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MILITÄR/946: USA - Frauen zu den Waffen ... (SB)


USA - Frauen zu den Waffen ...


Als die letzten amerikanischen Kampftruppen 1973 aus Vietnam abzogen, wurde in den USA die Wehrpflicht abgeschafft, die dort erheblich zur Entstehung der Antikriegsbewegung beigetragen hatte. Die US-Streitkräfte verwandelten sich in eine reine Berufsarmee. Genügte diese für die "Terrorbekämpfung" und den gewaltsamen Sturz unliebsamer "Regime" kleinerer Staaten wie in Manuel Noriegas Panama, Saddam Husseins Irak oder Muammar Gaddhafis Libyen, so taucht in letzter Zeit mit Blick auf weit mächtigere potentielle Gegner wie Rußland und China im Washingtoner Kongreß immer wieder die Frage nach der Rückkehr zur Wehrpflicht auf. Dazu gesellt sich die zusätzliche Frage, ob bei der eventuellen Wiedereinführung die Wehrpflicht auch für Frauen gelten soll. Diese Frage hat vor wenigen Tagen eine extra vom Kongreß geschaffene Expertenkommission mit Ja beantwortet.

Nach Abschaffung der Wehrpflicht in den USA waren dort alle männlichen jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren verpflichtet, sich bei der örtlichen Wehrersatzbehörde zu melden und von ihr auf die Diensttauglichkeit überprüfen zu lassen. 1981 scheiterte eine Gruppe von Männern, die gegen die aus ihrer Sicht diskriminierende Nicht-Erfassung ihrer Mitbürgerinnen durch die Wehrersatzbehörden geklagt hatte, vor dem Obersten Gerichtshof. Dieser sah die Wehrpflicht als für Frauen nicht zwingend notwendig an, weil sie damals nicht zu den kämpfenden Einheiten zugelassen waren.

Das hat sich seither verändert. Frauen sind inzwischen in allen Teilen der US-Streitkräfte mit Ausnahme der Marineinfanterie vertreten, sei es im Feldlazarett, bei den Pionieren, der Militärpolizei, der Infanterie, der Überwachung des Atombombenarsenals oder als Kampfjetpilotinnen. Je nach Lage erledigen sie logistische Aufgaben oder nehmen die Waffe in die Hand. 17 Prozent der insgesamt 1,2 Millionen Militärangehörigen der USA sind heute weiblich.

Als 2016 bei der Kongreßdebatte um den Pentagon-Etat die Frage der Wehrpflicht auftauchte, riefen Repräsentantenhaus und Senat die National Commission on Military, National, and Public Service (NCMNPS) ins Leben, die sich mit dem Thema in all seinen Einzelheiten befassen sollte. Nach zahlreichen Anhörungen und der Auswertung diverser Expertisen legte die NCMNPS dem Kongreß am 25. März ihren 225seitigen Abschlußbericht vor. Er enthält die Empfehlung, daß sich alle Männer wie auch alle Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bei ihrer örtlichen Wehrersatzbehörde melden und im Falle eines Wohnortwechsels dem Selective Service System (SSS) die neue Adresse mitteilen sollen. Inwieweit der Kongreß diese Empfehlung in Form eines entsprechenden Gesetzes umsetzt muß sich zeigen. Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Frage der Wehrpflicht.

Doch einer Wiedereinführung der Wehrpflicht in den USA stünden einige Hindernisse nicht zuletzt bei der Registrierung aller wehrfähigen Bürger im Weg. Die Listen des Selective Service System gelten als lückenhaft und extrem unzuverlässig. Seit 1986 ist niemandem mehr wegen der Nicht-Registrierung bei seiner Wehrersatzbehörde der Prozeß gemacht worden. Eine Generalüberprüfung der Einträge beim Selective Service System wurde zuletzt 1982 durchgeführt, als Ronald Reagan im Weißen Haus residierte. Vor diesem Hintergrund sind die Kriegsgegner in den USA der Meinung, die Wiedereinführung der Wehrpflicht wäre völlig kontraproduktiv, weil sie Widerstand erzeugte und zudem einen bürokratischen Aufwand erforderte, der dringend gebrauchte Ressourcen an anderen Stellen kostete.

Angesichts des biblischen Ausmaßes der Coronavirus-Epidemie in den USA, das eine lückenlose behördliche Erfassung der gesamten Bevölkerung sinnvoll erscheinen läßt, könnte sich der Kongreß aber dazu veranlaßt sehen, sich über solche Bedenken hinsichtlich der negativen Folgen einer Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer und Frauen hinwegzusetzen. Schließlich diskutieren aktuell im Justizministerium William Barrs und im Verteidigungsministerium Mark Espers die Experten über eine eventuelle Verhängung des Kriegsrechts, um die COVID-19-Krise zu bewältigen. Über diese dramatische Entwicklung haben in den letzten Tagen William Arkin und Betsy Woodruff Swan in jeweils eigenen Artikeln bei Newsweek und Politico berichtet.

28. März 2020


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