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USA/1230: Der Unterhosenbomber - Glücksfall der Antiterrorkrieger (SB)


Der Unterhosenbomber - Glücksfall der Antiterrorkrieger

Weihnachtsgeschenk aus dem Jemen - Abdulmutallab eröffnet neue Front


Seit dem sonderbaren, gescheiterten Anschlag auf eine Passagiermaschine der Northwest Airlines vor der Landung in Detroit am 25. Dezember sehen Amerikas Politiker und Medien das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wieder voll im "Antiterrorkrieg". Aufgeregt wird nach einer Erklärung verlangt, wie der Nigerianer Abu Farouk Abdulmutallab, obwohl er wegen des Verdachts der Mitgliedschaft im Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens unter Beobachtung sowohl der amerikanischen als auch der britischen Geheimdienste stand, auf dem Amsterdamer Flughafen Schipol den Flug 253 nach Detroit besteigen konnte, um kurz vor der Landung irgendeinen in seiner Unterhose versteckten Sprengstoff zur Explosion zu bringen zu versuchen. Die Regierung Barack Obamas sieht sich dem Vorwurf der oppositionellen Republikaner ausgesetzt, sie hätte seit dem Amtsantritt vor einem Jahr den Kampf gegen den "internationalen Terrorismus" und damit den Schutz des amerikanischen Volkes vernachlässigt.

Ungeachtet oder vielleicht gerade wegen der hysterischen Oberflächlichkeit, mit der das ganze behandelt wird, entfaltet der Fall des Unterhosenbombers eine ungeheure Wirkung. Man wirft Abdulmutallab offiziell vor, mit einer "Massenvernichtungswaffe" die vollbesetzte Nordwest-Airlines-Maschine in die Luft zu jagen beabsichtigt zu haben (dabei hatte die Sprengstoffmischung bei der Zündung lediglich dem Täter Verbrennungen in der Leistengegend verursacht). Ende Januar gelang es dem republikanischen Neuling Scott Brown, der im Wahlkampf gegen Obamas Pläne für Strafrechtsprozesse gegen mutmaßliche Al-Kaida-Terroristen opponiert hatte, in Massachusetts den Senatsitz des verstorbenen Edward Kennedy zu gewinnen und damit zum erstenmal seit 1952 - als JFK ihn eroberte und damit seine politische Karriere begann - den Demokraten zu entreißen.

Als Reaktion auf die schmerzhafte Niederlage haben Weißes Haus und der Justizminister Eric Holder auf die geplante Durchführung des Prozesses gegen Khalid Sheikh Mohammed (KSM) und fünf weitere mutmaßliche Teilnehmer des 9/11-Komplotts in der Nähe des Tatorts im Süden des New Yorker Stadtteils Manhattan verzichtet. Inzwischen wird sogar erwogen, KSM und Konsorten doch noch vor einem Militärtribunal statt vor einem zivilen Gericht den Prozeß zu machen. Nichtsdestotrotz versicherte der Präsidentensprecher Robin Gibbs bei einem Auftritt in der CNN-Sendung "State of the Union" am 31. Januar in Bezug auf KSM, den mutmaßlichen Chefplaner der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001: "Er wird vor Gericht gebracht und wird wegen der abscheulichen Verbrechen, die er begangen hat, wahrscheinlich hingerichtet werden. Dessen können Sie gewiß sein." Mit solchen markigen Sprüchen à la George W. Bush - bei gleichzeitiger Mißachtung des Prinzips der Unschuldsvermutung - will die Obama-Administration offenbar demonstrieren, daß sie in der Terrorbekämpfung genauso entschlossen wie die Vorgänger-Regierung handelt.

