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NAHOST/1304: CIA-Drohnenangriffe - Blutige Ostern im Jemen (SB)


CIA-Drohnenangriffe - Blutige Ostern im Jemen

Washington antwortet prompt auf die Herausforderung durch AQAP



Ausgerechnet am Osterwochenende, an den wichtigsten Feiertagen im christlichen Kalender, haben die USA ihre bislang schwersten Drohnenangriffe im Jemen gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) durchgeführt. Meldungen zufolge sind hierbei etwa 50 Menschen ums Leben gekommen. Wenngleich nicht klar ist, wie viele von den Getöteten "Terroristen" und wie viele Zivilisten waren - nach eigenen Angaben zählt die Regierung um US-Präsident Barack Obama jedes männliche Opfer im wehrfähigen Alter als "feindlichen Kombattanten" -, steht eines unumstößlich fest: die Getöteten waren alle Muslime. Folglich dürften der Zeitpunkt und der hohe Blutzoll der jüngsten Drohnenangriffe der USA im Jemen Islamisten in der ganzen Welt in ihrer Überzeugung stärken, daß sich hinter dem "globalen Antiterrorkrieg" Washingtons ein Kreuzzug des christlichen Westens gegen die Anhänger des Korans verbirgt.

Anlaß zu der mehrtägigen Operation dürfte ein fünfzehnminütiges Video gewesen sein, das Mitte April im Internet erschienen ist und Bilder von der größten Al-Kaida-Kundgebung seit Jahren zeigt. An dem Treffen, das im März im Jemen stattgefunden haben soll, nahmen rund 400 Kämpfer und leitende Mitglieder der AQAP teil. Gemeinsam feierten sie den Sturm auf das Zentralgefängnis in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa im Februar, bei dem die AQAP 29 ihrer Mitglieder hatte befreien können. In dem Video werden die Befreiten, die vom Ausbruch berichten, umjubelt. Vor den versammelten Männern hält der unmaskierte und daher zu erkennende AQAP-Chef Nasir Al Wuhaishi, der nach dem Ägypter Aiman Al Zawahiri, der sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufhalten soll, als zweitwichtigste Führungspersönlichkeit von Al Kaida weltweit gilt, eine martialische, stark religiös betonte Rede. Er ruft darin zu weiteren Anstrengungen im Krieg gegen die "ungläubigen" USA auf. Al Wuhaishi spricht von den "Kreuzrittern" als dem "größten Feind". Er schwört seine Zuhörer auf folgende Mission ein: "Wir müssen das Kreuz ... und die Träger des Kreuzes, Amerika, beseitigen."

Die Tatsache, daß die AQAP trotz Dauerüberwachung per Drohne und Satellit in den Bergen des Jemens eine solche Großveranstaltung durchführen und anschließend die Bilder davon samt Botschaft der Welt präsentieren konnte, dürften die Verantwortlichen im amerikanischen Sicherheitsapparat als propagandistische Blamage empfunden haben, die eine demonstrative Erwiderung verdient. Terrorexperte Paul Cruickshank bezeichnete das Video in einem Interview beim US-Nachrichtensender CNN am 16. April als "außergewöhnlich", während Mike Rogers, der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus in Washington, es zu einem Rundumschlag gegen die demokratische Regierung Obamas und deren angeblich zu nachgiebige Außenpolitik nutzte. Laut Rogers zeigt das Video, daß sich die AQAP "ermutigt" fühle. "Je weniger Druck man auf sie ausübt, umso mehr empfinden sie das als Sieg, umso mehr glauben sie, daß sie damit durchkommen werden, Komplotte zu schmieden, zu planen, zu organisieren, wie man hier sieht, zu finanzieren und sich auszubilden", sagte der Republikaner aus Michigan gegenüber CNN.

Jedenfalls ließ die Antwort von Obama, Verteidigungsminister Chuck Hagel und CIA-Chef John Brennan auf die Herausforderung durch die AQAP und die Kritik des innenpolitischen Gegners nicht lange auf sich warten. Am 19. April kamen in der jemenitischen Provinz Al Baida 13 Menschen ums Leben, als eine Hellfire-Rakete in ein Auto einschlug, in dem eine Gruppe militanter Islamisten vermutet wurde. Durch die Wucht der Explosion wurde nicht nur das Auto der Zielpersonen zwanzig Meter weit durch die Luft geschleudert, sondern auch ein anderer Wagen auf der anderen Straßenseite mitgerissen. Auch die drei unbescholtenen Insassen dieses Fahrzeugs starben bei dem Luftschlag. Am darauffolgenden Tag schlugen mindesten drei Raketen in ein mutmaßliches AQAP-Ausbildungslager in der Provinz Abyan ein und töteten 30 Menschen. Am 21. April kam es in der Provinz Schabwahkam zu einem weiteren Raketenangriff der USA, der drei Menschenleben forderte.

In allen drei Fällen hat die jemenitische Regierung die Verantwortung für die Angriffe übernommen und behauptet, die eigene Luftwaffe hätte sie durchgeführt, um bevorstehende Anschläge der AQAP zu verhindern. Dagegen gibt es Aussagen von Augenzeugen, die vor den Angriffen jeweils die Präsenz von unbemannten Flugzeugen beobachtet haben wollen. Daraus läßt sich schließen, daß amerikanische Stellen für die Aktionen verantwortlich waren. Früher hätte man hier gleich die Handschrift der CIA zu erkennen gemeint. Doch vor einiger Zeit ist bekannt geworden, daß derlei Drohnenangriffe auch von der 17. Aufklärungsstaffel der US-Luftwaffe mit Sitz auf dem Stützpunkt Creech in der Mojave-Wüste nahe Las Vegas, Nevada, durchgeführt werden.

Selbst wenn bei den Angriffen führende AQAP-Mitglieder getötet und Anschlagspläne vereitelt wurden, die Brutalität der Aktionen dürfte nur noch mehr Jemeniten in die Arme der Radikal-Salafisten treiben. Nach einem US-Raketenangriff im vergangenen Dezember, der 15 Mitglieder einer Hochzeitsgesellschaft im Südjemen in den Tod riß, hatte das Parlament in Sanaa ein ultimatives Ende solcher Operationen gefordert. Aus Rücksicht auf die erhitzten Gemüter im Jemen verhängte das Pentagon vorerst eine Aussetzung der Angriffe, die man offiziell zu einer Verbesserung der Vorgehensweise benutzen wollte. Wie die US-Zeitungsgruppe McClatchy berichtet, hatte die Pause in jemenitischen Regierungskreisen die Hoffnung aufkommen lassen, die USA würden den Drohneneinsatz gründlich revidieren und eventuell sogar gänzlich aussetzen. Die jüngsten Ereignisse dürften diese Hoffnungen zunichte gemacht haben.

22. April 2014