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NAHOST/1295: Pakistan soll Saudi-Arabien im Syrienkrieg helfen (SB)


Pakistan soll Saudi-Arabien im Syrienkrieg helfen

Islamabad bekommt 1,5 Milliarden Dollar von Riad "geschenkt"



"Bedauert Saudi-Arabien seine Unterstützung für den Terrorismus?" so lautete die Frage bzw. Überschrift, mit der Patrick Cockburn, der langjährige Nahost-Korrespondent und Biograph von Muktada Al Sadr, unter Verweis auf das zunehmende Chaos in Syrien seinen am 17. März bei der liberalen britischen Tageszeitung Independent erschienenen Artikel einleitete. Die Frage Cockburns dürfte man eher als rhetorisch verstehen, denn die saudische Königsfamilie führt seit drei Jahren diejenigen an, die auf einen "Regimewechsel" in Damaskus und den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al Assad hinarbeiten. Riad kann von diesem Ziel nicht ablassen. Zuviel Prestige hängt daran. Gleichwohl kommen die Saudis, angesichts der blutigen Streitigkeiten unter den syrischen Oppositionsmilizen, nicht umhin, die rüstungstechnische und finanzielle Unterstützung für die militanten Assad-Gegner mit den USA besser abzusprechen und zu koordinieren. Ob dadurch am Ende weniger "Terrorismus" herauskommt, ist zu bezweifeln. Eher das Gegenteil ist zu befürchten.

Anlaß zu der Fragestellung Cockburns waren auffällige Justierungen der saudischen Syrien-Politik. Am 3. Februar hat König Abdullah die Teilnahme seiner Untertanen an Bürgerkriegen im Ausland unter Strafe gestellt. Bei Zuwiderhandlung droht eine Gefängnisstrafe zwischen drei und 20 Jahren. Derzeit wird die Anzahl sunnitischer Dschihadisten aus Saudi-Arabien, die in Syrien und dem Irak den heiligen Krieg gegen "ungläubige" Schiiten, Alewiten, Christen und Säkularisten führen, auf mehrere tausend geschätzt. Dies verwundert nicht. Schließlich soll der Plan, mit Hilfe sunnitischer Glaubenskrieger aus aller Welt Syrien zu destabilisieren und damit den Iran und die schiitische Hisb-Allah-Miliz im Libanon zu schwächen, Ende 2006 vom damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney und dem saudischen Geheimdienstchef und Nationalen Sicherheitsberater Prinz Bandar Bin Sultan ausgeheckt worden sein.

Daher war es kein Zufall, als kurz nach der Bekanntmachung von König Abdullas Anti-Dschihad-Ukas die Verantwortung für die saudische Syrien-Politik Bandar abgenommen und Prinz Mohammed Bin Nayef übertragen wurde. Der saudische Innenminister steht nicht nur in der Thronfolge deutlich höher als Bandar, sondern leitet seit Jahren Riads Kampf gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda on the Arabian Peninsula - AQAP) in Saudi-Arabien selbst sowie im Nachbarland Jemen. Im Vergleich zu Bandar, dessen Verbindungen in den USA bei der republikanischen Partei und der Familie Bush zu verorten sind, gilt Prinz Mohammed als jemand, mit der demokratischen Regierung von Präsident Barack Obama und Außenminister John Kerry gut zusammenarbeiten kann.

Als Grund für den Kursumschwung Riads in der Syrien-Politik werden die Streitereien zwischen den verschiedenen Milizen genannt, die auf dem Schlachtfeld zu einer Schwächung der Anti-Assad-Koalition geführt haben. Die staatlichen syrischen Streitkräfte, an deren Seite die Hisb-Allah-Miliz kämpft, befinden sich seit längerem auf dem Vormarsch nicht zuletzt deshalb, weil sich die Führung der säkularen Freien Syrischen Armee einen Machtkampf liefert, während sich gleichzeitig die al-kaida-nahe Al-Nusra-Front und die Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL) gegenseitig zerfleischen. Damit soll nun Schluß sein. Ende Januar sollen Militärberater der USA, Saudi-Arabiens und Jordaniens eine Frühlingsoffensive von der südsyrischen Stadt Dara'a aus Richtung Damaskus vereinbart haben. Daran sollen bevorzugt Rebellen teilnehmen, die vorher in Jordanien von Spezialstreitkräften aus Saudi-Arabien, Jordanien oder den NATO-Staaten ausgebildet worden sind und auf dessen Gehorsam gegenüber den Wünschen der Achse Amman-Riad-Washington gezählt werden kann. Bereits am 15. Februar berichtete das Wall Street Journal über entsprechende Lagerhallen in Jordanien, aus denen die syrischen Rebellen mit 3.000 Tonnen an schweren Waffen, darunter russische Anti-Panzer-Raketen und chinesische Boden-Luft-Raketen, ausgerüstet werden sollen.

Eine immer bedeutendere Rolle beim geplanten "Marsch auf Damaskus" spielt Pakistan. Besagte chinesische Boden-Luft-Raketen stammen vermutlich nicht aus der Volksrepublik, sondern aus Pakistan, wo sie in Lizenz hergestellt werden. Darüber hinaus sollen pakistanische Ex-Militärs an der Ausbildung der Aufständischen teilnehmen bzw. ihnen im Feld als Berater zur Seite stehen. Dies soll Gegenstand der Gespräche gewesen sein, die Saudi-Arabiens Verteidigungsminister Kronprinz Salman Bin Abdul Asis bei einem Besuch am 17. Februar in Islamabad mit der pakistanischen Regierung geführt hat. Inzwischen ist bekanntgeworden, daß Saudi-Arabien nach dem Besuch von Prinz Salman 1,5 Milliarden Dollar an die pakistanische Zentralbank überwiesen hat. Im Gegenzug für das "Geschenk" aus Riad hat sich die Regierung von Premierminister Nawaz Sharif erstmals offiziell zum Ziel eines "Regimewechsels" in Damaskus bekannt und versprochen, keine Waffen an Syrien zu liefern.

Im Parlament und den Medien Pakistans hat die Nachricht von der ungewöhnlichen Zahlung eine heftige Kontroverse ausgelöst. Beobachter gehen davon aus, daß Riad damit nicht nur die militärtechnische Hilfe Islamabads für den Krieg in Syrien eingekauft, sondern auch für das Ende der geplanten Iran-Pakistan-Pipeline gesorgt hat. Die IP-Pipeline sollte Pakistans chronischen Strommangel beheben und seine Staatskasse nach einer eventuellen Verlängerung nach Indien und/oder China durch Transitgebühren auffüllen. Es dürfte kein Zufall sein, daß die 1,5 Milliarden Dollar genau der Summe entsprechen, die Islamabad benötigen würde, um die vom Iran auf der eigenen Seite der Grenze fertiggestellte Pipeline vom Gasfeld South Fars an das pakistanische Stromnetz anzuschließen. Doch aus dem 7,5 Milliarden Dollar teuren Projekt wird nun nichts. Dafür waren Riads Feindschaft gegenüber Teheran und die Verbindungen zu Sharif, der nach der Entmachtung durch General Pervez Musharraf 1999 acht Jahre im saudischen Exil lebte, einfach zu stark.

21. März 2014