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NAHOST/1370: Der IS will angeblich ein Emirat im Nordlibanon gründen (SB)


Der IS will angeblich ein Emirat im Nordlibanon gründen

Sicherheitslage im Norden des Bekaatals verschlechtert sich zusehends


Allen Luftangriffen der USA und ihrer Verbündeten zum Trotz setzt sich die Ausweitung der Einflußsphäre des im Juni 2014 im irakischen Mossul ausgerufenen Kalifats Islamischer Staat (IS) unvermindert fort. Die "Terrormiliz" kontrolliert weite Teile des Iraks und Syriens. Militante Gruppen auf der ägyptischen Halbinsel Sinai, im Jemen sowie im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet haben dem selbsternannten Kalifen Abu Bakr Al Baghdadi Treue geschworen, während IS-Freiwillige die Städte Derna und Sirte in Libyen übernommen haben. Auf der Liste der nächsten Eroberungsziele des IS steht der Nordlibanon ganz oben. Berichten zufolge bereitet der IS dort mit Hilfe der al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front eine Offensive vor, mit dem Zweck, dort ein eigenes Emirat auszurufen.

Tripolis, die wichtigste Stadt des libanesischen Nordens, gilt seit Jahren als Salafisten-Hochburg. Als 2011 in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach, fungierte die Hafenstadt als wichtiger Drehkreuz für den Nachschub an Waffen, Munition und ausländischen Kämpfern, die dann über die Berge des Nordlibanons in den Westen Syriens bei Homs hineingeschmuggelt bzw. -geschleust wurden. Als 2013 die schiitische Hisb-Allah-Miliz den syrischen Streitkräften bei Kämpfen um die Stadt Homs, die unweit der libanesischen Grenze etwa auf halber Strecke zwischen Damaskus und Aleppo im Norden liegt, zu Hilfe kam, beschossen zur Vergeltung die Al-Nusra-Front und andere aufständische Gruppen schiitische Dörfer im Norden des libanesischen Bekaatals mit Raketen und töteten dabei mehrere Zivilisten. Bei der Schlacht um Homs ging es den Truppen Baschar Al Assads unter anderem darum, die Nachschubroute über den Nordlibanon für die Rebellen zu unterbrechen. Seitdem kommt es immer wieder zu Scharmützeln an der Grenze des Nordlibanons.

Im vergangenen August haben die syrischen Rebellen ihren bislang schwersten Vorstoß in den Libanon hinein gestartet, als sie die Grenzstadt Arsal im Bekaatal einnahmen und fünf Tage lang besetzt hielten. Nach schweren Kämpfen zogen sie sich wieder nach Syrien zurück, nahmen jedoch 25 libanesische Armeesoldaten und Polizisten als Geiseln mit. An der blutigen Operation nahmen Freiwillige des IS und der Al Nusra teil. Beide Organisationen verlangen seitdem von der Regierung in Beirut im Austausch gegen ihre Geiseln die Freilassung mehrerer, zum Teil ausländischer Salafisten, die wegen diverser Gewaltdelikte Freiheitsstrafen im libanesischen Gefängnis Roumieh absitzen. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, haben die Islamisten im vergangenen Herbst den Soldaten Ali Al-Sayyed geköpft und die Videoaufnahme seiner Ermordung bei Youtube veröffentlicht. Trotz laufender Vermittlung ist es bislang zu keiner Lösung für die Geiselnahme gekommen.

Am 23. Februar berichtete die Beiruter Tageszeitung Daily Star unter Hinweis auf gut informierte Quellen im libanesischen Sicherheitsapparat, der IS und Al Nusra planten eine neue Offensive im Raum Nordlibanon, um dort ein eigenes Emirat zu gründen. Als designierter Emir des neuen Gebildes wurde der syrische Rebellenkommandeur Khalaf al-Zeyabi Halous genannt, der den Nom de guerre "Abu Musaab Halous" trägt und 2013 eine wichtige Rolle bei der Eroberung der ostsyrischen Provinzhauptstadt Rakka gespielt haben soll. Halous soll vor kurzem mit einer Gruppe von IS-Feldkommandeuren die Region Kalamoun an der Grenze zum Nordlibanon besucht haben, um sich selbst ein Bild vom Stand der Vorbereitungen auf die kommende Offensive zu machen.

Seit mehreren Wochen liefern sich im Süden Syriens, nahe den Golanhöhen, Hisb-Allah-Miliz und syrische Armee auf der einen Seite sowie IS und Al Nusra auf der anderen schwere Kämpfe. Mit einer Offensive in den Norden des libanesischen Bekaatals hinein wollen die syrischen Rebellen der Hisb Allah offenbar in den Rücken fallen. Nach Einschätzung libanesischer Sicherheitskreise geht es Al Nusra bei der geplanten Aktion vor allem darum, die Nachschubverbindung zwischen Kalamoun und Tripolis wiederherzustellen. Im Bericht des Daily Star hieß es zudem, der IS sei dabei, libanesische Freiwillige für Selbstmordanschläge auf Ziele der Hisb Allah sowie auf westliche Einrichtungen in Beirut und im Süden des Libanons zu rekrutieren. Mit einer Welle von Bombenangriffen soll das Land destabilisiert werden und sollen die laufenden Annäherungsgespräche zwischen der Hisb Allah und der sunnitischen Freiheitsbewegung um Saad Hariri torpediert werden.

Im Norden des Bekaatals stehen jedenfalls die Zeichen auf Sturm. Bei einem IS-Überfall auf einen Armeeposten nahe der nordlibanesischen Grenzstadt Ras Baalbek im Januar wurden acht Soldaten getötet und 22 weitere verletzt. Der IS verlor dabei 40 Kämpfer, die meisten von ihnen durch den Einsatz von Kampfjets der libanesischen Luftwaffe. Am 12. Februar hat die libanesische Armee nahe Arsal ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug rechtzeitig sichergestellt und die 25-Kilogramm-Bombe entschärft. Es soll sich hierbei um eines von drei Fahrzeugen handeln, die Mitglieder der sunnitischen Abdullah-Azzam- Brigaden in Syrien zu Anschlagszwecken präpariert und in den Libanon geschickt haben. Am 26. Februar hat die libanesische Armee mit schwerem Artilleriefeuer syrische Rebellen von mehreren Anhöhen bei Ras Baalbek vertrieben. Bei der Aktion, bei der acht Soldaten verletzt und drei Aufständische getötet wurden, ging es den libanesischen Streitkräften nach eigenen Angaben darum, strategisch wichtige Positionen im Vorfeld der erwarteten IS-Offensive zu erobern.

28. Februar 2015


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