Dank des Unterhosenbombers ist in den westlichen Industrienationen der öffentliche Widerstand gegen den sogenannten "Full-Body-Scanner", der die damit angestrahlten Personen nackt zeigt und sie damit ihrer Privatsphäre beraubt, in sich zusammengebrochen. Solche Geräte halten nun auf allen internationalen Flughäfen Einzug. Wer sich künftig weigert, die peinliche Prozedur über sich ergehen zu lassen, wird vermutlich seinen Flug nicht antreten dürfen. Währenddessen haben die Republikaner in den USA aufgrund des Umgangs der Behörden mit Abdulmutallab unmittelbar nach seiner Festnahme die Debatte um die Verwendung "verschärfter Vernehmungsmethoden" - mit anderen Worten Folter - bei mutmaßlichen "Terroristen" erneut eröffnet. Angeblich hatte der Unterhosenbomber zunächst frei von der Leber weg mit den Mitgliedern des Sicherheitspersonals am Flughafen geredet, bis das FBI erschien und ihn über sein Recht auf Schweigen aufklärte. Unter Hinweis auf diesen Umstand verlangen rechte Populisten im Kongreß und den US-Medien, daß "terroristische Straftäter" bei der Festnahme nicht mehr in den Genuß der sogenannten Miranda-Rights kommen und nicht bis zum Eintreffen ihrer anwaltlichen Vertretung schweigen dürfen sollen.

Es gibt jedoch viele gute Gründe, der hysterischen Auslegung der Geschichte vom Unterhosenbomber, wie sie uns von diversen Regierungs- und Medienvertretern in allen erdenklichen Formen serviert wird, zu mißtrauen. Dies gilt nicht nur für angstschürende Berichte wie den der britischen Zeitung Mail on Sunday vom 31. Januar, wonach die Anhänger Bin Ladens planen, Sprengmittel in den Körpern von Selbstmordattätern chirurgisch zu verstecken, damit diese sich selbst später im Flugzeug durch das Spritzen einer weiteren, als Insulin getarnten Flüssigkeit zur Explosion bringen können, oder den des Wall Street Journal, der am 2. Februar unter Verweis auf "mehrere nicht namentlich genannte, ranghohe US-Geheimdienstmitglieder" seinen Lesern wissen ließ, daß innerhalb der nächsten 3 bis sechs Monate ein größerer Al-Kaida-Anschlag auf dem amerikanischen Festland absolut "sicher" wäre.

Tatsache ist, daß alle Informationen im Fall Abdulmutallab auf einen fingierten Anschlagsversuch hindeuten, der mit Wissen der amerikanischen Geheimdienste und ihrer ausländischen Kollegen eingefädelt und erfolgreich abgewickelt wurde. Vergleicht man die Ereignisse von Detroit mit denen von New York und Arlington vor neun Jahren, dann muß man sagen, daß die Antiterrorkrieger dazugelernt haben. Diesmal gab es keine Toten und trotzdem jede Menge Angst vor der "terroristischen Gefahr". Als erste Widersprüche auftauchten und bekannt wurde, daß Abdulmutallab vor Jahren bei einem studentischen Aufenthalt in Großbritannien wegen Kontakten zu bekannten Moslemfundamentalisten auf dem Radar des dortigen Inlandsgeheimdienstes MI5 erschienen war, oder daß sein Vater, ein Bankier und Ex-Mitglied der Regierung Nigerias, bereits am 19. November die US-Botschaft in Lagos besucht und gewarnt hatte, daß sich sein Sohn im Jemen mit dubiosen Figuren aus der islamistischen Szene abgebe und den Kontakt zur Familie abgebrochen habe, wartete man mit der gleichen müden Erklärung wie nach dem 11. September auf. Der Sicherheitsapparat habe schon wieder den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen, hieß es.

