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USA/1205: Foltervorwürfe bringen Bush und Co. ins Schwitzen (SB)


Foltervorwürfe bringen Bush und Co. ins Schwitzen

Condoleezza Rice will nichts "autorisiert" haben


In den USA nimmt derzeit die Debatte um die Folterpolitik der Regierung von George W. Bush an Heftigkeit zu. Seit am 16. April auf Anweisung des Weißen Hauses vier geheime Memoranden des Office of Legal Counsel im Justizministerium aus dem Jahr 2002 veröffentlicht wurden, mit denen die physische und seelische Mißhandlung gefangengenommener, mutmaßlicher "Terroristen" sanktioniert worden war, greifen Mitglieder der Vorgängeregierung, allen voran Ex-Vizepräsident Dick Cheney, und ihre republikanischen Parteikollegen den neuen Präsidenten Barack Obama und die Demokraten scharf an und werfen ihnen vor, das Land der Gefahr eines erneuten Großanschlags nach Art des 11. September auszusetzen. Darüber hinaus behaupten sie, die "verschärften Vernehmungsmethoden" von damals wären erfolgreich gewesen, denn sie hätten Erkenntnisse zutage gefördert, welche die Verhinderung weiterer Anschläge des Al-Kaida-"Netzwerkes" ermöglicht hätten.

Die Aggressivität, mit der sich Cheney und Konsorten zur Wehr setzen, hat einen einfachen Grund. Aus den bisherigen veröffentlichten Dokumenten geht klar hervor, daß die damalige US-Regierung auf die Folter zurückgegriffen hat, nicht, wie stets behauptet, um Greueltaten der Männer um Osama Bin Laden zu verhindern, sondern um gefangene, mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder zu falschen Geständnissen zu zwingen, mit denen sich ein Vorwand für den von Bush und seiner neokonservativen Riege längst beschlossenen Überfall auf den Irak fabrizieren ließ. Diese Erkenntnis trägt dazu bei, daß in der US-Öffentlichkeit diejenigen, die juristische Schritte gegen die Verantwortlichen für derlei eklatante Verstöße gegen das im amerikanischen und internationalen Gesetz verankerte Folterverbot fordern, immer mehr an Boden gewinnen. Führende Vertreter der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus haben bereits Justizminister Eric Holder um die Einsetzung eines Sonderermittlers gebeten, während ihre Parteikollegen im Senat, wo ebenfalls die Republikaner in der Minderheit sind, mit dem Gedanken an die Einrichtung einer "Wahrheitskommission" spielen. Für die Mitglieder des Bush-Kabinetts und ihre damaligen Rechtsberater Jay Bybee, David Addington, Alberto Gonzales und John Yoo droht tatsächlich das Szenario, daß sie für ihr damaliges Verhalten demnächst rechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Die Nervösität der Bush-Gangs läßt sich aus den jüngsten Äußerungen von Condoleezza Rice herauslesen. Rice, die während der ersten Amtszeit von Bush jun. Nationale Sicherheitsberaterin und während der zweiten Außenministerin war, ist nach dem Machtwechsel in Washington im Januar an die kalifornische Universität Stanford zurückgekehrt, um ihre akademische Karriere fortzusetzen. Dort ist es am 27. April zu einem interessanten Meinungsaustausch zwischen Rice und Studenten gekommen, welche ihrer Dozentin unangenehme Fragen in Verbindung mit der aktuellen Folterdebatte stellten. Wie Cenk Uygur am 30. April auf der Website HuffingtonPost.com anhand von Videoaufnahmen der Begegnung berichtete, hat Rice eine Reihe entlarvender Erklärungen abgegeben. Zur Frage der Legalität der von Bush angeordneten Mißhandlung der "feindlichen Kombattanten" erwiderte sie:

Der Präsident hat uns instruiert, daß nichts, was wir tun würden, gegen unsere Verpflichtungen, rechtliche Verpflichtungen, nach der Antifolterkonvention verstoßen würde.

Darüber hinaus hat sie jede mögliche eigene Verantwortung für die Handlungen der Vernehmungsspezialisten der Central Intelligence Agency (CIA) weit von sich gewiesen:

Ich habe nichts autorisiert. Ich habe lediglich die Autorisierung der Regierung der Agency übermittelt, nämlich daß sie gemäß der Freigabe des Justizministeriums dazu politisch autorisiert war. Das ist es, was ich getan habe.

Zum Schluß führte Rice das Totschlagargument aus den Tagen Richard Nixons ins Feld:

Man hat uns erklärt, daß die USA in keinster Weise gegen unsere Verpflichtungen nach der Antifolterkonvention verstoßen würden, denn wenn es vom Präsidenten autorisiert war, verstieß es per Definition nicht gegen unsere Verpflichtungen nach der Antifolterkonvention.

Wie man weiß, gehörten die zwei mächtigsten Mitglieder des Bush-Kabinetts, Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, in den siebziger Jahren der Nixon-Regierung an. Unter Bush jun. haben die beiden befreundeten Kalten Krieger zielstrebig jene Beschränkungen der Präsidialmacht abzuschütteln versucht, welche der von den Demokraten beherrschte Kongreß nach dem Rücktritt Nixons 1974 wegen der von ihm angeordneten Bekämpfung der politischen Opposition mit geheimdienstlichen Mitteln gesetzlich eingeführt hatte. Mehr als dreißig Jahre danach tragen Demokraten und Republikaner also immer noch den Kampf um die Watergate-Affäre aus. Wegen des Folterskandals der Bush-Regierung könnte sich dieser Kampf demnächst erneut vor den Gerichten abspielen.

28. April 2009