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MILITÄR/851: USA drohen dem Iran mit der "bunkerknackenden" Bombe (SB)


USA drohen dem Iran mit der "bunkerknackenden" Bombe

Wall Street Journal tut Pentagons neue Wunderwaffe kund


Die USA und die EU setzen den Iran im sogenannten "Atomstreit" unter massivem diplomatischen und wirtschaftlichen Druck. Während Washington sämtlichen Finanzinstituten, die Geschäfte mit der Iranischen Zentralbank tätigen, mit Sanktionen droht, hat Brüssel ein Embargo gegen den Import von Öl und Ölprodukten aus der Islamischen Republik verhängt. Sowohl US-Präsident Barack Obama als auch seine wichtigsten europäischen NATO-Partner, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Großbritanniens Premierminister David Cameron, beteuern, Teheran auf friedlichem Wege zum Nachgeben bewegen zu wollen. Da die Iraner jedoch nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste keine Kernwaffenforschung betreiben, ist es für sie nicht einsehbar, warum sie der Forderung des Westens nach Einstellung der Urananreicherung nachkommen bzw. sich anders verhalten oder sich anders behandeln lassen sollten als jeder andere Unterzeichnerstaat des nuklearen Nicht-Verbreitungsabkommens.

Da derzeit kein diplomatischer Ausweg erkennbar ist, rüsten sich alle Konfliktparteien für einen eventuellen Showdown am Persischen Golf. Dabei schwingt natürlich die Hoffnung mit, mit lautem Säbelrasseln den Gegner am Ende doch zum Einlenken zwingen und einen Krieg vermeiden zu können. So führen die iranischen Revolutionsgarden seit Wochen rund um die Straße von Hormus scheinbar ein Kriegsmanöver nach dem anderem durch, um ihre Fähigkeit zu demonstrieren, das wichtigste Nadelöhr für den Transport von Öl aus den Anrainerstaaten des Persischen Golfs zu blockieren und die Schiffe der US-Marine zu bedrohen. Angeblich verfügen die Iraner über russische Spezialtorpedos vom Typ Schkwal ("Sturmböe"), mit denen man sogar Flugzeugträger versenken kann. Derzeit befindet sich der US-Flugzeugträger Abraham Lincoln samt Begleitflotte - auch "battle group" genannt - im Persischen Golf, während ein zweiter, die USS John C. Stennis, im Arabischen Meer auf der anderen Seite der Straße von Hormus postiert ist. In den kommenden Wochen soll mit der USS Enterprise ein dritter Flugzeugträger dazustoßen.

Auch wenn die USA seit Jahren durch die ständig wiederholte Formulierung "alle Optionen liegen auf dem Tisch" im Ernstfall mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen, so glaubt man in Washington dennoch, den Streit auch ohne Überschreiten der nuklearen Schwelle militärisch für sich entscheiden zu können. Das dürfte die Hauptbotschaft eines spektakulären Artikels gewesen sein, der am 27. Januar im konservativen, den militaristischen Kreisen in den USA nahestehenden Wall Street Journal unter der Überschrift "Pentagon Seeks Mightier Bomb vs. Iran" erschienen ist. Dort wird von den technischen Anstrengungen berichtet, die bunkerknackenden Bomben der US-Luftwaffe noch effektiver zu machen.

Seit 2004 hat das US-Verteidigungsministerium rund 330 Millionen Dollar für die Entwicklung des 30.000 Pfund bzw. 13.590 Kilogramm schweren "Massive Ordnance Penetrator" (MOP) ausgegeben. Nach erfolgreichen Tests in White Sands, New Mexiko, hat Boeing 2009 den Auftrag erhalten, diese schwerste Bombe im amerikanischen Waffenarsenal im B-2-Tarnkappenbomber, der vom Konkurrenzunternehmen Northrop Grumman gebaut wird, zu integrieren. Insgesamt hat das Pentagon 20 dieser Sprengkörper bestellt. Die ersten wurden im September 2011 an die US-Luftwaffe ausgeliefert. Der B-2 Spirit, der wegen seiner empfindlichen Tarnkappenbeschichtung auf Spezialhangar mit einer engen Bandbreite an Temperatur und Luftfeuchtigkeit angewiesen ist, wofür es auf der Welt nur drei Standorte - auf den US-Luftwaffenstützpunkten auf Guam im Pazifik, auf Diego Garcia im Indischen Ozean und in Whiteman, Missouri - gibt, kann bei einer Mission zwei MOPs ans Ziel befördern.

