Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1235: Hisb Allah bekennt sich zur Allianz mit Syrien (SB)


Hisb Allah bekennt sich zur Allianz mit Syrien

Scheich Nasrallah warnt vor einem entufernden Regionalkrieg



In einem am 30. April vom Hisb-allah-eigenen Fernsehsender Al-Manar ausgestrahlten Interview hat Scheich Hasan Nasrallah, Chef der größten schiitischen Organisation des Libanons, erstmals offiziell bestätigt, daß sich einige seiner Kämpfer am Bürgerkrieg im benachbarten Syrien beteiligen. Darüber hinaus hat er erklärt, daß die "wahren Freunde" Syriens - gemeint sind die Hisb Allah, der Iran und Rußland - das säkulare "Regime" von Präsident Baschar Al Assad niemals fallenlassen oder das Land den USA, Israel und den sunnitischen Salafisten überlassen würden. Die Worte Nasrallahs sind von großer Bedeutung, kommen sie doch gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem in den USA über eine militärische Intervention in Syrien eifrig diskutiert wird. Die republikanische Opposition im Kongreß, angeführt von den Senatoren John McCain und Lindsay Graham, verlangt von der demokratischen Regierung um Präsident Barack Obama, daß die USA den Rebellen militärisch - zum Beispiel mit Luftangriffen auf die syrischen Streitkräfte - unter die Arme greifen. Als Vorwand dienen Meldungen über den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. Dadurch sehen McCain, Lindsay und Konsorten die Führungsmacht Amerika herausgefordert, gar seine "Glaubwürdigkeit" auf dem Spiel.

Nicht zufällig gab Nasrallah seine Stellungnahme zum Thema Syrien am Vorabend eines Besuchs in der iranischen Hauptstadt Teheran ab. Er bezeichnete den begrenzten Einsatz von Hisb-Allah-Kämpfern zum Schutz mehrerer Dörfer auf der syrischen Seite der Grenze, die mehrheitlich von libanesischen Schiiten bewohnt werden, als legitim. Interessanterweise liegen jene Dörfer in der strategisch wichtigen Region Qusair zwischen der Stadt Homs und der libanesischen Grenze. Hier haben die syrischen Streitkräfte in den letzten Wochen - offenbar mit Unterstützung von Hisb-Allah-Milizionären - große Erfolge gegen die Aufständischen erzielen können. Dadurch können sie die Straße zwischen Damaskus und der syrischen Mittelmeerprovinz Latakia, Hochburg der Alewiten, offenhalten, den Schmuggel von Waffen und das Einschleusen ausländischer Dschihadisten über den Nordlibanon besser bekämpfen und ein eventuelles Vorrücken der Aufständischen aus dem Raum Aleppo in der Nähe der türkischen Grenze verhindern.

Scheich Nasrallah bestätigte zudem Meldungen, wonach die Hisb-Allah-Miliz auch die berühmte Sayyidah-Zainab-Moschee vor Übergriffen sunnitischer Fanatiker schützt. Das historische Bauwerk, das zehn Kilometer südlich von Damaskus liegt, gehört zu den wichtigsten Heiligtümern der Schiiten. Im dortigen Mausoleum sollen die sterblichen Überreste von Zainab, Enkelin des Propheten Mohammed und Tochter von Ali und Fatima, ruhen. Kämpfer der in Syrien aktiven salafistischen Gruppen, die sich im Großraum Damaskus verschanzt haben, drohen mit der Zerstörung der Moschee. Laut Nasrallah bewahren die Hisb-Allah-Milizionäre, die gerade dies vor Ort mit ihrem Leben zu verhindern bereit sind, die Region vor noch schlimmerer, sektiererischer Gewalt. Sollte die Sayyidah-Zainab-Moschee von den "Takfiri-Gruppen" gesprengt oder niedergerissen werden, hätte das "sehr gefährliche Folgen". "Die Dinge werden außer Kontrolle geraten", so Nasrallah. Die Warnung des Hisb-Allah-Chefs ist ernst zu nehmen. Die Sprengung der bedeutsamen schiitischen Al-Askari-Moschee mit ihrer goldenen Kuppel in der Stadt Samarra im Februar 2006 hat ein zweijähriges Blutbad mit Zehntausenden von Toten unter den Schiiten und Sunniten des Iraks ausgelöst. Zur Lösung der Krise in Syrien sprach sich Nasrallah für "Dialog und politischen Kompromiß" aus.

