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MILITÄR/818: Tarnkappendrohnen bald in Serienproduktion? (SB)


Tarnkappendrohnen bald in Serienproduktion?

USA und Großbritannien bauen bereits die nächste Drohnengeneration


Weltweit regt sich der Widerstand gegen den Einsatz von unbemannten Drohnen, mit denen bislang nur die Streitkräfte Israels, der USA und einiger anderer NATO-Länder aus der Ferne nicht allein Spähoperationen durchführen, sondern auch auf ausgewählte Ziele Raketen und Bomben herunterregnen lassen können. Vor allem in Pakistan, wo in den letzten Jahren die CIA-Drohnenangriffe Hunderten von Zivilisten das Leben gekostet haben, während sich die tatsächliche Zahl der liquidierten Taliban- und Al-Kaida-Mitglieder nicht eindeutig ermitteln läßt, herrscht deswegen große öffentliche Empörung. Gleichzeitig läuft in den westlichen Industrienationen eine Kampagne an, mittels derer unter anderem Friedensaktivisten und Menschenrechtsanwälte eine umfassendere Diskussion über die Frage nach der moralischen Rechtmäßigkeit des Einsatzes solch fürchterlicher Waffen lostreten wollen. Leider steht zu befürchten, daß sich die Militärs und Politiker des Westens von dieser Diskussion nicht im geringsten werden beeindrucken lassen. Das Geschäft mit den Drohnen verspricht für die Rüstungsbauer ein wichtiger Markt der Zukunft zu werden. Alle größeren Waffenfabrikanten wollen da mitmischen, wie die von der Bundeswehr in Afghanistan verwendete Heron-1-Drohne, eine gemeinsame Entwicklung der Unternehmen Rheinmetall und Israel Aerospace Industries, zeigt.

In den USA und Großbritannien läuft bereits die Erprobungsphase der nächsten Generation der Unmanned Combat Aeriel Vehicles (UCAVs) an. Es handelt sich um Drohnen mit leichter Tarnkappeneigenschaften ähnlich derer der B2- und B117-Bomber der US-Luftwaffe. Im Vergleich zur ersten unbemannten fliegenden Waffe, der Predator-Drohne, die mit lediglich zwei Hellfire-Raketen bestückt werden konnte, war die ab 2007 im Himmel über dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet eingesetzte MQ-9-Reaper eine deutliche Steigerung sowohl quantativ als auch qualitativ. Mit einer Länge von zwölf Metern und einer Flügelspannweite von 22 Metern war der "Sensemann" doppelt so groß und mit einem Gewicht von rund fünf Tonnen doppelt so schwer wie sein primitiver Vorgänger, der "raubtiermäßig" immerhin von der ersten Stunde des "globalen Antiterrorkrieges" an, nämlich seit der Invasion von Afghanistan im Oktober 2001, mit dabei war. Im Vergleich zum Predator fliegt der Reaper mit 500 Stundenkilometern doppelt so schnell und mit 50.000 Fuß dreimal so hoch und kann die siebenfache Menge an Munition - entweder 14 Hellfire-Raketen oder vier Stück davon plus zwei 250-Kilo-Bomben - mit sich tragen.

Am 19. Juli hat Noah Shachtman in einem Artikel für seinen vielbeachteten Blog Danger Room bei der elektronischen Ausgabe der US-Technologiezeitschrift Wired über den Nachfolger für den Reaper berichtet. Er trägt die Bezeichnung Avenger UCAV und ist vom US-Rüstungskonzern General Atomic Aeronautical Systems entwickelt worden. Der Prototyp durchläuft seit rund 15 Monaten die Erprobungsphase. Die Tester scheinen mit dem bisherigen Ergebnis rundum zufrieden zu sein. Seit Anfang 2009 hat die Maschine pro Woche zwei bis drei Flüge absolviert. Nur ein einziger Start bisher hatte aus technischen Gründen verschoben werden müssen.

Mit einer Flügelspannweite von 22 Metern und einer Rumpflänge von rund 15 Metern ist der Avenger unwesentlich größer als der Reaper. Er fliegt auch nicht höher, aufgrund eines hochleistungsfähigen Düsenantriebs von Pratt & Whitney aber fast 50 Prozent schneller - bis zu 740 Stundenkilometern - und kann bis zu fast 3000 Kilogramm an Bomben und Raketen in unterschiedlicher Konstellation mit sich tragen. Damit ausgestattet kann der Avenger bis zu 20 Stunden in der Luft bleiben. Darüber hinaus weist die Form der neuen Drohne radarsignalabweisende Eigenschaften auf. Die Exemplare zwei und drei werden bereits gebaut. Laut Noah Shachtman hofft man bei General Atomics demnächst vom Pentagon grünes Licht für die Serienproduktion zu bekommen.

Am 13. Juli haben in Warton in der nordenglischen Grafschaft Lancashire das Rüstungunternehmen BAE Systems und das Londoner Verteidigungsministerium der Öffentlichkeit die Antwort Großbritanniens auf die amerikanische und israelische Drohnen präsentiert. Sie heißt Taranis nach dem keltischen Gott des Donners, und die Entwicklung des Prototyps mit seiner seltsamen trapezartigen Form hat dreieinhalb Jahre gedauert und rund 200 Millionen Euro gekostet. An der Fertigstellung des ersten wirklich unbemannten Tarnkappenflugzeuges, dessen Erprobungsphase zwar 2011 beginnt, das aber eventuell auch Interkontinentalflüge bewältigen können soll, waren neben dem britischen Verteidigungsministerium und BAE Systems, bekanntlich die größte Rüstungsfirma Europas mit weitgefächerten Geschäftsverbindungen zum Pentagon, die High-Tech-Unternehmen Rolls Royce, QinetiQ und GE Aviation beteiligt.

Bei der Vorstellung der neuen Waffe lobte Gerald Howarth, der im konservativ-liberalen Kabinett David Camerons das Amt des Ministers für Internationale Sicherheitstrategie bekleidet, nach Angaben der Zeitung Daily Mail Taranis als ein "wahrhaft bahnbrechendes Projekt" und als Musterbeispiel britischer Ingenieurskunst. Im bereits erwähnten Wired-Artikel war Noah Shachtman auf die Enthüllung von Taranis eingegangen und hatte weniger Schmeichelhaftes darüber berichtet. Demnach hat 2006 das britische Verteidigungsministerium BAE Systems mit dem Sonderprojekt beauftragt, um in erster Linie dessen Kampfjetabteilung am Leben zu erhalten, da die Royal Air Force wegen finanzieller Engpäße im britischen Staatshaushalt seit einiger Zeit keine neuen bemannnten Maschinen bestellt hat und auf absehbare Zeit keine - jedenfalls nicht in nennenswerter Stückzahl - wird bestellen können.

21. Juli 2010