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NAHOST/1157: Die USA legen es auf einen Krieg mit dem Iran an (SB)


Die USA legen es auf einen Krieg mit dem Iran an

Militärkonflikt noch vor der US-Präsidentenwahl im November?



An diesem Samstag, den 30. Juni, findet in Genf eine internationale Konferenz statt, bei der nach Wegen zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien gesucht werden soll. Zu dem Treffen der "Aktion Gruppe Syrien" hat der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan eingeladen, der im Auftrag von UN und Arabischer Liga seit Monaten zwischen der Regierung in Damaskus und den syrischen Aufständischen zu vermitteln versucht und dessen Bemühungen um einen Waffenstillstand bislang gescheitert sind. Von der Alibiveranstaltung in Genf ist jedoch kein Ende des Blutvergießens in Syrien zu erwarten, zumal es nicht den leisesten Hinweis darauf gibt, daß die wichtigsten Gegner Baschar Al Assads und Hauptunterstützer der militanten Regierungsgegner in Syrien, die USA und Saudi-Arabien, von ihrem Vorhaben eines "Regimewechsels durch Bürgerkrieg" abzulassen gedenken. Ganz im Gegenteil wird in den letzten Tagen seitens der Rebellen der militärische Druck auf Syriens Regierung drastisch erhöht - durch den Einsatz besserer Waffen, darunter raketenbetriebene Panzerfäuste und ferngesteuerte Lastwagenbomben, durch Kämpfe mit syrischen Eliteeinheiten in Damaskus und den blutigen Überfall auf den privaten Fernsehsender Ikhbariya ebenfalls in Damaskus, nur weil deren Redaktion Gegenpropaganda zur einseitigen Berichterstattung der westlichen Mainstreammedien betreibt.

Offenbar kommt für die Administration von US-Präsident Barack Obama für die Krise in Syrien keine Lösung in Betracht, die nicht der Verwirklichung der eigenen strategischen Pläne in vollem Umfang entspricht. Dies zeigt sich an der kategorischen Abfuhr, die Annan mit seiner Anregung, auch Vertreter von Syriens direktem Nachbarn Iran zum Treffen in Genf einzuladen, erfuhr. Die Islamische Republik Iran ist der wichtigste Verbündete des "Regimes" von Baschar Al Assad. Ebenso wie es westliche Spezialstreitkräfte in Syrien geben soll, die den Kämpfern der "Freien Syrischen Armee" mit Rat und Tat zur Seite stehen, sollen dort auch Mitglieder von Irans Revolutionsgarden und sogar der libanesisch-schiitischen Hisb-Allah-Miliz die Truppen Assads unterstützen. Die Idee Annans, die Regionalmacht Iran an der Suche nach einem Ausweg aus der Syrienkrise zu beteiligen, war naheliegend und sinnvoll, jedoch aus Sicht Washingtons indiskutabel. Bezeichnenderweise hieß es hierzu am 28. Juni in einem entsprechenden Bericht der New York Times: "[UN-Sprecher Martin] Nezirsky wollte Spekulationen nicht kommentieren, wonach US-Außenministerium Hillary Rodham Clinton damit gedroht hatte, ihre Teilnahme abzusagen, sollte eine Einladung an den Iran gehen."

Die hinter der diplomatischen Kulisse gemachte Drohung der ehemaligen First Lady Amerikas ist nur konsequent, hat die Ex-Senatorin von New York doch bereits Anfang des Jahres als erste Politikerin des Westens öffentlich die Entmachtung Assads zur Bedingung für eine Beendigung des syrischen Bürgerkrieges gemacht. Hinzu kommt die Tatsache, daß Syrien derzeit zwar unmittelbar im Fadenkreuz der USA steht, mit seiner Destabilisierung Washington jedoch in aller erster Linie die Schwächung des Irans verfolgt. Hätte sich Assad rechtzeitig von Teheran losgesagt, stünde er jetzt nicht auf der Abschußliste der NATO. Der Westen würde die von ihm eingeleiteten politischen Reformen als mutige Schritte Richtung Demokratie feiern und nicht, wie jetzt, als Täuschungsmanöver abtun.

