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MEDIEN/476: New York Times blamiert sich mit Fake-News zu Rußland (SB)


New York Times blamiert sich mit Fake-News zu Rußland

Amerikas "Paper of Record" verkommt zusehends zum Käseblatt


Seit dem Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus Ende Januar stehen die Beziehungen zwischen den neuem US-Präsidenten und der Presse nicht zum besten. Das hat mehrere Gründe. Erstens ist der Politneuling der Republikaner ein unverbesserlicher Prahlhans, der sich in seinen öffentlichen Äußerungen die Welt ungeachtet der objektiven Fakten zurecht legt, wie er will. Zweitens hat sich Trump im vergangenen November entgegen allen Erwartungen der Medien, welche die demokratische Ex-Außenministerin Hillary Clinton für die geeignetere Präsidentschaftskandidatin hielten, die Zustimmung des amerikanischen Volkes gesichert. Damit haben sich die Medien, allen voran die New York Times, die sich für die Stimme eines liberalen, weltoffenen Amerikas hält und deren Kolumnisten Paul Krugman, Thomas Friedman, Nicholas Kristof, David Brooks, Charles Blow und Maureen Dowd monatelang gegen den Emporkömmling aus der New Yorker Baubranche gewettert hatte, vollständig blamiert. Das haben sie natürlich nicht einsehen wollen, weshalb sie und die Führung der demokratischen Partei bis heute den Ausgang der Wahl anzweifeln und ihn auf Hackerangriffe und dunkle Propagandamachenschaften des Kremls, für die sie immer noch keinen einzigen stichhaltigen Beweis haben vorlegen können, zurückzuführen versuchen.

Im Wahlkampf hatte die New York Times Trump wegen dessen Eintritts für bessere Beziehungen zwischen den USA und Rußland zur "Marionette" Wladimir Putins hochstilisiert. Gemäß der Leseart der Kriegstreiberfraktion im US-Kongreß um den republikanischen Senator und Vietnamkriegsveteran John McCain hält die New York Times Putin und die Führung in Moskau für die anhaltende Krise in der Ukraine allein verantwortlich, wirft ihr bei jeder Gelegenheit Kriegsverbrechen in Syrien vor und unterstellt ihr, die Mitgliedsstaaten der EU auseinanderzudividieren, die Landkarte Osteuropa neu zu zeichnen, gar die seit 1945 bestehende internationale Weltordnung unterminieren zu wollen. Vor diesem Hintergrund bietet der Artikel, der am 28. Februar bei der New York Times in dessen Online-Ausgabe unter der Überschrift "Russia Looks to Exploit White House 'Turbulence', Analysts Say" erschienen ist, ein anschauliches Beispiel, wie sich die einflußreichste Zeitung der Welt die Argumente für ihre scheinbar niemals endende russophobische Hetzkampagne zusammenbastelt.

Die Überschrift suggeriert, im Artikel bekäme man genauere Angaben darüber, wie Rußland tatsächlich die "'Turbulenzen' im Weißen Haus auszunutzen" gedenkt. Der erste Satz - "Der Kreml, zunehmend überzeugt, daß Präsident Trump die Beziehungen zu Rußland nicht grundlegend verändern wird, versucht statt dessen seinen globalen Einfluß zu stärken, indem es das, was es für die Schwächen Washingtons hält, ausnutzt, so politische Berater, Diplomaten, Journalisten und andere Berater" - verstärkt diesen Eindruck. Liest man den Artikel jedoch zu Ende, sucht man vergeblich nach Belegen geschweige denn Hinweisen für die hier suggerierten amerika-feindlichen Aktivitäten Moskaus.

Für die im Artikel vertretene These der New York Times, wonach nach der ersten Ernüchterung über den Wahlsieg Trumps über die exponierte Putin-Kritikerin Clinton Rußland zu "seiner altbewährten Formel, Unruhe zu stiften und die daraus resultierenden Gelegenheiten auszunutzen" zurückgekehrt wäre, gibt es nur von einer einzigen Person Bestätigung. Es handelt sich hierbei um Alexei A. Wenediktow, den Chefredakteur des liberalen russischen Radiosenders Echo Moskwy. Wenediktow wird mit der Einschätzung zitiert, im Kreml hält man Trump für "instabil", "manipulierbar" und eine "autoritäre Person ohne Mannschaft"; der neue US-Präsident sei dermaßen mit den von ihm erzeugten, innenpolitischen "Turbulenzen" beschäftigt, daß dies Moskau Handlungsspielraum in der Ukraine, im Nahen Osten sowie gegenüber der NATO verschaffe, so Wenediktow.

