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MILITÄR/820: Größte britische Söldnerfirma gründet Holding in Basel (SB)


Aegis Defence Services auf der Suche nach kontrollfreien Standorten?


Wie Schweizer Zeitungen berichten, hat sich die größte britische Privatarmee, Aegis Defence Services, in aller Stille in Basel niedergelassen und dort eine Holding mit einem Kapital von 225.000 Franken gegründet. Von seiten des Unternehmens heißt es dazu, die Firma mache aber keine Geschäfte in oder aus der Schweiz heraus. Kritiker bezeichnen das 2004 gegründete Unternehmen als "unkontrollierbares Söldnerheer", das mit schätzungsweise 20.000 Mann vor allem in Afghanistan und dem Irak tätig ist. [1]

Auf der eigenen Homepage (www.aegisworld.com) stellt sich die Sicherheits- und Söldnerfirma Aegis als ein Unternehmen vor, das schon "ein breites Spektrum von herausfordernden und innovativen Aufträgen in äußerst gefährlichen Umständen" ausgeführt hat. Man setze den "Gold Standard" für Sicherungsoperationen, und die Firmengründer seien "äußerst stolz" auf diesen Leistungsausweis. Das Angebot von Aegis umfaßt demnach folgende Dienstleistungen: Operationskoordination, Physische Sicherheitsdienste, Erkundung, Beratung, Humanitäre Unterstützung, Spezialisten-Ausbildung, Technische Dienste und Dienste auf See.

International bekannt wurde Aegis, als das Unternehmen im Jahr 2004 einen Auftrag des US-Verteidigungsministeriums in Höhe von 400 Millionen Dollar erhielt. Aegis sollte die Absicherung des zivilen Wiederaufbaus im Irak koordinieren, also in Zusammenarbeit mit den internationalen Streitkräften den Schutz der zivilen Baustellen sicherstellen. Aegis hebt hervor, daß die Firma klare Regelungen für die Tätigkeit privater Sicherheitsfirmen unterstütze und sich dem sogenannten Montreux Document unterstelle, welches das Verhalten von privaten Sicherheitsfirmen in bewaffneten Konflikten regelt. Die Firma verfügt zudem über einen Code of Conduct und einen Code of Business Conduct. [2]

Als Aegis 2004 und damit ein Jahr nach dem Einmarsch der Amerikaner und Briten in den Irak gegründet wurde, war der britische Oberstleutnant Tim Spicer die zentrale Figur, der bis heute den größten Aktienanteil an dem Unternehmen hält. Spicer hatte zuvor die Firma Sandline International geleitet, die in den 1990er Jahren durch Waffenlieferungen nach Afrika und Asien von sich reden machte. Nach der Einstellung von Sandline hob Spicer Aegis Defence Services aus der Taufe und mit diesem Unternehmen gelang es ihm, sich in London und Washington als weltweit erfahrener Sicherheitsexperte und sein Unternehmen als Verbindungsglied zwischen Militär und zivilen Projekten anzubieten. So soll Aegis während des Irakkriegs Aufträge im Wert von 750 Millionen Dollar bekommen haben und sich auch in Afghanistan große Brocken gesichert haben. [3]

Die britischen Premierminister aus dem Lager New Labour, Tony Blair und Gordon Brown, welche die Privatisierung von Dienstleistungen in großem Stil vorantrieben, sahen in Aegis einen geeigneten Partner für ihre militärischen Kampagnen. Noch im vergangenen Jahr unterstrich Browns damaliger Außenminister David Miliband, daß private Militärfirmen in Kriegsgebieten eine wichtige Rolle zu spielen hätten und unerläßlich für britische Unternehmungen wie die in Afghanistan seien. Während Miliband eine Selbstkontrolle der Branche für völlig ausreichend hielt, forderte der Außenpolitische Ausschuß des britischen Unterhauses gesetzliche Kontrollen. Dennoch hat auch die konservative Regierung nichts geändert und Aegis statt dessen einen neuen Auftrag angeboten: Für eine ungenannte Summe soll das Unternehmen die Sicherheit der Olympischen Spiele 2012 in London garantieren.

