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NAHOST/1604: Palästina - Verschiebespiele ... (SB)


Palästina - Verschiebespiele ...


Mit dem "Deal des Jahrhunderts", so hat es US-Präsident Donald Trump beim Einzug ins Weiße Haus im Januar 2017 angekündigt, werde er den Nahostkonflikt lösen, über den sich die erfahrensten Diplomaten der westlichen und der arabischen Welt seit Jahrzehnten den Kopf zerbrechen. Wie immer bei Trump, dem windigen Bauunternehmer und einstigen Kasinobesitzer, dessen Geschäftspartner stets den von ihm angerichteten Schaden auszubaden haben, klaffen Versprechen und Wirklichkeit extrem weit auseinander. Das bisherige Ergebnis des Engagements der Trump-Administration im Nahen Osten ist eine angesichts der jüngsten Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv in das besetzte Ostjerusalem hoch zufriedene israelische Regierung Benjamin Netanjahus, eine konsternierte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah, die Washington als Vermittler nicht mehr akzeptiert, eine schockierte Weltöffentlichkeit sowie eine Bilanz von mehr als 200 getöteten und mehreren Tausend verletzten palästinensischen Demonstranten, welche die israelischen Streitkräfte an der Grenze zu Gaza seit Ende März als lebende Schießübungsziele benutzen.

Die Parteilichkeit Trumps für Israel stand von vornherein fest, hatte doch der zionistische Kasinokrösus von Las Vegas, Sheldon Adelson, der schon länger ein wichtiger Fürsprecher Netanjahus ist, 2016 den Wahlkampf des republikanischen Immobilienhais aus New York gegen Hillary Clinton maßgeblich finanziert. Konsequenterweise hat Trump nach der Amtsübernahme von Barack Obama drei bekennende Förderer der illegalen jüdischen Siedlungen im Westjordanland mit der Nahostproblematik beauftragt. Sein Schwiegersohn Jared Kushner, dessen Familie mit der Netanjahus eng befreundet ist, wurde Sonderberater des Präsidenten. Trumps Firmenanwalt Jason Greenblatt erhielt den Posten als Nahostbeauftragter des Weißen Hauses. David Friedman, ein Konkursverwalter, den Trump aus der New Yorker Baubranche kennt, wurde als US-Botschafter nach Israel entsandt. Vor wenigen Wochen hat Friedman für Aufregung in der Region gesorgt, als er sich vor einer großen Fotomontage radikaler Zionisten in Jerusalem ablichten ließ, auf dem der Tempelberg ohne Felsendom samt goldener Kuppel, dafür mit dem Dritten Tempel zu sehen war.

In der zweiten Junihälfte war das Kushner-Greenblatt-Gespann im Nahen Osten unterwegs, um Zustimmung und Unterstützung für den großen "Deal" einzuholen. Bei der Rundreise besuchten die beiden Israel, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar. Wegen der anhaltenden Mißstimmung bei der PA fiel der geplante Abstecher nach Ramallah aus. Dort hatte sich im März Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geweigert, einen von den Saudis übermittelten Entwurf des "Deals" anzunehmen. Angeblich liegt das Dokument ungelesen in der Schublade. Deswegen gibt es Bestrebungen seitens der USA, den alternden Abbas so rasch wie möglich loszuwerden und durch einen gefügigeren Repräsentanten der Palästinenser zu ersetzen.

Am 28. Juni berichtete der Nachrichtensender Arutz Sheva, der als Sprachrohr der religiösen Rechten Israels gilt, während der Anwesenheit Kushners und Greenblatts in der Region sei es zu einer geheimen Sicherheitskonferenz im kleinen Kreis gekommen. Den Ort des konspirativen Treffens nannte der Arutz-Sheva-Bericht nicht. Anwesend sollen neben Kushner und Greenblatt Mossad-Chef Yossi Cohen sowie die Leiter der ägyptischen, jordanischen und saudischen Geheimdienste - General Abbas Kamel, General Adnan Al Issam Al Dschundi und General Khalid Bin Ali Al Humaidan - gewesen sein. Dazu der vielleicht interessanteste Satz des Artikels: "Auf ausdrücklichen Wunsch der amerikanischen Emissäre und trotz des Boykotts der Vereinigten Staaten durch die PA nahm deren Geheimdienstchef Madsched Faradsch ebenfalls am Treffen teil." Die Formulierung bestätigt die Angaben des französischen Nachrichtenportals Intelligence Online, wonach bei der Trump-Regierung Faradsch bereits als potentieller Abbas-Nachfolger gehandelt wird.

