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MILITÄR/873: Spannungen um Chinas neue Luftraumüberwachungszone (SB)


Spannungen um Chinas neue Luftraumüberwachungszone

"Ordungsmacht" USA stellt die Volksrepublik als Störenfried dar



Seit im November 2011 Hillary Clinton "America's Pacific Century" auf dem APEC-Gipfel in Honolulu und durch einen Artikel mit demselben Titel in der renommierten außenpolitischen Zeitschrift "Foreign Affairs" groß verkündet hat, steigen im pazifischen Raum die Spannungen. China sieht in der Pazifik-Strategie der Regierung Barack Obamas den Versuch Washingtons, die aufstrebende Volksrepublik in ihrer Machtentfaltung einzudämmen. An Bestätigung für diesen Verdacht mangelt es nicht. Hierzu gehören unter anderem die ungebetene Einmischung der USA in den Streit Chinas mit den Philippinen und Vietnam um Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer, die Stärkung des japanischen Militarismus durch Washington, die Verlegung weiter Teile der amerikanischen Marinekapazitäten in den Pazifik und die Stationierung einer mehrere tausend Mann starken Eingreiftruppe der US-Marineinfanterie nahe der nordaustralischen Stadt Darwin.

Jüngste Episode der sich zuspitzenden Konfrontation der beiden pazifischen Supermächte ist die Kontroverse um die von China am 23. November proklamierte Luftraumüberwachungszone, international Air Defence Identification Zone (ADIZ) genannt, im Ostchinesischen Meer. Chinas ADIZ erstreckt sich fast von der Südspitze Südkoreas bis zur Nordspitze Taiwans. Sie reicht nicht bis zu den japanischen Ryuku-Inseln, welche eine Kette zwischen Okinawa, nahe der Nordspitze Taiwans, und der südjapanischen Großinsel Kyushu, bildet. Gleichwohl erstreckt sich die chinesische ADIZ über jene Felsen, welche die Japaner als Senkaku- und die Chinesen als Diaoyu-Inseln bezeichnen und über die sich Beijing und Tokio seit 2012 einen erbitterten Disput, einschließlich Zusammenstößen von Fischerbooten und Schiffen der jeweiligen Küstenwache, liefern. Die Senkaku- bzw. Diaoyu-Inseln gehören geologisch nicht zu der Ryuku-Gruppe, sondern stehen auf dem chinesischen Festlandsockel. Sie liegen zwar in gleicher Entfernung - 170 Kilometer - von Taiwan, das völkerrechtlich als Teil Chinas gilt, und der Ryuku-Insel Ishigaki, doch die Distanz zu den japanischen Hauptinseln - rund 1000 Kilometer - ist weitaus größer als die zur Küste der Volksrepublik - 330 Kilometer. Die Inseln wurden bereits im 15. Jahrhundert in chinesischen Schriften als Diaoyus und damit als Teil des Reichs der Ming-Dynastie geführt. 1895 wurden sie vom kaiserlichen Japan förmlich annektiert und in Senkakus umbenannt.

Als die konservative japanische Regierung um Premierminister Shinzo Abe im vergangenen Jahr die Senkakus-Inseln von den bisherigen Besitzern, einer japanischen Familie, kaufte und damit verstaatlichte, protestierte Beijing gegen die Veränderung des Status quo in aller Schärfe. Kritik am einseitigen Schritt der Japaner war aus Washington damals nicht zu vernehmen, was natürlich den Anspruch der USA, in den internationalen Streitereien im pazifischen Raum die Rolle des ehrlichen Maklers zu spielen, Lügen strafte. 2010 hatte die Obama-Administration auch keine Einwände gegen die plötzliche Ausweitung der 1945 von der US-Besatzungsmacht verhängten, japanischen ADIZ nach Süden in Richtung Taiwan und nach Westen in Richtung des chinesischen Festlands - und damit um die Senkaku- bzw. Diaoyu-Inseln - erhoben.

Die Bekanntgabe einer chinesischen ADIZ dagegen nahmen die USA gleich zum Anlaß, in das Konzert der pazifischen Nationen einzustimmen und Beijing als Störenfried hinzustellen. Sowohl Außenminister John Kerry als auch Verteidigungsminister Chuck Hagel gaben sich am 23. November über die von Tokio als "sehr gefährlich" bezeichnete Maßnahme "äußerst besorgt". Am Rande der Genfer Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm warf Kerry China vor, mit einer "unilateralen Aktion ... den Status quo im Ostchinesischen Meer" ändern zu wollen. "Eskalierende Handlungen werden die Spannungen in der Region und die Risiken eines Zwischenfalls nur erhöhen", so der Nachfolger Hillary Clintons. Der ehemalige Senator von Massachusetts rief die Volkschinesen zur "Vorsicht und Zurückhaltung" auf und warnte sie vor der Implementierung der ADIZ. "Wir raten China dringend davon ab, seine Drohung, Maßnahmen gegen Flugzeuge zu ergreifen, die sich nicht identifizieren oder die Befehle Beijings nicht befolgen, wahrzumachen", so Kerry.

Die Stellungnahme Hagels hörte sich um einiges aggressiver als die seines Kollegen im State Department an. Der Pentagonchef stellte klar, daß aus Sicht Washingtons die Senkaku- bzw. Diaoyu-Inseln unter den bilateralen Verteidigungspakt zwischen den USA und Japan fallen. Damit stellte Hagel klar, daß die USA Japan militärisch beistehen würden, sollte es zu einem Zwischenfall in jener Meeresregion kommen, wo sich die chinesische und die japanische Luftraumüberwachungszone überlappen. Des weiteren teilte Hagel der Staatsführung in Beijing folgende Botschaft mit: "Die Erklärung durch die Volksrepublik China wird keinerlei Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie die USA Militäroperationen in der Region durchführen."

Damit gab Hagel zu verstehen, daß die USA die ADIZ Chinas nicht anerkennen und sich vorbehalten, Schiffe und Flugzeuge der eigenen Streitkräfte durch die entsprechende Region im Ostchinesischen Meer zu schicken und die Aufrufe der Chinesen zur Identifizierung, sofern diese erfolgen, zu ignorieren. 1950 haben die USA als erstes Land eine ADIZ um das nordamerikanische Festland eingerichtet. Auch Flugzeuge, die nicht in die USA fliegen, sondern lediglich die amerikanische ADIZ durchfliegen, müssen sich identifizieren oder riskieren, abgeschossen zu werden. Ihrerseits jedoch erkennen die USA das Recht anderer Nationen, amerikanische Militärflugzeuge bei der Durchquerung ihrer Luftraumüberwachungszonen zu kontrollieren und zur Identifizierung aufzufordern, nicht an. So drückt sich die "Führung" Amerikas aus, von der Hillary Clinton 2011 in ihrem eingangs erwähnten Foreign-Affairs-Artikel meinte, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts im pazifischen Raum verlangten danach.

26. November 2013