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MEDIEN/475: Hetzkampagne gegen Rußland macht Trump zur Witzfigur (SB)


Hetzkampagne gegen Rußland macht Trump zur Witzfigur

Amerikas Kriegsfraktion treibt den neuen Präsidenten vor sich her


Im letztjährigen Präsidentenwahlkampf in den USA war der wesentliche programmatische Unterschied zwischen den beiden Bewerbern Hillary Clinton und Donald Trump in der Außenpolitik der künftige Kurs Amerikas gegenüber Rußland. Während die demokratische Ex-Außenministerin ein energisches Auftreten des Westens gegenüber Rußland unter Inkaufnahme potentieller Kriegsgefahr in Syrien, am Schwarzen Meer, in Osteuropa oder dem Baltikum versprach, trat der New Yorker Baulöwe für Versöhnung zwischen Washington und Moskau ein zwecks gemeinsamer Bekämpfung des "islamistischen Terrorismus" im Nahen Osten und anderswo. Als der Politneuling Trump am 8. November völlig überraschend die ehemalige First Lady besiegte, meinten die blamierten Vertreter der Konzernmedien, die russischen Geheimdienste hätten auf Anweisung von Präsident Wladimir Putin durch die Verbreitung von "Fake News" sowie durch Hackerangriffe auf die Computer der demokratische Partei den Volkswillen Amerikas zugunsten Trumps manipuliert.

Bis heute hat es keinen stichhaltigen Beweis für die Richtigkeit dieser "Verschwörungstheorie" gegeben. Nichtsdestotrotz wird Trump von der New York Times als Putins "Marionette" diffamiert, während der Kongreß mittels einer eigenen Untersuchungskommission den vermeintlichen Umtrieben des Kremls auf die Schliche kommen will. Die Vorwürfe sind derart lachhaft, daß im entsprechenden Bericht, den Mitte Dezember die US-Geheimdienste dem scheidenden Präsidenten Barack Obama vorgelegt haben, als Beispiel für die Destabilisierung der amerikanischen Demokratie durch Moskau die Tatsache angeführt wird, daß im vergangenen Frühherbst die englischsprachige Redaktion des staatlich-russischen Nachrichtensenders RT eine Fernsehdebatte unter Teilnahme der Drittkandidaten für das Amt des US-Präsidenten wie Jill Stein von den amerikanischen Grünen und Gary Johnston von der Libertarian Party ausstrahlte. Diese Politiker hatten daheim von den großen Medienkonzernen keine Beachtung gefunden. Wenn man es wollte, könnte man die RT-Aktion auch als Dienst an der US-Demokratie bewerten. Doch angesichts des neuen McCarthyismus, der in den USA die öffentlich Meinung beherrscht, würde man dort mit einer solchen Auslegung auf völliges Unverständnis stoßen.

Die in ihrer Intensität furchterregende Hetzkampagne gegen Rußland hat bereits Ex-Generalleutnant Michael Flynn nach nur drei Wochen im Amt seinen Posten als Trumps Nationalen Sicherheitsberater gekostet. Flynn hatte am 29. Dezember, als Obama aufgrund des medialen und politischen Drucks Sanktionen gegen Rußland wegen angeblich unzulässiger Einmischungen in die Präsidentenwahl verhängte, mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak telefoniert, um diesem eine Verbesserung der bilateralen Beziehung nach der Amtseinführung Trumps am 20. Januar in Aussicht zu stellen. Scheinbar deshalb hat Ex-KGB-Mann Putin nicht, wie erwartet, Vergeltungsmaßnahmen für die von Obama angeordnete Ausweisung von 35 russischen Diplomaten ergriffen, was Trump mit einer Twitter-Meldung positiv kommentierte, aber gleichzeitig die Kriegstreiberfraktion in Washington auf die Palme gebracht zu haben scheint.

