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MILITÄR/829: Einkreisung Chinas - USA und Japan starten Großmanöver (SB)


Washington setzt seine Verbündeten gegen Beijing ein


Der Koreakrieg war der Auftakt zu einer Abfolge militärischer Auseinandersetzungen, mit denen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten nach dem Zweiten Weltkrieg den Zugriffsanspruch des seiner Natur nach expandierenden kapitalistischen Verwertungssystems durchzusetzen trachteten. Wenngleich die Schlachten in Südostasien, Afrika und Lateinamerika ausgetragen wurden, standen sie stets im Zeichen einer Konfrontation der Systeme, in deren Kontext die Sowjetunion und China aus westlicher Sicht die eigentlichen Gegner blieben. Die beiden zu bekämpfen, ohne ihren Schulterschluß zu provozieren, zählt bis heute zu den vordringlichsten strategischen Erfordernissen einer Doktrin der Schwächung und Einkreisung, wobei nach dem Zerfall der Sowjetunion nun Rußland ins Visier genommen wird.

Wenn in diesem Prozeßverlauf Phasen verschärfter Konflikte mit zwischenzeitlichem Tauwetter wechselten, so verdankte sich diese taktische Abfolge verschiedenen Gründen, die in ihrer Summe kein Jota an der letztendlichen Stoßrichtung änderten. Heute steht die NATO an den Grenzen Rußlands und treibt im Mittleren Osten einen Keil zwischen Rußland und China, die mit ihren Ressourcen, ihrer wirtschaftlichen Dynamik und nicht zuletzt den Atomwaffen selbst für das mächtigste Militärbündnis der Welt mit Vorsicht zu genießen sind. Während die NATO in ihrer neuen Doktrin die Einbindung Rußlands auf die Tagesordnung gesetzt hat, worauf Moskau mit gleichermaßen taktischen Avancen eingeht, kreisen die USA in ihrer pazifischen Einflußsphäre Schritt für Schritt China immer enger ein.

Die aktuellen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel rufen zwangsläufig Befürchtungen auf den Plan, der damals nicht mit einem Friedensschluß, sondern lediglich einem Waffenstillstand beendete Krieg könne wieder ausbrechen. Nach dem nordkoreanischen Artillerieangriff auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong am 23. November, bei dem vier Menschen getötet wurden, war die Regierung von Präsident Lee Myung-bak in die Kritik geraten. Um die Vorwürfe zu entkräften, ihre Reaktion auf den Beschuß sei schwach und unangemessen defensiv gewesen, bietet sie den Viersternegeneral Kim Kwan-jin als neuen Verteidigungsminister auf. Bei einer Anhörung im Parlament, in der seine Ernennung bestätigt werden sollte, sprach er von der schwersten Krise seit dem Koreakrieg und drohte dem Norden mit Luftschlägen. Sollte Pjöngjang erneut das südkoreanische Land und Volk angreifen, werde man "gründlich zurückschlagen", um dafür zu sorgen, daß der Feind nicht noch einmal provozieren kann, setzte Kim auf lautes Säbelrasseln zum Zeichen der Stärke. [1]

Die Streitkräfte hätten in Ausübung ihrer grundlegenden Pflicht versagt, den nordkoreanischen Beschuß der Insel Yeonpyeong abzuwehren und den Torpedoangriff auf ein südkoreanisches Kriegsschiff im März zu verhindern, erklärte der 61 Jahre alte frühere Kommandeur der Infantrie und Generalstabschef. Man bereite derzeit aggressivere Einsatzbestimmungen vor, die unter anderem den Handlungsspielraum der Feldkommandeure erweitern und im Verteidigungsfall schnellere und vernichtendere Reaktionen ermöglichen sollen. [2]

Der Rücktritt des bisherigen südkoreanischen Verteidigungsministers Kim Tae-young, dem man vorwarf, er habe nicht aggressiv genug auf den nordkoreanischen Angriff reagiert und insbesondere die Luftwaffe nicht eingesetzt, läutet offenbar eine neue Doktrin für die Streitkräfte ein. Galt bislang die Regel, daß Angriffe stets nur auf gleicher Stufe erwidert werden durften, um Eskalationen zu vermeiden, sind die Truppen nun autorisiert, in größerem Umfang zurückzuschlagen, also beispielsweise Artilleriestellungen von der Luftwaffe bombardieren zu lassen oder sogar Präventivschläge vorzunehmen. Damit ist einer Ausweitung des Konflikts Tür und Tor geöffnet.

Obgleich der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea natürlich seine eigene Geschichte hat, ist er doch in erster Linie im Zusammenhang der übergeordneten Konfrontation zwischen den USA und China zu sehen. So fordert Washington die Regierung in Beijing auf, den unberechenbaren Verbündeten enger an die Leine zu nehmen. Unterdessen haben die USA und Japan ihr bislang größtes gemeinsames Militärmanöver gestartet, das unter der Bezeichnung "Kühnes Schwert" in südjapanischen Gewässern an der Grenze zu Südkorea stattfindet. An den achttägigen Übungen nehmen nach Armeeangaben 44.000 Soldaten, 60 Kriegsschiffe und 500 Flugzeuge beider Seiten teil, was die gewaltigen Dimensionen dieses vom US-Flugzeugträger "George Washington" und dessen Verband angeführten Aufmarsches unterstreicht.

