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NAHOST/1114: Unruhen in Syrien verschärfen Konfrontation USA-Iran (SB)


Unruhen in Syrien verschärfen Konfrontation USA-Iran

Machtkampf in Teheran - Ausdruck allgemeiner Unsicherheit?


Die anhaltenden Unruhen in Syrien lassen eine Aussöhnung zwischen den USA und dem Iran immer unwahrscheinlicher werden. Ganz im Gegenteil verschärfen sich die Fronten. Während Washington alles daransetzt, um in Damaskus einen "Regimewechsel" herbeizuführen, wollen die Iraner gerade dies verhindern. Fällt die Regierung von Präsident Baschar Al Assad, bricht für Teheran jene Widerstandsachse, die der Iran, Syrien und die schiitische Hisb-Allah-Miliz im Libanon seit Jahren gegenüber den Hegemonialbestrebungen Israels und der USA in der Region bilden, weg. Die Mullahs in Teheran wären nicht nur diplomatisch isoliert, sondern endgültig von den USA militärisch eingekreist.

Im Wissen um die Gefahrenlage wollte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad rechtzeitig zur Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York durch die Freilassung der beiden 29jährigen US-Entwicklungshelfer Shane M. Bauer und Joshua F. Fattal, die im Juli 2009 in einem Naturschutzgebiet an der iranisch-irakischen Grenze festgenommen und kürzlich von einem Gericht in Teheran wegen Spionage zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurden, für Entspannung sorgen. Mit einer ähnlichen Aktion hatte Ahmadinedschad vor seiner Abreise zur letztjährigen UN-Generalversammlung durchgesetzt, daß Bauers und Fattals Freundin Sarah Shourd, die ebenfalls beim Ausflug festgenommen worden war und im iranischen Gefängnis erkrankte, auf Kaution in die USA ausfliegen durfte.

Diesmal sollte die symbolische Geste nicht funktionieren. Nicht einmal 24 Stunden, nachdem Ahmadinedschad bei einem Interview für die Nachrichtensendung "The Today Show" des US-Fernsehsenders NBC die Freilassung der beiden Amerikaner angekündigt hatte, die nach eigenen Angaben zu Unrecht hinter Gitter saßen und bei ihrer Bergwanderung wegen mangelnder Grenzmarkierungen versehentlich iranisches Staatsterritorium betreten hatten, wurde dem Präsidenten vom eigenen Justizministerium widersprochen. Nur dessen Vertreter könnten beschließen, wie lange die beiden Verurteilten ihre Strafe verbüßen müssen, alle anderen Zusagen seitens Unbefugter seien unzulässig, hieß es in einer Erklärung, die alle Beobachter als einen gegen Ahmadinedschad gerichteten Seitenhieb interpretierten.

Die öffentliche Bloßstellung des iranischen Präsidenten durch die eigenen Staatsorgane läßt erkennen, daß der Machtkampf in Teheran zwischen Ahmadinedschad, der seit dem Einzug Barack Obamas im Januar 2009 ins Weiße Haus wiederholt Signale der Versöhnung ausgesendet hatte, und den konservativen Kräften um den höchsten Geistlichen der Islamischen Republik, Ajatollah Mohammed Khamenei, nach wie vor erbittert geführt wird. Hauptangriffsziel der Khamenei-Fraktion ist Ahmadinedschads Stabschef, Schwiegersohn und Protegé Esfandiar Rahim Mashaei. Ihm wird Diverses, darunter die Anwendung von "schwarzer Magie", um den Verstand Ahmadinedschads einzutrüben, die Verwicklung in einen laufenden Bankenskandal wie auch die Propagierung eines iranischen Nationalismus anstelle des revolutionären, missionarisch-schiitischen Islams, vorgeworfen. Bisher hat Ahmadinedschad alle Forderungen, Mashaei fallenzulassen oder sich von ihm zu distanzieren, zurückgewiesen.

Die undurchsichtigen Machtverhältnisse in Teheran machen eine Beilegung des Atomstreits zwischen dem Iran und den USA schwer bis unmöglich und spielen den neokonservativen Hardlinern in Washington, die Präsident Obama zu einem aggressiveren Kurs antreiben, in die Hände. In den vergangenen Wochen haben das Außenministerium in Teheran und Ali Asghar Soltanieh, Irans Vertreter bei der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Wien, starkes Interesse an einer Klärung aller strittigen Fragen bezüglich des iranischen Kernkraftprogramms, hinter dem die USA geheime Atomwaffenforschung vermuten, demonstriert, indem sie die Wiederaufnahme der im Januar abgebrochenen Verhandlungen vorschlugen, größere Transparenz versprachen und die internationalen Inspekteure zu einer außerplanmäßigen Besichtigung der relevanten Anlagen einluden. Die Antwort des Westens auf die Bemühungen Teherans fiel recht mager aus. In einem Brief an die IAEA am 14. September hat Glyn Davis, der offizielle Vertreter bei der UN-Unterorganisation, Teherans Versprechen nach größerer Transparenz und weitergehender Zusammenarbeit als Teil einer wenig überzeugenden "Charmeoffensive" abgetan. Die USA spielen offenbar auf Zeit, hatte der ehemalige CIA- Chef und neue US-Verteidigungsminister Leon Panetta angesichts des "Arabischen Frühlings" doch Anfang September seine Überzeugung kundgetan, daß über kurz oder lang der von Washington langersehnte "Regimewechsel" in Teheran kommen wird.

16. September 2011