Der angestrebte "Regimewechsel" in Damaskus läßt aufgrund der Widerstandsfähigkeit der staatlichen syrischen Streitkräfte jedoch auf sich warten, weshalb sich die USA zunehmend dem Hauptfeind Iran zuwenden. Es sieht derzeit sogar so aus, daß die USA den Sturz Assads nicht abwarten werden, bevor sie den Iran angreifen. Die Verhandlungen über den sogenannten "Atomstreit" stecken wegen der Weigerung der US-Vertreter, das Recht des Irans auf Urananreicherung prinzipiell anzuerkennen, in einer Sackgasse. Derzeit deutet alles daraufhin, daß es bei der vierten und fünften von fünf geplanten Verhandlungsrunden - die vierte, ein Treffen technischer Experten, findet am 3. Juli in Istanbul, die fünfte und eventuell letzte soll vor September an einem noch nicht entschiedenen Ort über die Bühne gehen - zu keinem Durchbruch kommen wird.

Am 1. Juli treten das Einfuhrverbot der EU für Öl- und Gasprodukte aus dem Iran und schwere Finanzsanktionen der EU und der USA für iranische Banken in Kraft. Sollten diese Maßnahmen, wie von Brüssel und Washington geplant, die iranische Wirtschaft schwer treffen, könnte sich Teheran zu drastischen Gegenmaßnahmen veranlaßt sehen. Wie Reza Kahlili am 25. Juni in der Onlinezeitung Daily Caller berichtete, hat vor wenigen Tagen Hossein Schariatmadari, der Chefredakteur der iranischen Zeitung Keyhan und enge Vertraute des Obersten Geistlichen Führers Ajatollah Ali Khomeini, mit der Schließung der Straße von Hormus, des Eingangs zum Persischen Golf, für den internationalen Tankerverkehr gedroht. Nach Angaben von Schariatmadari wäre der Iran, durch dessen Territorialgewässer die Fahrrinne in der Straße von Hormus verläuft, nach der Genfer Konvention von 1958 und der Jamaika-Konvention von 1982, dazu vollkommen berechtigt, sähe er sich durch den Westen vom globalen Öl- und Gasmarkt ausgesperrt.

Bereits am 23. Mai gab die israelische Tageszeitung Ha'aretz unter Verweis auf die Nachrichtenagentur Reuters die Äußerung eines nicht namentlich genannten israelischen Regierungbeamten wieder, wonach Premierminister Benjamin Netanjahu bereits entschieden habe, "den Iran noch vor den Wahlen in November in den USA anzugreifen". Sollte das der Fall sein, dann geht Netanjahu, wie übrigens sämtliche Politbeobachter innerhalb wie außerhalb der USA, davon aus, daß sich Obama nicht anders wird verhalten können, als den Verbündeten Israel bei dem Überfall auf die iranischen Atomanlagen zu unterstützen. Ohnehin kann man sich schwer vorstellen, daß die Angriffsvorbereitungen der israelischen Streitkräfte nicht in Absprache mit den Kollegen im Pentagon und bei CENTCOM laufen.

In diesem Zusammenhang macht die Meldung des Blogs Business Insider vom 23. Juni, wonach die US-Marine kürzlich für 338 Millionen Dollar 361 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk bestellt hat, hellhörig (Sie könnten Bestände ersetzen, die demnächst von der 5. US-Flotte am Persischen Golf verschossen werden könnten). Das gleiche gilt für die Nachricht der israelischen Tageszeitung Maariv vom 26. Juni, derzufolge das größte jemals im Nahen Osten durchgeführte, gemeinsame Manöver der Streitkräfte der USA und Israels, das vor wenigen Monaten verschoben wurde, nun im Oktober stattfinden soll. Im Maariv-Artikel wurde das Manöver als "Generalprobe" für einen amerikanisch-israelischen Angriff auf den Iran bezeichnet. Bekanntlich dienen solche Kriegsspiele hin und wieder auch dazu, echte Kriegsvorbereitungen zu treffen und die für einen Überraschungsangriff nötigen Einheiten in Stellung zu bringen.

29. Juni 2012