Im Anschluß an die Rundreise hat Kushner am 29. Juni der palästinensisch-arabischen Zeitung Al Quds ein Interview gegeben, in dem er in groben Zügen den US-Friedensplan umriß und sich gleichzeitig als ganz der zionistischen Sichtweise verhaftet zeigte. Ohne auch nur ein Wort über die israelische Besatzung zu verlieren, machte der Ehemann von Ivanka Trump die Palästinenser für ihre mißliche Lage allein verantwortlich. Sie litten unter einer "schwachen politischen Führung" behauptete er. Abbas und die PA seien nur am eigenen Wohl interessiert, so Kushner. Gemeinsam mit den arabischen Nachbarstaaten wollten die USA den Palästinensern ein Leben in Würde und wirtschaftlichen Wohlstand ermöglichen. Dafür müßten sie lediglich auf die alten politischen Parolen einschließlich der selbstgewählten Opferrolle verzichten, erklärte er.

Hinter Kushners Beschwörung eines israelisch-palästinensischen "Silicon Valley" im Nahen Osten, sobald die Palästinenser das Rückkehrrecht der Flüchtlinge sowie ihren Anspruch auf einen eigenen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt aufgeben, steckt nichts als heiße Luft. Kushner, wie Trump ein überschuldeter Immobilienjongleur, versteht es bestens, Visionen zu entwerfen. Wie bei seinem Schwiegervater läßt jedoch häufig die Realisierung zu wünschen übrig - siehe das aktuelle Skandalprojekt "666 Park Avenue". Kushner soll Ägypten und die sunnitischen Monarchien am Persischen Golf dazu überredet haben, im nördlichen Sinai mehrere größere Infrastrukturprojekte - darunter einen Seehafen, einen Flughafen sowie einen gigantischen Solarenergiepark - zu finanzieren, welche Arbeitsplätze für die Menschen im Gazastreifen bieten und zugleich die dortigen Probleme der Strom- und Wasserversorgung lösen sollen.

Abdel Fatah Al Sisis Militärdiktatur in Kairo käme die Industrieansiedlung bei Al Arish gelegen. Einen Teil der Gelder könnten die ägyptischen Generäle sicherlich in die eigenen Taschen umleiten. Gleichwohl fürchtet sich Ägypten davor, die politische Verantwortung für den Gazastreifen endgültig zugeschoben zu bekommen. Die Ägypter glauben, daß auf dem Weg des Trumpschen "Deals" Israel und die USA die Spaltung des Gazastreifens vom Westjordanland dauerhaft zementieren und somit die Möglichkeit eines palästinensischen Staats beseitigen wollen. Ähnlich beurteilt der saudische König Salman die Lage. Im Gegensatz zu seinem Sohn und Thronfolger Prinz Mohammed, der zusammen mit Kushner dabei ist, den ganzen Nahen Osten auf den Kopf zu stellen, beharrt Salman auf die Arabische Friedensinitiative seines verstorbenen Bruders König Abdullah von 2002. Diese sieht volle diplomatische Anerkennung für und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel vor, sobald es die seit 1967 besetzten Gebiete räumt, Palästina als Staat entstehen läßt und einer gerechten Lösung der Flüchtlingsfrage zustimmt.

Jordaniens König Abdullah ist über den Kushner-Vorstoß ebenfalls alles andere als glücklich. Er sieht im geplanten dauerhaften Verbleib der israelischen Streitkräfte im Jordantal eine militärische Bedrohung seines Staats. Des weiteren macht er sich Sorgen, daß die Zuständigkeit seiner Haschemiten-Dynastie für den Tempelberg an die Saudis übergehen könnte. Für eine solche aus muslimischer Sicht schwerwiegende Rechtsübertragung macht sich hinter den Kulissen angeblich der saudische Kronprinz Mohammed stark. Darüber hinaus stehen Saudi-Arabien und die VAE der geplanten Beteiligung Katars am Wiederaufbau Gazas skeptisch bis ablehnend gegenüber. Im Mai 2017 haben Riad und Abu Dhabi alle diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakte zu Doha abgebrochen und dies mit der Unterstützung Katars für die palästinensische Hamas, die in Gaza die Regierung stellt, sowie der Weigerung Dohas, seine Kontakte zu Saudi-Arabiens Erzfeind Iran abzubrechen, begründet. Angesichts all dieser Verwicklungen wären die Palästinenser gut beraten, wenn sie sich nicht auf die wohlklingenden Versprechungen der Trump-Familie einließen.

3. Juni 2018


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