Anfang Januar hat der Iran in einer neuen unterirdischen Anlage namens Fordo nahe der schiitischen Pilgerstadt Qom mit der Anreicherung von Uran von 2,5 auf 20 Prozent zur Verwendung bei der Krebsbehandlung begonnen und die IAEA entsprechend davon in Kenntnis gesetzt. Wegen der angeblichen Gefahr, daß die Iraner dort Uran auf 90 Prozent und damit auf Waffentauglichkeit anreichern könnten, steht Fordo im Mittelpunkt aller Überlegungen in Hinsicht auf amerikanische oder israelische Luftangriffe zwecks Torpedierung des iranischen Atomprogramms. Weil die Anlage so tief unter der Erde liegt, macht man sich im Weißen Haus und Pentagon darüber Sorgen, daß der MOP in seiner derzeitigen Konfiguration nicht ausreichen werde, um sie vollständig zu zerstören. Deshalb hat das Pentagon nach Angaben des Wall Street Journal den Kongreß noch "in diesem Monat heimlich" um die Bewilligung von 82 Millionen Dollar gebeten, um die kinetische Durchschlagskraft des Bunkerknackers weiter zu erhöhen.

Selbst wenn der MOP nicht bis zum tiefsten Punkt der Anlage in Fordo eindringen sollte, um dort zu explodieren, müßte er dennoch in der Lage sein, die Ein- und Ausgänge, auf welche die Mannschaft im Tarnkappenbomber B-2 ohnehin zielen würde, zu zerstören. Danach wären die Zugänge verschüttet und die Anlage, auch wenn nur zum Teil beschädigt, wäre für Wochen und Monaten praktisch nicht mehr zu betreten und eine Wiederinbetriebnahme höchst fraglich. Darüber hinaus würde das US-Militär laut Wall Street Journal unter Verweis auf eigene Quellen im Pentagon im Falle eines Angriffs auf Fordo nicht nur den MOP in die Ein- und Ausgänge schicken, sondern seine Sprengwirkung durch gleichzeitig auftreffende Marschflugkörper erhöhen. Sollte auch das nicht ausreichen, hätte man immer noch die eigenen Atomwaffen in der Hinterhand. Dazu heißt es WSJ-Bericht:

Der Regierungsvertreter erklärte, einige Kriegsplaner im Pentagon glaubten, daß konventionelle Bomben gegen Fordo nicht effektiv sein werden und daß eine taktische Nuklearwaffe die einzige Option sein könnte, sollte das Ziel die Zerstörung der Anlage sein. "Sobald es um den Berg geht, muß man etwas haben, das den Berg zersprengt", so der Regierungsvertreter.

Bekanntlich lehnen Rußland und China die Drohpolitik Washingtons gegenüber Teheran als gefährlich und kontraproduktiv ab. Während Rußland das iranische Kernkraftwerk Buschehr gebaut und den nuklearen Brennstoff dafür geliefert hat, ist China der wichtigste Handelspartner der Islamischen Republik und größter Abnehmer iranischen Öls. Daher rühren die Befürchtungen, daß ein Konflikt zwischen den USA und dem Iran den Dritten Weltkrieg auslösen könnte. Vor diesem Hintergrund sind die Worte nicht uninteressant, mit denen US-Verteidigungsminister Leon Panetta im WSJ-Bericht zum Thema einer verbesserten Version des MOP zitiert wurde. Dort hieß es:

Herr Panetta erklärte, der Iran sei nicht das einzige potentielle Ziel. "Er richtet sich nicht nur gegen den Iran. Um ehrlich zu sein, richtet er sich gegen jeden Feind, der beschließt, sich an irgendeinem unerreichbaren Standort zu verstecken. Das Ziel hier lautet, jeden Feind überall treffen zu können", sagte er.

30. Januar 2012