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NAHOST/979: Hillary Clinton warnt vor Militärdiktatur im Iran (SB)


Hillary Clinton warnt vor Militärdiktatur im Iran

James Jones tritt offen für "Regimewechsel" in Teheran ein


Die Bemühungen der USA, vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen schwere Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängt zu bekommen, laufen dieser Tage auf Hochtouren. Anlaß ist die Weigerung des Irans, im sogenannten Atomstreit mit dem Westen zu kapitulieren. Wie sehr die Regierung Barack Obamas derzeit gegen die Islamische Republik PR-technisch zu Felde zieht, läßt sich daran erkennen, daß man es nicht einmal für nötig hält, eine einheitliche Propagandalinie zu vertreten. Während Außenministerin Hillary Clinton die Islamische Republik durch eine Militärdiktatur gefährdet sieht, bekennt sich der Nationale Sicherheitsberater James Jones offen zum Ziel des "Regimewechsels" im Iran.

Seit dem Sturz des Schahs 1979 stehen sich die USA und der Iran feindlich gegenüber. Washington hat den Verlust eines seiner wichtigsten Vasallenstaaten bis heute nicht verschmerzen können und weigert sich, die Legitimität der neuen Machtverhältnisse in Teheran anzuerkennen. Wie Helen Cooper am 16. Februar in der New York Times unter der Überschrift "U.S. Encounters Limits of Iran Engagement Policy" berichtete, erlaubt der Disput um den Ausgang der iranischen Präsidentenwahl im letzten Sommer zwischen den "konservativen" Anhängern Mahmud Ahmadinedschads und Ajatollah Ali Khamenei auf der einen Seite und den "demokratischen" grünen Revolutionären auf der anderen sowie die fehlende Beilegung des Atomstreits der Obama-Regierung, ihren ursprünglichen Versöhnungsansatz - wiewohl es berechtigte Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit gibt - als gescheitert zu erklären. Angesichts der immer aggressiveren Stellungnahmen führender Vertreter des demokratischen Obama-Kabinetts zum Thema Iran fühlt man sich an das Jahr 2002 erinnert, als die republikanische Falkenriege um George W. Bush, Dick Cheney, Colin Powell, Donald Rumsfeld und Condoleezza Rice für ein energischeres Vorgehen gegen den Irak Saddam Husseins wegen der angeblich von dort für die Welt ausgehenden Bedrohungen warben.

Bei einem Auftritt am 14. Februar beim US-Nachrichtensender Fox News legte der Marineinfanteriegeneral a. D. Jones jedenfalls einen eindrücklichen Beleg für die Kontinuität der Washingtoner Iran-Politik vor, als er unter anderem erklärte:

Wir werden in diesem Monaten den Vereinten Nationen Sanktionen vorlegen. ... Wir wissen, daß es [im Iran] intern große Probleme gibt. Wir sind dabei, die Schwierigkeiten des Regimes durch die Verhängung sehr scharfer Sanktionen zu verschärfen. ... Nicht schwache Sanktionen, sondern wirklich schwere Sanktionen ... Die Kombination der internen und externen Probleme wird der Regierung des Irans das Leben nicht leichter machen. ... Eine Kombination dieser Dinge könnte sehr wohl einen Regimewechsel auslösen; es ist möglich.

Gleich am nächsten Tag, dem 15. Februar, wartete US-Chefdiplomatin Clinton bei einem live im Fernsehen ausgestrahlten, sogenannten "town hall-style meeting" mit ausgesuchten Studenten am Campus der amerikanischen Carnegie Mellon University in Doha, der Hauptstadt Katars, beim anschließenden Staatsbesuch in der saudischen Hauptstadt Riad sowie gegenüber den sie begleitenden Journalisten beim Flug zwischen beiden Orten mit einer bahnbrechenden Präzisierung der Botschaft auf, wie die Obama-Regierung die Konfrontation Washingtons mit Teheran verstanden wissen will. In Doha erklärte sie:

Wir planen zu versuchen, die Weltgemeinschaft zusammenzubringen, um Druck auf den Iran durch Sanktionen auszuüben, die von den Vereinten Nationen verabschiedet werden und die sich insbesondere gegen jene Unternehmen richten werden, die von der Revolutionsgarde kontrolliert werden, von der wir glauben, daß sie in Wirklichkeit die Regierung des Irans verdrängt. ... Wir sehen, wie die Regierung des Irans, der Oberste Führer [Khamenei], der Präsident [Ahmadinedschad], das Parlament verdrängt werden und sich der Iran in Richtung einer Militärdiktatur bewegt.

Auf dem Flug Doha-Riad machte die ehemalige First Lady gegenüber den Reportern, die sie auf ihrer dreitägigen Nahostreise begleiteten, praktisch die iranische Revolutionsgarde, der der Schutz der Atomanlagen der Islamischen Republik obliegt, für die unnachgiebige Haltung Teherans im Atomstreit verantwortlich:

Ich denke, daß die zivile Führung entweder mit der innenpolitischen Situation stark beschäftigt ist beziehungsweise gegenüber der Revolutionsgarde an Boden verliert und daß das eine sehr besorgniserregende Entwicklung ist. ... Das ist etwas ganz anderes als die Islamische Republik, die Wahlen und verschiedene Standpunkte innerhalb der Führungskreise zuließ. ... Ich denke, daß dieser immer stärker werdende Einfluß des Militärs auf die Entscheidungen der Führung sowohl den Iranern wie auch uns im Ausland Grund zur Sorge liefern müßte. Das ist Teil des Grundes, warum wir so besorgt über das sind, was wir dort sich abspielen sehen.

Bei einer Pressekonferenz am Abend, nach einer vierstündigen Unterredung mit dem saudischen König Abdullah in dessen Zelt am Rande Riads, setzte Clinton das fort, was am nächsten Tag der Korrespondent Mark Landler in der New York Times als die neue "Strategie" der Obama-Regierung bezeichnen sollte, nämlich "die Revolutionsgarde als 'bevorzugte Klasse' zu brandmarken, die der Hauptübeltäter hinter Irans nuklearer Weiterverbreitung und politischer Repression" sei. Angesichts der angeblich seit dem letzten Sommer zunehmenden Marginalisierung der politischen und religiösen Führung des Irans müßte diese "die Autorität, welche sie im Namen des Volkes ausübt, wieder an sich reißen", so Clinton.

In seinem Artikel "Clinton Raises U.S. Concerns of Military Power in Iran" meinte Landler, durch ihre Aufforderungen an die Politiker und den Klerus des Irans hätte sich die einstige Senatorin von New York in die "peinliche Position" begeben, "die frühen Tagen der islamischen Revolution zu zelebrieren". Das ist wohl wahr. Doch wenn die neue "Strategie" dazu beiträgt, die innenpolitischen Spannungen im Iran weiter zu erhöhen, kann es der Obama-Regierung recht sein. Schließlich interessiert es die militärische und politische Führung der Supermacht USA nicht die Bohne, welche Regierungsform ein anderer Staat hat, Hauptsache die Verantwortlichen verhalten sich, wie von Washington erwartet. Dies zeigen zum Beispiel die engen und freundschaftlichen Verbindungen, welche Amerika seit Jahrzehnten zur feudalen Monarchie Saudi-Arabiens und Hosni Mubaraks Diktatur in Ägypten pflegt.

17. Februar 2010