In den USA und den anderen NATO-Staaten mehren sich die Stimmen, die die gleiche Meinung vertreten. Das Beispiel Libyens vor Augen, wo seit dem gewaltsamen Sturz Muammar Gaddhafis 2011 Chaos herrscht, befürchten auch im Westen immer mehr Beobachter, daß ein "Regimewechsel" in Damaskus nicht nur das Ende des einheitlichen Staates Syrien bedeuten, sondern die ganze Region in den Abgrund reißen könnte. Mit Sorge stellen die Verantwortlichen in London, Paris und Washington fest, daß in jenen Landstrichen Nord- und Ostsyriens, die unter der Kontrolle der Rebellen liegen, die Scharia durchgedrückt wurde. Für Ernüchterung im amerikanischen Kommentariat hat ein am 28. April bei der New York Times erschienener Artikel über das "Dilemma", das die islamistischen Rebellen den USA in der Syrien-Politik beschert haben, gesorgt - allen voran jener Satz, der sogar einen eigenen Absatz bildete:

Nirgendwo in den von den Rebellen kontrollierten Teilen Syriens gibt es einen nennenswerten säkularen Kampfverband.

In einem am 29. April bei der Onlineversion der liberalen israelischen Tageszeitung Ha'aretz erschienenen Artikel hat Anshel Pfeffer über die nachlassende Kriegsbegeisterung bei der britischen Regierung um Premierminister David Cameron berichtet. Pfeffer zitierte einen Diplomaten, der in den letzten Wochen an den entsprechenden Beratungen im Londoner Regierungsviertel Whitehall beteiligt gewesen ist, wie folgt: "Sie beginnen zu verstehen, wie gefährlich noch mehr Waffen in den Händen der Dschihadisten sein könnten. Sie begreifen inzwischen, daß sich Syrien zu einem schwarzen Loch entwickelt und daß wir uns davor in acht nehmen sollten, noch mehr Waffen dorthin einsaugen zu lassen."

Der Bürgerkrieg in Syrien ist das Ergebnis einer seit langem angelegten Destabilisierungsstrategie der USA und Saudi-Arabiens, die ihrer eigenen Logik folgt. Auch wenn die Obama-Regierung angesichts des Erstarkens der Al-Kaida-nahen Kräfte in Syrien wie der Al-Nusra-Front zurückrudern und nun mit Rußland über einen Ausweg aus der verfahrenen Situation verhandeln, so dürften die Machthaber in Riad anderer Meinung sein. Bis heute haben sie sich mit der neuen schiitischen Vormachtstellung im Irak der Nach-Saddam-Hussein-Ära nicht abgefunden, weswegen es in Bagdad immer noch keine saudische Botschaft gibt. Auch wenn seitens des Irans versöhnliche Signale zu vernehmen sind - am 30. April hat Außenminister Ali Akbar Salehi den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien als vollkommen inakzeptabel bezeichnet, während wenige Tage zuvor Ex-Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsanjani erklärte, die Islamische Republik befinde sich nicht "im Krieg" mit Israel -, werden die Gegner der Hisb Allah sowie der "Regime" in Damaskus und Teheran, das heißt die amerikanischen, israelischen, jordanischen, katarischen, saudischen und türkischen Kriegsfalken, ihren Kurs stramm fortsetzen. Ein Abflauen der Kämpfe in Syrien, die bislang mehr als 70.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als eine Million zu Kriegsflüchtlingen gemacht haben, hin zu einer dauerhaften politischen Lösung wäre wünschenswert. Leider scheint jedoch das Gegenteil bevorzustehen.

2. Mai 2013