpläne gegen ihn schmiedete. Wie zwiespältig das Verhältnis in dieser Übergangsphase war, mag der Umstand unterstreichen, daß sich Noriega des öfteren in den USA aufhielt, ohne dort wegen Drogenhandels festgenommen zu werden.

Als er es weiterhin ablehnte, sich der US-Justiz zu stellen oder ins Exil zu gehen, machte die US-Regierung Anfang 1988 die Vorwürfe des Drogenhandels offiziell bekannt und untersagte der gesamten Führung Panamas, in die USA einzureisen. Daraufhin verschlechterten sich die Beziehungen der beiden Länder rapide, die USA verhängten ein Handelsembargo, und als Noriega Druck auf US-amerikanische Militärs und Zivilisten auszuüben begann, lieferte dies im Dezember 1989 den Vorwand zur Invasion Panamas.

Am 20. Dezember 1989 fielen US-Truppen in Panama ein und überrannten die schwachen Streitkräfte, die danach abgeschafft wurden. Noriega flüchtete in die Botschaft des Vatikans, worauf die Invasoren das Gebäude umstellten und mit ohrenbetäubender Musik beschallten. Zehn Tage später ergab sich der Gesuchte am 2. Januar 1990 den US-Soldaten, die ihm sofort Handschellen anlegten und ihn nach Miami ausflogen, wo ihm der Prozeß gemacht wurde. [3]

Noriega nach Verbüßen seiner Haftstrafe an Panama zu überstellen, war aus Sicht der US-Führung zweifellos gegenüber der französischen Option die schlechtere Lösung. Die USA hatten ihren skrupellosen Statthalter jahrelang unterstützt, später aber das Land ohne Kriegserklärung angegriffen, Hunderte seiner Bürger getötet, den Machthaber verschleppt und abgeurteilt. Wenngleich der südlichste Staat Mittelamerikas traditionell ein Vasall Washingtons und Refugium anderswo verjagter Despoten war, existieren dort auch Fraktionen, denen die Dominanz der USA ein Dorn im Auge ist. Durch die Rückkehr Noriegas alte Kontroversen wiederaufleben zu lassen und insbesondere die Interessenlage seiner Hintermänner zu thematisieren, ließ sich vermeiden, indem man ihn nach Frankreich schaffte, die Franzosen ihre eigenen fast vergessenen Geschichten ausbaden ließ und darauf setzte, daß er angesichts seines fortgeschrittenen Alters die dort zu erwartende Haftstrafe kaum überleben würde. Anfang Juli 2009 legten Noriegas Anwälte Berufung gegen die Entscheidung der US-Justiz ein, ihren Mandanten nach Frankreich zu überstellen. Der Oberste Gerichtshof wies jedoch im Januar 2010 den Einspruch gegen eine Auslieferung ab und machte damit den Weg frei, sich das leidige Problem vom Hals zu schaffen.

Anmerkungen:

[1] Manuel Noriega. Paris - Justizbehörden stellen Haftbefehl aus (27.04.10)
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/manuel-noriega-paris-justizbehoerden-stellen-haftbefehl-aus_aid_502823.html

[2] Panamas Ex-Diktator Noriega in Paris in U-Haft (27.04.10)
http://www.stern.de/politik/panamas-ex-diktator-noriega-in-paris-in-u-haft-1561758.html

[3] Noriega Arrives in France to Face Charges (27.04.10)
New York Times

28. April 2010