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NAHOST/1510: Jemen-Krieg - Erste Rakete schlägt bei Riad ein (SB)


Jemen-Krieg - Erste Rakete schlägt bei Riad ein

Huthi-Saleh-Allianz zeigt dem saudischen Königshaus ihre Zähne


Seit März 2015 versucht ein von Saudi-Arabien angeführtes Militärbündnis sunnitischer Staaten im Jemen den gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder an die Macht zu hieven. Mit Hilfe südlicher Separatisten und al-kaida-naher Kräfte haben die Saudis und ihre Verbündeten eine gewisse Kontrolle über den Osten und Süden des Landes erlangt, einschließlich der am Indischen Ozean liegenden, strategisch wichtigen Hafenstadt Aden. Die schiitischen Huthi-Rebellen, an deren Seite der größte Teil der jemenitischen Streitkräfte, die dem langjährigen Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh und dessen Klan treu ergeben sind, kämpft, kontrollieren ihrerseits nach wie vor den Norden und damit die Hauptstadt Sanaa sowie den Westen. Am 5. Februar hat der langwierige Krieg eine deutliche Eskalation erfahren, als eine von den Huthis und den Saleh-Leuten abgefeuerte Rakete auf dem Gelände des Armeestützpunkts Al Mazahimiyah nahe Riad einschlug.

Gemeldet wurde der spektakulärer Angriff zuerst vom jemenitischen Verteidigungsministerium in Sanaa. Gemäß der Sichtweise der Ansarrulah-Bewegung der Huthis und des Saleh-Klans wurde die Operation zu einer erfolgreichen Vergeltung für die "blutigen Massaker und die willkürliche Belagerung" des "teuflischen Königreichs Saudi-Arabien" erklärt. Es folgten Meldungen der in London erscheinenden Onlinezeitung The New Arab sowie der in Neu-Delhi ansässigen Asian News Agency, welche unter Verweis auf Augenzeugen in Riad und Umgebung die Angaben aus Sanaa bestätigten. Um den Vorfall zu vertuschen, haben die saudischen Medien den Feuerball am Himmel und die ungeheure Druckwelle, die der Einschlag der Rakete erzeugte, als Kometeneinschlag bzw. Erdbeben ausgegeben. Über mögliche Opfer unter dem Militärangehörigen in Al Mazahimiyah ist jedenfalls bislang nichts bekannt.

Zum Zeitpunkt des Angriffs traf sich Hadi, der seit zwei Jahren im saudischen Exil lebt, in Riad mit dem Chefarchitekten des Jemenkriegs, dem 31jährigen Verteidigungsminister und Kronprinz Mohammed Bin Salman. Hadi steht seitens des UN-Sondergesandten für den Jemen, Ismail Ould Cheikh Ahmed, in der Kritik, weil er sich weigert, einem von dem mauretanischen Diplomaten mit der Huthi-Saleh-Führung in Sanaa ausgehandelten Friedensplan zuzustimmen. Man kann davon ausgehen, daß Hadi in seiner Haltung von den Saudis gestärkt wird, die aktuell auf dem Schlachtfeld die Entscheidung zu suchen scheinen. Seit Januar stoßen vom Süden her die Bodentruppen Saudi-Arabiens und ihrer Verbündeten entlang der jemenitischen Küste am Roten Meer vor. Zuletzt ist es zu sehr blutigen Kämpfen um die Stadt Mokka gekommen, von wo aus man die nördliche Seite der Wasserstraße Bab Al Mandab, die Rotes Meer und Indischen Ozean verbindet, kontrollieren kann.

Gerade an dieser Front tobt der Jemenkrieg in den letzten Tagen. Nachdem am 30. Januar eine saudische Fregatte von der Küste aus mit einer Rakete angriffen und schwer beschädigt wurde, warf zwei Tage später General a. D. Michael Flynn, der Nationale Sicherheitsberater des neuen US-Präsidenten Donald Trump, Teheran vor, für die Gefährdung des Schiffsverkehrs im Roten Meer durch die Huthis verantwortlich zu sein und drohte dem Iran offen mit dem Krieg. Am 2. Februar hat Trumps Pressesprecher Sean Spicer die Iraner sogar bezichtigt, mittels der Huthis ein US-Kriegsschiff im Roten Meer angegriffen zu haben.

Bis heute fragen sich alle, was Spicer mit der abstrusen Behauptung bezweckt und ob er sich nicht einfach versprochen hat. Nachdem im vergangenen Oktober die Huthis mit einer Rakete ein Kriegsschiff der Vereinigten Arabischen Emiraten versenkt hatten, hat der US-Lenkwaffenzerstörer Nitze mit Tomahawk-Raketen drei Radaranlagen an der Küste der Roten Meers angegriffen und zerstört. Begründet wurde damals die Aktion der USS Nitze von Präsident Barack Obama mit dem Hinweis auf den vermeintlichen Raketenbeschuß eines anderen amerikanischen Kriegsschiffs, der USS Mason, für den es bis heute keine gesicherten Beweise gibt, daß er überhaupt stattgefunden hat. In einem Artikel für Middle East Eye, der am 3. Februar erschienen ist, hat Nahostexperte Mahan Abedin die widersprüchliche Aussage Spicers als Zeichen eines zunehmend aggressiveren, gemeinsamen Vorgehens der Amerikaner und Saudis im Jemen-Krieg interpretiert.

Für die Richtigkeit der These Abedins sprechen Meldungen der Huthi-Saleh-Allianz in Sanaa, die vom Pentagon dementiert werden, wonach am 2. Februar US-Kriegsschiffe mit schwerer Artillerie Ziele in der südjemenitischen Bergregion Al-Marakischa beschossen haben. Das unwegsame Gebiet gilt als Hochburg von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel, nach dem englischen Akronym auch AQAP genannt. Bei Trumps Verhängung von neuen Sanktionen gegen den Iran am 3. Februar wegen des Tests einer ballistischen Mittelstreckenrakete gab das Pentagon zudem die Entsendung des Zerstörers USS Cole in das südliche Rote Meer bekannt. Dort soll er vermutlich die laufende Offensive der saudischen Streitkräfte unterstützen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Nachricht vom erstmaligen Raketenangriff der Huthi-Saleh-Allianz auf einen Militärstützpunkt bei Riad den Krieg im Jemen anheizen und die Spannungen zwischen den USA und dem Iran erhöhen.

6. Februar 2017


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