Während die Regierungen Aegis gern als Hilfswerkzeug bei auswärtigen Militäraktionen benutzen und sich die Unternehmensführung eine goldene Nase verdient, sprechen Kritiker von einem Söldnerheer, das weder der parlamentarischen Kontrolle von Kriegseinsätzen, noch dem Außenwirtschaftsrecht hinsichtlich der Ausfuhr von Rüstungsgütern unterliegt. Menschenrechtsorganisationen wie War on Want weisen auf die Menschenrechtsverletzungen von Söldnerverbänden hin. Britische Regierungen, so erklärt War-on-Want-Chef John Hilary, hätten es britischen Söldnern ermöglicht, riesige Profite zu machen und vollkommen außerhalb des Gesetzes zu operieren.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Treiben privater Sicherheitsunternehmen in Kriegsgebieten bekannt, als 2007 der Blackwater-Skandal die Branche kurzfristig erschütterte. In dem damaligen Bericht des US-Repräsentantenhauses kamen unter anderem Schüsse aus fahrenden Autos auf Iraker, tödlichen Salven in Volltrunkenheit und fast 200 Schießereien in zwei Jahren zur Sprache. In Reaktion auf diesen Skandal wurden in den USA und in England die Richtlinien für Militärdienstleister verschärft.

Dies dürfte wesentlich zur Entscheidung beigetragen haben, Aegis ein Standbein in der Schweiz zu verschaffen, wo das Unternehmen offenbar keine Kontrolle und Einschränkung seiner Tätigkeit verortet. Dabei wußten zunächst weder die Behörden in Basel noch in Bern etwas davon, daß eine Basler Treuhandfirma die Aegis Group Holding Mitte März ins Handelsregister eintragen ließ. Nachdem die Präsenz inzwischen durch breite Berichterstattung in den Medien ruchbar geworden ist, sah sich das Unternehmen zu folgender schriftlichen Stellungnahme veranlaßt: Basel sei wegen der geografischen Lage, des Steuersystems und der Nähe zum involvierten Treuhandbüro als Hauptsitz geeignet. Operative Tätigkeiten von Basel aus seien nicht geplant. [4]

Was sich recht neutral und harmlos anhören mag, schmeckt den Basler Behörden nicht. Diese sind beim Bundesamt für Justiz mit der Forderung vorstellig geworden, Aktivitäten sogenannter "Private Military Companies" ähnlich wie den Export von Kriegsmaterial bewilligungspflichtig zu machen. Der Basler Regierungsrat legte Wert auf die Feststellung, daß die Niederlassung dieses Unternehmens "kein Ergebnis der kantonalen Ansiedlungspolitik" sei. Es gelte die eidgenössische Handels- und Gewerbefreiheit inklusive freier Sitzwahl. Der Kanton werde "im Rahmen seiner Möglichkeiten" darüber wachen, daß sich Aegis an die Rechtsordnung hält. Die Entscheidung, ob das Exportgesetz für Kriegsmaterial in derartigen Fällen anzuwenden ist, obliege jedoch der Bundesebene.

Ob Aegis Defence Services ein Bewilligungsgesuch gestellt hat, ist bislang nicht bekannt, da sich das Staatssekretariat für Wirtschaft zugeknöpft zeigt und in dieser Sache keine Auskunft gibt. Erwin Bollinger, zuständig für Exportkontrollen und Sanktionen, sagte nur soviel: Solange die Firma nicht physisch Waffen aus der Schweiz exportiere, verstoße sie nicht gegen das Kriegsmaterialgesetz. Details zu Exportgesuchen unterlägen der üblichen Schweigepflicht.

Unterdessen diskutieren Schweizer Medien jedoch vehement die Frage, ob die Präsenz von Sicherheitsfirmen mit "robusten" Mandaten im Ausland nicht negative Rückwirkungen auf die Neutralitätspolitik der Schweiz haben könne. Wenn eine Söldnerfirma mit Sitz in Basel in Kriegsgebieten aktiv ist, verträgt sich das offenbar schlecht mit der humanitären Politik des Landes wie auch dessen generellem Söldnerverbot. So verbietet das Militärstrafgesetz das Leisten fremder Militärdienste, worunter freilich Logistik- und Supportdienste kaum fallen dürften. Allerdings hat die Schweiz keinerlei Einblick in die operative Tätigkeit von Aegis, weshalb eine fundierte Beurteilung vorerst überhaupt nicht möglich ist.

