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NAHOST/1521: Der Krieg im Jemen zwischen Eskalation und Abflauen (SB)


Der Krieg im Jemen zwischen Eskalation und Abflauen

Ex-Präsident Hadi legt sich mit den Vereinigten Arabischen Emiraten an


Nach etwas mehr als zwei Jahren steht der Krieg im Jemen an einen Wendepunkt. In der einen Richtung steht die Eskalation eines Konflikts, der mindestens 10.000 Menschen das Leben gekostet, weitere drei Millionen zu Binnenflüchtlingen gemacht und das Armenhaus Arabiens in eine schwere humanitäre Krise mit Millionen von Hungerleidenden gestürzt hat. Die andere Richtung deutet auf eine Beendigung der Kämpfe und Verhandlungen zur Beilegung der politischen Krise hin. Im Jemenkrieg spielen so viele Faktoren eine Rolle, daß es schwer fällt, zu diesem Zeitpunkt eine verläßliche Prognose zu machen.

Seit dem Amtsantritt als US-Präsident Ende Januar hat der Republikaner Donald Trump jedenfalls die Drohnenangriffe der CIA und der US-Streitkräfte gegen mutmaßliche Ziele der Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel drastisch forciert. Den Angaben des Pentagons zufolge wurden im Jemen im Rahmen des "globalen Antiterrorkrieges" in den letzten drei Monaten doppelt so viele Drohnenangriffe durchgeführt wie im gesamten Jahr 2016, dem letzten Amtsjahr des Demokraten Barack Obama. Der neue US-Verteidigungsminister, General a. D. James Mattis, arbeitet aktuell an einem Plan, wie die USA Saudi-Arabien im Jemenkrieg noch effektiver als bisher unterstützen könnten. Bisher erhält Riad mit der Zustimmung Washingtons riesige Mengen amerikanischer Waffen und Munition. Tankflugzeuge der US-Luftwaffe versorgen saudische Kampfjets, während vor Ort amerikanische und britische Techniker die Kriegsmaschinerie der Sauds warten.

Trotz ihrer rüstungstechnologischen Überlegenheit und des Einsatzes zahlreicher ausländischer Söldner und Infanteristen aus dem Sudan haben die Saudis und ihre Verbündeten - allen voran die Vereinigten Arabischen Emirate - in den letzten zwei Jahren im Jemen nicht viel mehr geschafft, als die Südküste einschließlich der strategisch enorm wichtigen Hafenstadt Aden zu "befreien", wobei sie mit Luftangriffen die Zerstörung der zivilen Infrastruktur im großen Stil betrieben. Die schiitischen Huthi-Rebellen und der mit ihnen kooperierende, größere Teil der jemenitischen Armee, der nach wie vor zu Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh hält, kontrollieren weiterhin die Nordwesthälfte des Landes samt Hauptstadt Sanaa und der Hafenstadt Hudeida am Roten Meer.

Gegen eine drohende Großoffensive der Saudis und ihrer Verbündeten zur Einnahme von Hudeida haben sich in den letzten Wochen diverse Vertreter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) ausgesprochen, weil eine solche Operation die Lebensmitteleinfuhr in den jemenitischen Nordwesten zum Erliegen und die ohnehin desaströse Versorgungslage dort verschärfen würde. Aus demselben Grund hat sich im US-Kongreß eine Gruppe formiert, die, angeführt vom jungen republikanischen Senator Rand Paul, lautstark ein Ende der amerikanischen Militärhilfe für Riads Kriegsabenteuer im Jemen fordert. Den Plänen von Verteidigungsminister Mattis, mittels des Einsatzes von US-Kampftruppen dem wenig schlagkräftigen sunnitischen Expeditionskorps zur Einnahme Hudeidas und zum Sieg gegen die Huthi-Saleh-Allianz zu verhelfen, stehen Paul und der Tea-Party-Flügel bei den Republikanern sowie linke Demokraten im Kongreß strikt ablehnend gegenüber. Zu Recht befürchten sie, daß die US-Streitkräfte in eine teure und sinnlose Intervention im Nahen Osten hineingezogen werden könnten, die zudem jederzeit in einen großen Krieg mit dem Iran ausarten könnte. Bekanntlich begründen die Saudis den von ihnen initiierten Jemenkrieg mit der bisher durch nichts belegten Behauptung, die Huthis seien die Handlanger Teherans, über sie würden die Iraner die Kontrolle über die für den internationalen Schiffsverkehr unerläßliche Meeresenge Bab Al Mandab bekommen.

