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USA/1209: Obama hält an Bushs umstrittenen Militärtribunalen fest (SB)


Obama hält an Bushs umstrittenen Militärtribunalen fest

Vorzeigeliberaler findet keinen Ausweg aus Bushs Folterlabyrinth


Zu den Maßnahmen der republikanischen Regierung George W. Bushs, die Barack Obama im letzten Jahr als Präsidentschaftskandidat der Demokraten kritisierte und die er, sollte das amerikanische Volk ihn zu seinem Staatsoberhaupt wählen, rückgängig zu machen versprach, gehört die Einrichtung von Militärtribunalen, die über das Schicksal gefangengenommener, mutmaßlicher Mitglieder von Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk". Deshalb hat der junge Ex-Senator aus Chicago gleich an seinem ersten Arbeitstag im Weißen Haus am 21. Januar, als er die schnellstmögliche Räumung des umstrittenen Gefangenenlagers auf dem Gelände des US-Marinestützpunktes Guantánamo Bay auf Kuba und die sofortige Schließung der sogenannten "black sites" der CIA verfügte sowie für Geheimdienste und Militär der USA das Folterverbot erneuerte, besagte Militärtribunale suspendiert. Diese Suspendierung, welche eine Überprüfung des Systems ermöglichen sollte, war bis zum 20. Mai befristet. Doch statt die Militärtribunale endgültig aufzulösen, will Obama nun an ihr festhalten, um den aller gefährlichsten "Terroristen" den Prozeß machen zu können. Dies gab das Weiße Haus am 15. Mai bekannt. Unter Bürgerrechtsgruppen hat die Kehrtwende Obamas in Bezug auf Bushs Militärtribunale für Entsetzen und Empörung gesorgt.

Die Frage der Militärtribunale hängt mit den Bemühungen der neuen Regierung um die Schließung Guantánamos, das weltweit zu einem Symbol für Willkür und Mißhandlung von Gefangenen geworden ist, zusammen. Derzeit befinden sich dort 241 Inhaftierte, von denen die meisten unschuldige Männer aus Afghanistan, Pakistan und anderer Ländern der islamischen Welt sind. Viele derjenigen, denen nichts nachzuweisen ist, können nicht einfach freigelassen und in ihre Heimatländer abgeschoben werden, weil ihnen wegen des nachhängenden "Terrorverdachts" Repressalien drohen. Dies gilt zum Beispiel für eine Gruppe muslimischer Uiguren, die deshalb in die Volksrepublik China nicht zurückkehren können. Aus diesem Grund verhandeln Obamas Leute mit Regierungsvertretern befreundeter Staaten darüber, ob sie nicht bereit wären, Unschuldige aus Guantánamo bei sich aufzunehmen und ihnen politisches Asyl zu gewähren (Am 15. Mai hat Frankreich als erstes Land einen Freigelassenen aus Guantánamo, den 43jährigen Algerier Lakhdar Boumediene aufgenommen). Einer kleinen Gruppe von Guantánamo-Häftlinge, gegen die man Anklage zu erheben erwägt, könnte man eventuell vor den normalen Strafgerichten in den USA den Prozeß machen.

Den Plänen der Obama-Regierung zufolge sollen die Fälle von lediglich 10 bis 20 der regulären Guantánamo-Häftlingen vor Bushs Militärtribunalen behandelt werden. Hinzu kommen 13 mutmaßliche "Terroristen" - darunter fünf ranghohe Al-Kaida-Mitglieder wie Khalid Sheikh Mohammed und Ramsi Binalshibh, die man eine Verwicklung in die Anschläge vom 11. September 2001 bezichtigt -, deren Prozesse bereits vor Ende der Amtszeit von Bush jun. angelaufen sind. Diese Verfahren sollen nun für weitere 120 Tage suspendiert werden, damit man das System gerechter machen kann. Zu diesem Zweck sollen Aussagen, die durch Folter gewonnen worden sind, nicht mehr gegen die Angeklagten verwendet werden und der Rückgriff auf Informationen aus Hörensagen der Geheimdienste nur begrenzt zulässig sein.

Wie das Wall Street Journal am 14. Mai berichtete, erwägt die Obama-Regierung die Schaffung eines sogenannten nationalen Sicherheitsgerichtes, das hinter verschlossenen Türen tagen und an die Stelle von Bushs Militärtribunale treten soll. Obama hätte gute Chancen, ein Gesetz zur Schaffung eines solchen Gremiums, das dem US-Sicherheitsapparat Tür und Tor für allerlei Machenschaften öffnen und ein schwerer Angriff auf die Bürgerrechte in den USA darstellen würde, durch den Kongreß zu bekommen. Dort scheinen die Republikaner derzeit keine größere Sorge zu haben, als zu verhindern, daß keine der in Guantánamo einsitzenden "Terroristen" nach der für Januar 2001 geplanten Schließung des Lagers auf Kuba in die USA verlegt werden. Den Republikanern, die für keine Überhöhung der Terror-Hysterie zu schade, zufolge sei es kein aufrechtem US-Bürger zuzumuten, daß die "Massenmörder" des 11. September im örtlichen Hochsicherheitstrakt untergebracht werden.

16. Mai 2009