Insofern die Gefahr besteht, daß der Ruf der Schweiz gefährdet und ihre Außenpolitik beeinträchtigt wird, handelt es sich um eine Angelegenheit des Bundes. Die Regierung hat schon in Berichten von 2005 und 2008 darauf hingewiesen, daß private Sicherheitsfirmen die schweizerische Außenpolitik und insbesondere die Bemühungen der Schweiz zur Stärkung des humanitären Völkerrechts beeinträchtigen können. Zwar hat Aegis nur den Holdingsitz nach Basel verlegt, während die operative Leitung offenbar in London bleiben soll und die Schweiz daher für die operative Tätigkeit des Unternehmens rechtlich nicht unmittelbar zuständig ist, doch sind politische Rückwirkungen auf die schweizerische Außenpolitik dennoch nicht auszuschließen. [5]

Demgegenüber versucht Aegis offenbar, sich den Umstand zunutze zu machen, daß es für die Zulassung privater Sicherheitsfirmen in der Schweiz derzeit keine einheitliche Regelung auf Bundesebene gibt. Es existieren vielmehr unterschiedliche kantonale Regelungen. Während in der Westschweiz auf Grund eines Konkordats eine einheitliche und relativ strenge Regelung besteht, gibt es in der deutschen Schweiz höchst unterschiedliche kantonale Vorschriften, wobei diese zum Teil sogar völlig fehlen.

In dem Bericht zur Frage der Registrierungspflicht für Sicherheitsfirmen von 2008 sah das Justizministerium keinen Bedarf, die Rechtslage landesweit zu vereinheitlichen. Wie es damals hieß, sei der einheimische Markt für Sicherheitsfirmen zu klein und unbedeutend, der Kontrollaufwand bei Aktivitäten solcher Firmen im Ausland zu hoch, so daß man die internationale Rechtsentwicklung abwarten wolle. Falls die Schweiz jedoch für Sicherheitsfirmen besonders attraktiv werden sollte, könne eine neue Beurteilung erforderlich werden. Zwar forderte man die Kantone auf, ihre Gesetzgebung zu harmonisieren, doch ist das bislang auf Grund kontroverser Auffassungen nicht geschehen. Im November wollen sich die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren mit diesem Thema befassen, doch soll der dabei behandelte Entwurf für ein strengeres Konkordat nur Leistungen von Firmen regeln, die auf dem Schweizer Markt tätig sind. Das würde bedeuten, daß ein Militärdienstleister wie Aegis Defence Services weiterhin ungehindert seinen Geschäften im Ausland nachgehen kann.

Am kommenden Freitag wird sich die Sicherheitspolitische Kommission mit diesem Thema befassen. Dabei dürfte der Umstand zur Sprache kommen, daß Privatarmeen von einer für sie günstigen rechtlichen Situation profitieren, da sie bei der Zulassung wie jede andere Aktiengesellschaft behandelt werden und in den meisten Kantonen eine separate Prüfung derart hochsensibler Organisationen gänzlich fehlt.

Da die Privatarmeen in den vergangenen Jahren immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten sind, werden solche Unternehmen inzwischen in den USA und in Britannien genauer beobachtet. Vor diesem Hintergrund macht eine Verlagerung in die Schweiz für solche Firmen durchaus Sinn. Neu ist das Phänomen jedoch nicht, da beispielsweise bereits ein Unternehmen, das auf US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkten im Irak Reinigungsarbeiten durchführte, seinen Sitz in der Schweiz hatte. Dabei handelte es sich um jene Gruppe von Akteuren, die sich auf die Bereitstellung von Logistik in Konfliktgebieten spezialisiert haben. Eine zweite Gruppe befaßt sich mit der Ausbildung von Einsatzkräften, eine dritte erarbeitet in Regierungsauftrag Operationspläne. Die vierte Gruppe, die Soldarmeen, sind an der Front tätig, und dazu gehört auch Aegis, was die Brisanz der aktuellen Kontroverse unterstreicht. [6]

Anmerkungen:

[1] Söldnerfirma nimmt Sitz in Basel (10.08.10)
http://www.suedkurier.de/region/hochrhein/kanton-basel/Soeldnerfirma- nimmt-Sitz-in-Basel;art372605,4425477

[2] "Söldnerfirma" auf neutralem Boden. Aegis zwingt Schweiz zu Neubeurteilung der Rechtslage (10.08.10)
http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/aegis_basel_neutralitaet_solddienst_marc_schinzel_1.7164707.html

[3] Privatarmee im Visier (10.08.10)
http://www.a-z.ch/news/wirtschaft/privatarmee-im-visier-10979225

[4] Söldnerarmee: Basler Regierung wird jetzt beim Bund vorstellig (10.08.10)
http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/08/10/Schweiz/Soeldnerarmee- Basler-Regierung-wird-jetzt-beim-Bund-vorstellig

[5] Umstrittener Stoßtrupp des privaten Krieges (10.08.10)
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/deutschland/umstrittener- stosstrupp-des-privaten-krieges--34102141.html

[6] Warum die Söldner nach Basel ziehen (10.08.10)
http://bazonline.ch/schweiz/standard/Warum-die-Soeldner-nach-Basel- ziehen/story/27409442

11. August 2010