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NAHOST/1040: Netanjahu, der große Sieger der US-Zwischenwahlen (SB)


Netanjahu, der große Sieger der US-Zwischenwahlen

Obamas Regierungskollegen bemühen sich um Schulterschluß mit Tel Aviv


In der amerikanischen Presse sind sich alle Kommentatoren, was die Bewertung des Ergebnisses der Zwischenwahlen zum Kongreß am 2. November betrifft, einig: zwar haben die oppositionellen Republikaner gegen Präsident Barack Obamas Demokraten haushoch gewonnen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert und dasselbe Ziel im Senat nur knapp verfehlt, doch der größte Profiteur des Urnengangs in den USA ist Benjamin Netanjahu. Zwei Jahre lang hat sich der israelische Premierminister dem Druck der Obama-Regierung in Sachen Nahost-Friedensprozeß widersetzt und ist von seiner unnachgiebigen Haltung bei den Verhandlungen mit den Palästinensern nicht abgerückt. Auf diese Weise hat er Obama als diplomatisch unerfahrenen Schwächling dastehen lassen und damit den eigenen republikanischen Verbündeten im Kongreß zugearbeitet. Nach der Veränderung der politischen Verhältnisse auf dem Kapitol zu Netanjahus Gunsten, wollen der Vorsitzende der konservativen israelischen Likud-Partei und die US- Republikaner die Bemühungen der Obama-Regierung um eine friedliche Beilegung des Atomstreits mit dem Iran torpedieren und Washington zu einem weitaus aggressiveren Kurs gegenüber Teheran bewegen.

Während Obama am 7. November zu einer mehrtägigen Asienreise aufbrach, kam Netanjahu zu einem ausgiebigen Besuch in den USA an. Obwohl die israelische Regierung gerade zwei Tage zuvor den Bau weiterer 1300 Wohnungen in Ostjerusalem bekanntgegeben hatte, wurden Netanjahu seitens der Amerikaner wegen der erneuten offensichtlichen Untergrabung ihrer Vermittlungsbemühungen im Nahostkonflikt nicht die geringsten Vorhaltungen gemacht. Bei einem Auftritt auf der Jahreskonferenz der American Jewish Community Federations in New Orleans am 7. November hat sich Obamas Vizepräsident Joseph Biden, den Netanjahu im März bei einem Besuch in Israel durch die überraschende Ankündigung des Baus weiterer 1600 Wohnungen für jüdische Siedler im besetzten Westjordanland demonstrativ brüskiert hatte, erneut zu der ewigen Verbundenheit der USA mit Israel bekannt. Wie aus dem Umfeld des israelischen Premierministers an die Presse durchsickerte, hat Netanjahu am Rande der Konferenz in New Orleans von Biden eine konfrontativere Haltung der USA gegenüber dem Iran verlangt.

Am 11. November kam Netanjahu in New York mit US-Außenministerin Hillary Clinton zusammen. Auf der anschließenden Pressekonferenz räumte die ehemalige First Lady ein, daß man im sogenannten Friedensprozeß auf der Stelle trete, hat jedoch mit keinem Wort den forcierten Ausbau jüdischer Siedlungen in den palästinensischen Gebieten erwähnt, geschweige denn, kritisiert. Statt dessen erklärte sie, die territorialen Grenzen eines künftigen palästinensischen Staats müßten "Entwicklungen" vor Ort - gemeint sind die jüdischen Siedlungen natürlich - berücksichtigen und die "Sicherheitsbedürfnisse Israels erfüllen". Ihre Rede schloß die ehemalige demokratische Senatorin von New York mit einem "unverbrüchlichen Bekenntnis [der USA] zur Sicherheit Israels und zum Frieden in der Region [Nahost]" ab.

Ausgerechnet am Tag, an dem Clinton und Netanjahu vor der Weltpresse die Sicherheit Israels thematisierten, wurde bekannt, daß die US-Streitkräfte ihr Waffenlager in Israel deutlich aufstocken wollen. Wie der Israel-Korrespondent der Fachzeitschrift Defense News berichtete, soll sich der Wert des im Israel befindlichen Waffenarsenals des US-Verteidigungsministeriums von derzeit rund 800 Millionen bis 2012 auf 1,2 Milliarden Dollar erhöhen. Bei dem Rüstungsmaterial, um das das Lager aufgestockt werden soll, handelt es sich größtenteils um Präsizionswaffen - Marschflugkörper und ferngesteuerte Bomben für den Luftwaffeneinsatz. Da die Israelis als Alliierte der USA auf den Inhalt des Waffenlagers zugreifen können, was sie zuletzt beim Libanonkrieg 2006 taten, könnte man in der Ankündigung ein Warnsignal an die Adresse Teherans sehen. Schließlich droht Tel Aviv seit Jahren, selbst die iranischen Atomanlagen anzugreifen, sollte Washington weder auf diplomatischem noch auf militärischem Weg für eine Beseitigung der von ihnen angeblich ausgehenden, "inakzeptablen" Bedrohung des Staates Israel sorgen.

Was die ständigen Drohungen der Israelis in Bezug auf den Iran betrifft, so haben diese am 9. November etwas an Glaubwürdigkeit verloren. An jenem Tag meldete die Jerusalem Post, die Führung der israelischen Streitkräfte habe beschlossen, das vielgepriesene Raketenabwehrsystem Iron Dome, das für den Abschuß von Kurzstreckenraketen konzipiert ist, einzulagern, statt, wie ursprünglich geplant, aufzustellen. Nur im Fall eines drohenden Ausbruchs von Feindseligkeiten seitens der Hamas und der Hisb Allah werde man künftig Iron Dome aktivieren, so die Begründung des israelischen Militärs. Die überraschende Ankündigung hat Fragen hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit des Systems aufkommen lassen. Das vom israelischen Rüstungsunternehmen Rafael gebaute Iron Dome stellt lediglich die untere Ebene eines dreigliedrigen Raketenabwehrsystemsystems Israels dar. Hinzu kommen David's Sling, das von Rafael und der US-Firma Raytheon - Hersteller der berühmten, aber völlig überbewerteten Raketenreihe Patriot - entwickelt wurde und sich gegen Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper richtet, und Arrow II, das von Israel Aerospace Industries (IAI) gebaut wurde und Schutz vor Langsteckenraketen wie der iranischen Shehab-3 bieten soll.

13. November 2010