Da ein Manöver dieser Größenordnung langer Vorbereitung bedarf, war es natürlich bereits vor dem Angriff der nordkoreanischen Armee auf Yeonpyeong angesetzt worden. Die Regierung in Tokio will jedoch angesichts der Spannungen zwischen Nord- und Südkorea ihre Solidarität mit Seoul bekräftigen, weshalb die Übung erstmals von südkoreanischen Militärbeobachtern begleitet wird. Wie der japanische Verteidigungsminister, Toshimi Kitazawa, vor Pressevertretern betonte, berücksichtige das Manöver sicherheitsrelevante Veränderungen im Umfeld, richte sich aber nicht gegen ein bestimmtes Land.

Südkorea hat vor wenigen Tagen ein gemeinsames Großmanöver mit den USA im Gelben Meer durchgeführt und plant nun fünftägige eigenständige Militärübungen. Diese finden nach Angaben der südkoreanischen Armee an 29 Orten statt, darunter auch in der Nähe der umstrittenen Seegrenze zwischen den beiden koreanischen Staaten. [3]

Um den aktuellen Konflikt zwischen Nord- und Südkorea zu entschärfen, hatte die chinesische Regierung zu einem Krisentreffen im Rahmen der Sechsergespräche über das nordkoreanische Atomprogramm aufgerufen. Dieser Vorschlag wurde jedoch von Washington, Seoul and Tokio zurückgewiesen, die strenge Maßnahmen wie insbesondere Sanktionen gegen Nordkorea fordern. Wie die chinesische Außenamtssprecherin Jiang Yu dazu erklärte, scheinen diejenigen, die Waffen schwingen, das Recht auf ihrer Seite zu haben.

Der Generalstabschef der US-Streitkräfte, Admiral Michael Mullen, wies den Ruf der Führung in Beijing nach Konsultationen zurück, die konkrete Maßnahmen nicht ersetzen könnten. Er glaube nicht, daß man das provozierende und destabilisierende Verhalten Nordkoreas weiterhin mit Verhandlungen oder neuen Anreizen belohnen sollte. Nach den Worten des Sprechers des Weißen Hauses, Robert Gibbs, sind die Vereinigten Staaten nicht "an weiteren PR-Aktivitäten" zur Stabilisierung der Region interessiert. Statt dessen wollen die USA, Südkorea und Japan in der kommenden Woche ein eigenes Treffen in Washington durchführen. [4]

Die enge militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Japan spricht eine ebenso deutliche Sprache wie die in jüngerer Zeit gewachsenen Spannungen zwischen Japan und China. An sich belanglose Vorfälle wie Verletzungen der ohnehin meist umstrittenen Seegrenzen bis hin zu kleinen Scharmützeln wären unter anderen Umständen kaum der Rede wert und fänden in der Weltpresse allenfalls als Randnotiz Erwähnung. Daß daraus Staatsaffären werden, die in Vergeltungsdrohungen und vorübergehende Einschränkungen der Handelsbeziehungen münden, kündet als Vorspiel von längst geplanten Schüben fortgesetzter Aggression.

Wer in dieser Weltregion seinen Anspruch auf Vorherrschaft und Ressourcenzugriff massiv geltend macht, liegt auf der Hand. Es sind US-amerikanische Flugzeugträgerverbände, U-Boote und Spionagemaschinen, die mehr oder minder dicht vor den Küsten Chinas operieren. Der Vorwurf an die chinesischen Militärs, sie seien angesichts ihres Flottenbaus und ihrer Manöver im südchinesischen Meer von expansionistischen Gelüsten geritten, denen man nicht tatenlos zusehen werde, stellt die Kräfteverhältnisse und Präsenz auf den Kopf.

Auch die westlicherseits vorgehaltene Sorge, China trage sich mit der Absicht, exzessive militärische Stärke zu zeigen, um seine Ansprüche nicht nur auf Taiwan, sondern sein gesamtes Umfeld gewaltsam geltend zu machen, ist doppelzüngiger Natur. Die USA beliefern Taiwan mit modernem Kriegsgerät, haben Truppen in Südkorea stationiert, arbeiten auf militärischem Gebiet inzwischen eng mit Japan zusammen und versichern alle Staaten dieser Region ihre Unterstützung gegen mögliche Übergriffe Chinas. Washington bindet seine Verbündeten zunehmend enger in den Pakt gegen Beijing ein, die für die Hoffnung, von der Nähe zur Führungsmacht zu profitieren, mit zunehmenden Konflikten büßen müssen. Stellvertretend für die USA treiben sie als deren Fußvolk die Auseinandersetzung voran und reizen die Chinesen zu Reaktionen, gegen die dann der Verteidigungsfall ins Feld geführt werden kann.

Anmerkungen:

[1] Nahe an Südkorea. USA und Japan starten Militärmanöver (03.12.10)
http://derstandard.at/1289609404600/Nahe-an-Suedkorea-USA-und-Japan-starten-Militaermanoever

[2] South Korean Outlines Military Posture (03.12.10)
New York Times

[3] Strategie der Spannungen. Südkorea, Japan und USA planen neue Militärmanöver (03.12.10)
junge Welt

[4] US and China in a diplomatic standoff over North Korea (03.12.10)
World Socialist Web Site

3. Dezember 2010