Ab Mitte Januar zuerst über David Ignatius bei der Washington Post, später über die New York Times und das Wall Street Journal haben Insider beim Sicherheitsapparat mittels Lecks die Geschichte in die Welt gesetzt, Flynn hätte im Telefonat illegalerweise mit Kisljak die Aufhebung von Sanktionen gegen Rußland versprochen; dies gehe aus einem entsprechenden Protokoll des von der NSA abgefangenen Gesprächs hervor. Wegen des ganzen Rummels um die Episode - inzwischen sind die Rechtsexperten sich einig, daß Flynn formell nichts verbrochen hat - sah sich Trump am 13. Februar doch noch gezwungen, sich von seinem wichtigsten außenpolitischen Berater und dem Hauptbefürworter einer Aussöhnung zwischen USA und Rußland zu trennen. Die Auswirkungen des Flynnschen Abgangs ließen nicht lange auf sich warten. Am 15. Februar twitterte Trump, Rußland müsse die Krim abtreten und an die Ukraine zurückgeben. Damit war der Präsident auf die von seiner UN-Botschafterin Nikki Haley vorgegebene Position eingeschwenkt. Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina hatte bereits am 2. Februar bei ihrer Antrittsrede im UN-Sicherheitsrat die Aufhebung der Sanktionen gegen Rußland von der Rückgabe der Krimhalbinsel an Kiew abhängig gemacht.

Sich der allgemeinen Russophobie zu entziehen, fällt in den USA den Betreibern von links-alternativen Medien wie Truthout, The Nation und Democracy Now sichtbar schwer. Es gibt aber auch Redaktionen, deren Mitglieder den ganzen Propagandaschwall durchschauen wie zum Beispiel Consortium News, Counterpunch, Global Research, Mint Press News und die World Socialist Web Site. Bei einem am 25. Januar online erschienenen Interview mit Jeremy Scahill für The Intercept fiel das Urteil Seymour Hershs, des großen Alten des US-Enthüllungsjournalismus, über das, was sich derzeit bei Amerikas Medien abspielt, vernichtend aus. Hersh bezeichnete es als "skandalös", daß sämtliche US-Medien keine gesunde Skepsis gegenüber dem am 7. Januar zum Teil bekanntgewordenen Geheimdienstbericht über vermeintliche russische Umtriebe im US-Wahlkampf haben walten lassen, sondern ihn als glaubhaft kolportiert haben. Hersh tat den Bericht als "Lachnummer" ab: "Was heißt Beurteilung? Wir haben es hier mit keiner National Intelligence Estimate zu tun ... sonst enthielte sie fünf oder sechs abweichende Meinungen ... Eine Beurteilung ist nur eine Meinung. Wenn sie [die Geheimdienste - Anm. d. SB-Red.] über Fakten verfügten, würden sie sie vorlegen. Eine Beurteilung ist nichts als Glaube", sagte er. Hersh behauptet, daß er, hätte er über den Bericht geschrieben, ihn gar nicht erst ernst genommen, sondern den Urheber, den damals scheidenden CIA-Chef John Brennan, attackiert, dessen frühere Fehleinschätzungen hervorgehoben und ihn als "Blödmann" hingestellt hätte.

Noch dramatischer sind die Äußerungen, die der ehemalige Kongreßabgeordnete aus Ohio, Dennis Kucinich, am 14. Februar bei einem Interview für den US-Wirtschaftssender Fox Business zur Flynn-Affäre gemacht hat. Der einstige Präsidentschaftsbewerber der Demokraten, der zum linken Flügel der Partei Obamas und der Clintons gehört, warnte vor dem "tiefen Staat" und rief Amerikas Bürger dazu auf, endlich "aufzuwachen". Kucinich machte für den Rücktritt Flynns den US-Sicherheitsapparat, der zwecks Herrschaftsicherung und ordentlicher Aufträge für Amerikas Waffenfabrikanten "die USA und Rußland entzweien und den Kalten Krieg wieder auslösen" wolle.

Kucinich machte geltend, daß Trump einem Konfrontationskurs gegenüber Moskau im Wege stehe, den besagte Kräfte schon länger verfolgen. In diesem Zusammenhang erinnerte er an den sonderbaren US-Luftangriff, der im vergangenen September rund 100 Soldaten der Syrischen Arabischen Armee (SAA) tötete und einen wenige Tage zuvor durch die Bemühungen der russischen und amerikanischen Außenminister Sergej Lawrow und John Kerry zustande gekommenen Waffenstillstand in Syrienkrieg zunichte machte. Vor diesem Hintergrund darf es mehr als nur ein Zufall sein, daß nur zwei Tage nach dem Rücktritt Flynns der Nachrichtensender CNN und das Onlineportal Military.com unter Verweis auf Pentagonvertreter von einer bevorstehenden Verlegung von bis zu 2000 US-Bodentruppen nach Syrien berichteten.

17. Februar 2017


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