Im Artikel darf offenbar nicht erwähnt werden, daß Alexander Dugin, der erzreaktionäre Philosoph und Verfechter eines eurasischen Rußlands, sich öffentlich über den Wahlsieg Trumps gefreut hatte und diesen dazu aufgerufen hatte, sein Versprechen, in Washington "den Sumpf" aus Politkarrieristen und Industrielobbyisten "trocken" zu legen, umzusetzen. Es gibt auch schadenfrohe Hinweise darauf, vor welchen Herausforderungen Rußland beim Versuch, den Syrienkrieg zu beenden, steht, sowie häßliche Bemerkungen in bezug auf Moskaus Werben um die Gunst des neuen starken Mannes in Libyen, Ex-General Khalifa Hifter.

Ansonsten äußern sich alle andere im Artikel zitierte Personen dahingehend, daß die Führung in Moskau genau wie die in den anderen Hauptstädten der Welt erst einmal abwartet, bis sich die neue außenpolitische Linie Trumps herauskristallisiert hat. Bis dahin wünscht man sich einen positiven Ausgang der laufenden Beratungen im Team Trump. Sergej A. Markow, der als kremlfreundlicher Analytiker bezeichnet wird, kommt in dem Artikel mit der Einschätzung zu Wort, daß man bei der Putin-Regierung hoffe, daß durch die Beschäftigung der Trump-Administration mit dem "Chaos" in den eigenen Reihen der Druck Washingtons auf Moskau nachlasse. Markow betont, daß Moskaus Hauptinteresse weniger in Richtung eines geschwächten als vielmehr eines "verläßlichen" Partners in Washington gilt.

Eine ähnliche Meinung vertritt in dem NYT-Artikel Alexej Chesnakow, der Leiter des Moskauer Center for Current Politics ist und gelegentlich dem Kreml berät. "Für Rußland ist es wichtig, daß Amerika seine außenpolitische Aufgabe erledigt. Wenn niemand diesen Job macht, kann es auch für uns gefährlich werden", so Chesnakow. Im Artikel äußert sich Igor Jurgens, ein russischer Ökonom, der in Bereichen Industrie und Entwicklung tätig ist, dahingehend, daß in Rußland niemand durchblicke, wie die starken unterschiedlichen Persönlichkeiten der Trump-Regierung zusammenarbeiten werden. Ähnlich Abwartendes gibt Dimitri K. Kiseljow, Moderator der "staatlichen Propagandasendung" "Nachrichten der Woche" von sich: "Wir dürfen kein vorschnelles Urteil fällen. Im Weißen Haus sind die Dinge noch etwas durcheinander. Bisher hören wir von dort nur Worte; aber Worte stellen keine echte Politik dar."

Der Artikel aus der Feder Neil MacFarquhar stellt also ein eindrückliches Beispiel dar, wie die New York Times mit Behauptungen, Unterstellungen, Verdrehungen, Auslassungen und ungenauen Angaben den Eindruck feindlicher russischer Umtriebe erzeugt, wo bei näherem Hinschauen gar keine sind. Statt dauernd auf den Splitter im Auge Wladimir Putins zu starren, wären die Macher der New York Times gut beraten, sich mit den Balken im eigenen zu befassen. Damit kämen sie ihrem jüngst selbsterklärten Ziel, "der Wahrheit zu dienen" und die "Pressefreiheit zu schützen", vielleicht ein Stück näher. Tun sie es aber nicht - wovon man ausgehen darf -, dann sind sie in Sachen Fake News und Polemik von dem großen Blender Trump lediglich darin zu unterscheiden, daß sie weniger populistisch-nationalistisch, sondern kosmopolitisch, vermeintlich aufgeklärt argumentieren.

27. Februar 2017


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