Bei einem Besuch im libanesischen Beirut am 2. Mai hat der Hauptantreiber des Jemenkriegs, Prinz Mohammed, Saudi-Arabiens 31jähriger Verteidigungsminister und Lieblingssohn von König Salman, der Idee einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Teheran und Riad eine kategorische Absage erteilt. Den Iranern sei nicht über den Weg zu trauen, denn als Schiiten sehnten sie sich nach der Rückkehr des "verborgenen Mahdi" und strebten deshalb nach der Weltherrschaft. Vollmundig vertrat Mohammed den Standpunkt, die saudischen Streitkräfte könnten den Jemen "innerhalb von Tagen" erobern, täten dies aber nicht, um größeres Blutvergießen bei der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Statt dessen würde Riad im Jemen die Sache langsam angehen. "Die Zeit arbeitet für uns", so der verwöhnte Sproß der sunnitisch-fundamentalistischen Monarchie.

Die Zuversicht Mohammeds zeugt von Dummheit und Arroganz. Seine Untergebenen stecken im Jemen - vor Hudeida, Taizz und anderswo - fest, weshalb man sich aktuell in Washington gezwungen sieht, über Wege nachzudenken, ihnen militärisch unter die Arme zu greifen. In Zeiten niedriger Ölpreise können die Saudis den kostenintensiven Konflikt im Nachbarland nicht ewig fortsetzen. Hinzu kommt, daß das Anti-Huthi-Bündnis bereits ernsthafte Risse aufweist. Der von den Huthis Ende 2014 gestürzte Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi, der sich aus Sicherheitsgründen meistens in Riad aufhält, leistet sich seit Wochen mit der Führung der Vereinigten Arabischen Emirate einen heftigen Streit. Wie die Onlinezeitung Middle East Eye am 3. Mai berichtete, hat Hadi nach mehreren Vorfällen am Flughafen von Aden den Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed Bin Zayed, offen vorgeworfen, dessen Truppen im Jemen würden sich wie Besatzer statt Befreier benehmen. Laut Middle East Eye droht "die Fehde zwischen den beiden Männern" die Anti-Huthi-Allianz "zu spalten".

Der Streit zwischen Hadi und der VAE-Führung findet vor dem Hintergrund von Gerüchten statt, Abu Dhabi verhandele heimlich mit Rußland, Saleh und südjemenitischen Separatisten über eine Beendigung des Krieges im Jemen. Angeblich wird eine politische Lösung ins Auge gefaßt, bei der Hadi künftig nichts mehr zu melden hätte. Dafür bekäme der Jemen eine neue Verfassung, Rußland Stationierungrechte für seine Kriegsmarine in Aden und der emiratische Großkonzern DP World dort den Zuschlag für den kommerziellen Hafenbetrieb. Ob und inwieweit Riad und Washington in derlei Überlegungen einbezogen werden, ist unklar. Vorstellbar wäre eine russische Beteiligung an einer Beendigung des Jemenkrieges nur, wenn sich das Weiße Haus und der Kreml auf eine gemeinsame Linie in Syrien einigen würden. Und danach sieht es momentan - ungeachtet jüngster Fortschritte bei den Friedensverhandlungen zu Syrien in der kasachischen Hauptstadt Astana - nicht aus.

5. Mai 2017


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