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NAHOST/1511: Israel "legalisiert" Hunderte West-Bank-Siedlungen (SB)


Israel "legalisiert" Hunderte West-Bank-Siedlungen

Trump und Netanjahu tragen die Zwei-Staaten-Lösung zu Grabe


Weltweit hat die Verabschiedung eines Gesetzes durch die israelische Knesset am Abend des 6. Februars, das Hunderte jüdischer Siedlungen im palästinensischen Westjordanland "legalisiern" soll, Bedauern und Kritik ausgelöst. Die negativen Reaktionen auf den Beschluß sind leicht nachvollziehbar. Die "Legalisierung" der völkerrechtlich illegalen Siedlungen macht jede Hoffnung auf eine Zwei-Staaten-Lösung und einen tragbaren Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zunichte. Doch von der Zwei-Staaten-Lösung haben sich die Siedler-Bewegung und die nach ihrer Pfeife tanzende rechtskonservative israelische Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu längst verabschiedet. Diese Kreise streben die Schaffung Großisraels unter Einverleibung Westjordanlands, das sie "Judäa und Samaria" nennen, an. In ihrem Vorhaben sehen sie sich durch den Machtwechsel in den USA und die Ablösung des israelkritischen Barack Obama durch den Zionistenfreund Donald Trump bestärkt.

Trumps Behauptung im Wahlkampf, er, der vermeintliche Großmeister des "Deals", wolle in die Geschichtsbücher als derjenige eingehen, der eine Kompromißlösung zwischen Israelis und Palästinensern gefunden und den Nahost-Konflikt endlich beilegt habe, diente ausschließlich der Irreführung. Trumps größter Einzelspender im Wahlkampf war der schwerreiche zionistische Casinobetreiber und Netanjahu-Freund Sheldon Adelson. Nach dem Wahlsieg Anfang November über Hillary Clinton hat Trump seinen Anwalt, den Rabbinersohn David Friedman, der fließend Hebräisch spricht, zum neuen US-Botschafter in Israel ernannt. In der Vergangenheit haben sowohl Trump als auch Friedman den illegalen Siedlungsbau im Westjordanland finanziell unterstützt. Das gleiche gilt für Trumps jüdischer Schwiegersohn, Jared Kushner, der in der neuen US-Administration den Posten des Präsidentenberaters erhielt.

Als am 23. Dezember 14 von 15 Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York in einer Resolution den jüdischen Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten erneut zum "eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht" deklarierte und die US-Botschafterin Samantha Power auf Anweisung Obamas und dessen Außenminister John Kerry dagegen kein Veto einlegte, beließ es Trump bei einer wutschnaubenden Twitter-Meldung nicht. Auf Einladung Trumps und Kushners wohnte am 20. Januar in Washington erstmals eine Delegation der jüdischen Siedlerbewegung der feierlichen Amtseinführung eines US-Präsidenten bei. Am Tag darauf wies Trump in einem seiner ersten Exekutivbefehle an, daß das Finanzministerium in Washington jeder UN-Behörde, welche der palästinensischen Autonomiebehörde oder der PLO Vollmitgliedschaft gewährt, sofort die Finanzierung durch die USA zu streichen habe.

Ermutigt durch die pro-zionistischen Signale aus der US-Hauptstadt forcierte die israelische Regierung den Siedlungsbau. Seit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus hat Netanjahu den Bau von 6000 neuer Wohnungen im Westjordanland angekündigt. 3000 von ihnen werden in bestehenden, meist illegal enstandenen Siedlungen errichtet, für weitere 3000 wird zum erstenmal seit 25 Jahren wieder eine von den israelischen Behörden in Auftrag gegebene Siedlung geschaffen. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, daß sich die jüdische Siedlerbewegung im Aufwind sieht und ihre Galionsfigur, Bildungsminister Naftali Bennett, die baldige Annektierung der gesamten Westbank in Aussicht stellt. Das große Theater, das die Netanjahu-Regierung Anfang Februar um die Durchsetzung der Räumung der kleinen illegalen Siedlung Amona inszenierte, soll Rechtsstaatlichkeit suggerieren und von der eigentlichen Plünderei palästinensischen Landes im großen Stil ablenken.

In diesem Sommer jährt sich zum 50. Mal der Sechs-Tage-Krieg, in dessen Verlauf Israels Streitkräfte Ostjerusalem und die palästinensischen Gebiete eroberten. Anläßlich des historischen Datums hofft die Netanjahu-Regierung Trump dazu bewegen zu können, endlich die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Ein 1995 vom Kongreß in Washington verabschiedetes Gesetz sieht die Verlegung der US-Botschaft in Israel ausdrücklich vor, doch aus Rücksicht auf den Nahost-Friedensprozeß haben seitdem Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama die Ausführung der Israel bevorteilenden, völkerrechtlich umstrittenen Maßnahme immer wieder um sechs Monate durch ihre Unterschrift verschoben. Bekanntlich gehört David Friedman zu den lautstärksten Befürwortern der Botschaftsverlegung. Man geht davon aus, daß Trump und Netanjahu bei ihrem Treffen in Washington am 15. Februar über das Thema reden werden.

In einem Interview mit der liberalen israelischen Zeitung Ha'aretz, das in deren Onlineausgabe am 7. Februar erschienen ist, hat James Baker, der als US-Außenminister George Bushs (sen.) den Nahost-Friedensprozeß initiiert hat, vor einer Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem wegen der zu erwartenden Reaktionen der arabischen Welt, vor allem aber einer Einverleibung des Westjordanlands durch Israel gewarnt. Baker begründete sein Plädoyer für ein Festhalten am Prinzip Land für Frieden mit dem Argument, eine Zwei-Staaten-Lösung sei im Interesse Israels, weil die Annektierung der Westbank den jüdischen Staat wegen des stetigen Wachstums der palästinensischen Bevölkerung im Vergleich zur israelischen überfordern würde. Doch für die "demographische Bombe", wie rechtsgerichtete Kreise in Israel die angeblich von der palästinensischen Bevölkerung ausgehender Bedrohung bezeichnen, gibt es Pläne zu deren Beseitigung - einfach durch die Vertreibung Hunderttausender Menschen nach Jordanien. Ein weiterer größerer Krieg in der Region wäre für einen solchen drastischen Schritt die passende Gelegenheit. Derlei Überlegungen erklären vielleicht, warum Netanjahu den Iran seit dessen jüngstem Raketentest wieder zur großen Bedrohung des Weltfriedens aufbauscht und Trump zu einem militärischen Vorgehen gegen das "Mullah-Regime" in Teheran drängt.

8. Februar 2017


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