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NAHOST/992: Pentagon-Chef Gates heizt Atomstreit mit dem Iran an (SB)


Pentagon-Chef Gates heizt Atomstreit mit dem Iran an

Ex-CIA-Direktor erweist sich als Großmeister der Medienmanipulation


In der Imperialhauptstadt Washington schenken sich in Sachen Opportunismus höhere Beamte in den diversen Ministerien und Behörden, Medienkommentatoren, Lobbyisten, Kongreßabgeordnete, Senatoren und Regierungspolitiker nichts. Derzeit unangefochtener Großmeister im Spiel um Einfluß und Macht an der Spitze der Vereinigten Staaten ist Robert Gates. Ende 2006 hat der ehemalige CIA-Chef den bis dahin als Meister der Intrige geltenden Donald Rumsfeld, der wegen der desaströsen Folgen der Besatzung des Iraks in Ungnade fiel, als US-Verteidigungsminister beerbt. Nachdem es 2007 und 2008 General David Petraeus durch die Bestechung sunnitischer Rebellengruppen gelungen war, die Lage im Irak halbwegs zu beruhigen, sah sich Anfang 2009 der frischgewählte Präsident Barack Obama fast gezwungen, Gates als Verteidigungsminister zu behalten. Mit großer Zufriedenheit registrierte die außenpolitische Elite der USA die Übernahme des Pentagonchefs von dem Republikaner George W. Bush. Mit dieser Entscheidung habe der Newcomer im Weißen Haus, der wenig außenpolitische Erfahrung vorzuweisen hatte, Weitsicht demonstriert, lautete damals der Tenor entsprechender Leitartikel in einflußreichen Zeitungen wie der New York Times, der Washington Post und dem Wall Street Journal.

Für Kritiker dagegen war die Ernennung Gates' vom alten zum neuen Verteidigungsminister der schlagende Beweis dafür, daß es unter Obama trotz aller Wahlkampfversprechungen bezüglich eines "Wandels, an den man glauben" könne, in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA allerhöchstens kosmetische Veränderungen geben würde. Die Ereignisse seitdem haben die Richtigkeit dieser Einschätzung bestätigt. Trotz Gates' Streichung einiger Neuanschaffungen des Pentagons - weil zu teuer und zu ineffektiv - ist der Wehretat der USA im Jahr 2009 mit 635,5 Milliarden Dollar auf einen neuen Höchststand geklettert. Offiziell soll er 2011 auf 719 Milliarden Dollar ansteigen.

Die schwindelerregenden Ausgaben des Pentagons haben natürlich mit der Unterhaltung einer riesigen Kriegsmaschinerie - einschließlich zwölf Flugzeugträgerkampfgruppen - und der Entwicklung umstrittener, rüstungstechnologischer Projekte wie des geplanten, jedoch wenig funktionstüchtigen Raketenabwehrsystems zu tun, aber auch mit den enormen Kosten des militärischen Engagements im Irak und Afghanistan. Der Eskalationsstrategie Obamas in Afghanistan - Truppenaufstockung - und Pakistan - Drohnenangriffe - stand Gates Pate. Die Entscheidung vom Mai 2009, den damaligen Oberkommandierenden der NATO- und US-Streitkräfte in Afghanistan, US-Armeegeneral David McKiernan, durch General Stanley McChrystal zu ersetzen, hat er getroffen. Die Personalie war erstens spektakulär, weil es das erste Mal war, seit Harry Truman General Douglas MacArthur wegen Ungehorsams mitten im Koreakrieg entließ, daß ein diensttuender Oberkommandierer der USA vom Kriegsschauplatz entfernt wurde, und zweitens, weil mit der Wahl McCrystals, dessen Spezialstreitkräfte im Irak in nicht geringem Ausmaß mutmaßliche Aufständische gefoltert und außergerichtlich hingerichtet haben sollen, die Weichen für einen "schmutzigen" Krieg gegen die Taliban gestellt wurden.

Was den sogenannten "Atomstreit" mit den Iran betrifft, steht Gates innerhalb der Obama-Administration zusammen mit Hillary Clinton, der ehemaligen First Lady und Senatorin aus New York, der Fraktion der Hardliner vor. Unter seiner Regie entstand die neue US-Atomkriegsdoktrin, die Nuclear Posture Review (NPR), die am 6. April publik gemacht wurde und in der der Iran als einziger Nicht- Atomstaat aufgeführt wird, gegen den sich Washington den Einsatz von Kernwaffen im Falle einer militärischen Auseinandersetzung vorbehält. Demnächst wird eine neue National Intelligence Review (NIE) zum Thema Iran erwartet. Man befürchtet, daß diesmal die Experten aller 16 US-Geheimdienste das Fazit der NIE von 2007, wonach der Iran keinen geheimen Atombombenbau betreibe, revidieren werden. Die Befürchtung ist begründet. Schließlich stehen bis auf einige Ausnahmen wie die Central Intelligence Agency, das dem Innenministerium unterstehende FBI und das im Außenministerium angesiedelte Bureau of Intelligence and Research (BIR) die allermeisten der US-Geheimdienste unter der Kontrolle des Pentagons. Bereits in den achtziger Jahren hat sich Gates, den damals Bill Casey als Chef der Analyseabteilung bei der CIA einsetzte, den Ruf erworben, aus politisch-opportunistischen Gründen der Regierung Ronald Reagans mit manipulierten Schätzungen der sowjetisch-kommunistischen Weltbedrohung zugearbeitet zu haben. Den Mauscheleien von Gates und dessen Untergebenen waren später auch ein Grund, warum die CIA den Kollaps des Warschauer Paktes und der Sowjetunion nicht rechzeitig antizipiert hat.

Am 18. April machte die New York Times weltweit Schlagzeilen mit der Geschichte, Gates habe im Januar gegenüber dem Weißen Haus moniert, daß die USA über keine Pläne für den Fall, daß sich die Iraner doch noch die Atombombe beschafften, verfügten. Zwar dementierte Gates gleich am nächsten Tag, daß sein Memorandum ein "Weckruf" für die Obama-Regierung gewesen sei, wie es die NYT-Journalisten bezeichnet hatten, zeigte sich aber gleichwohl zufrieden mit der großen Aufmerksamkeit, welche seinen jüngsten "Warnungen" zuteil wurde. Für die israelfreundlichen Abgeordneten und Senatoren im Washingtoner Kongreß, die unabhängig von den bevorstehenden Beratungen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Weiße Haus zur Verhängung "lähmender" Wirtschaftsanktionen der USA gegen den Iran und alle seine größeren Handelspartner zwingen wollen, war der "Weckruf" aus dem Pentagon eine Bestätigung ihrer schlimmsten - natürlich hysterischen und auch einen Gutteil vorgeheuchelten - Befürchtungen.

Wenige Tage vor Erscheinen besagten NYT-Artikels hatte der israelische Präsident Shimon Peres Syrien bezichtigt, die libanesische Hisb-Allah-Miliz mit Scud-Raketen zu beliefern. Der Vorwurf schlug wie die sprichwörtliche Bombe ein und löste eine Kontroverse aus, die bis heute anhält. Nicht nur die Regierungsvertreter Syriens, sondern auch Saad Hariri, der pro-westliche Premierminister des Libanons, hat die Behauptung mit früheren Märchen bezüglich Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen verglichen und Israel unterstellt, mit der abstrusen Bezichtung von der weltweiten Kritik an der eigenen halsstarrigen Blockade des Nahost-Friedensprozesses ablenken und eventuell den Vorwand für einen erneuten Krieg gegen die Hisb Allah und Syrien bzw. für einen Überraschungsangriff auf die iranischen Atomanlagen herbeiführen zu wollen.

Interessanterweise berichtete am 25. April die kuwaitische Zeitung Al-Rai, den zuerst von Peres ausgesprochenen Verdacht hinsichtlich Syriens vermeintlicher Lieferung von Scud-Raketen an die Hisb Allah hätten ursprünglich irgendwelche Vertreter der Obama-Regierung in die Welt gesetzt. Bob Gates vielleicht? Jedenfalls hat dieser am 27. April bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Pentagon mit dem israelischen Amtskollegen General a. D. Ehud Barak, den Begriff Scud nicht in den Mund genommen, sondern sich auf die Behauptung beschränkt, daß "Syrien und der Iran die Hisb Allah mit so vielen Raketen" beliefere, daß die libanesische Schiitenmiliz "inzwischen über mehr Raketen als die meisten Regierungen auf der Welt" verfüge. Wenn das kein Grund für die Alliierten Israel und die USA ist, gegen die "evil ones" im Südlibanon, in Damaskus und Teheran militärisch-präventiv vorzugehen.

28. April 2010