Daß das - wie zuvor im Bezug das 9/11-Komplott - kompletter Humbug ist, beweisen erstaunlich offene Einlassungen, die ein ranghoher US-Behördenvertreter vor kurzem bei Anhörungen zum Fall des Unterhosenbombers gemacht hat und welche die Medien mit wenigen lobenswerten Ausnahmen aus Rücksicht auf die Erfordernisse des Antiterrorkrieges, nämlich einer im permanenten Zustand der Unsicherheit versetzten Bevölkerung, bis heute entweder völlig ignorieren oder in ihrer Bedeutung herunterspielen. Am 18. Januar berichtete zum Beispiel die New York Times, die National Security Agency (NSA) habe bereits Wochen vor dem Anschlag Gespräche aus islamistischen Kreisen in Jemen abgefangen, in denen von einem geplanten Anschlag, durchzuführen von einer Person namens "Umar Farouk", die Rede war. Wegen der erhöhten Bedrohung habe sich deshalb Obama am 22. Dezember im Weißen Haus mit den führenden Vertretern des FBI, der CIA und des Heimatschutzministeriums getroffen; später am selben Tag habe der Stellvertretende Nationale Sicherheitsberater John Brennan den Präsidenten vor der Möglichkeit einer eventuellen Al-Kaida-Operation gegen ein amerikanisches Ziel am ersten Weihnachtstag gewarnt, so die New York Times.

Bei einem Auftritt am 27. Januar vor dem Heimatschutzausschuß des Repräsentantenhauses hat Patrick Kennedy, Staatssekretär im Washingtoner Außenministerium, in einer vorbereiteten Erklärung bekanntgegeben, daß alle US-Geheimdienste nach dem Besuch von Abdulmutallabs Vater in der amerikanischen Botschaft in Lagos über die von dessen Sohn ausgehende Bedrohung in Kenntnis gesetzt worden waren und die Anweisung hatten, nach dem potentiellen "Terroristen" Ausschau zu halten. Auf die Frage des Ausschußmitglieds, des republikanischen Abgeordneten Dan Lungren aus Kalifornien, warum der spätere Unterhosenbomber nicht auf die Liste derjenigen Personen gesetzt wurde, die entweder vor dem Besteigen einer Passagiermaschine Richtung USA gründlichst überprüft oder gar nicht erst in das Flugzeug gelassen werden, antwortete Kennedy, die Geheimdienste hätte diesen Schritt mit der Begründung verhindert, Abdulmutallab sei nur ein kleiner Fisch, ihn frühzeitig zu ergreifen würde bereits laufende, weiterreichende Operationen gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel gefährden. Von den Angaben Kennedys berichtet am selben Abend online die Detroit News. Die spektakuläre Meldung haben bisher lediglich alternative Nachrichtenquellen wie Antiwar.com, Global Research und die World Socialist Web Site gewürdigt. Sie sind es auch, die sich praktisch als einzige für die Aussagen des Rechtsanwalts Kurt Haskell interessieren, der zusammen mit seiner Frau nicht nur gesehen hat, wie am Amsterdamer Flughafen Schipol ein adrett gekleideter, indisch aussehender, mit amerikanischem Akzent sprechender Mann mittleren Alters das Bodenpersonal dazu gebracht hat, Abdulmutallab ohne Reisepaß ins Flugzeug zu lassen, sondern auch wie nach der Evakuierung der Nordwest-Airlines-Maschine in Detroit Spürhunden hecktisch auf den Koffer eines anderen Passagiers reagierten und dieser deshalb festgenommen und abgeführt wurde. In beiden Fällen streiten die Behörden die Angaben Haskells vehement ab.

Jedenfalls lassen Kennedys zu Protokoll gegebene Worte die vielkritisierte Stellungnahme von Obamas Heimatschutzministerin Janet Napolitano vom 27. Dezember, wonach der US-Sicherheitsapparat im Falle des versuchten Anschlages Abdulmutallabs vorher, während dessen und nachher "funktioniert" habe, in einem ganz anderen Licht erscheinen. Das gleiche gilt für die vielzitierte "Entdeckung" Jemens als terroristische Nachwuchsquelle aufgrund des gescheiterten Unterhosenbombenanschlags. Dies trifft vielleicht für die amerikanische Öffentlichkeit, nicht aber für die Obama-Regierung zu.

Aus einem Artikel der Washington Post vom 27. Januar mit der Überschrift "U.S. military teams, intelligence deeply involved in aiding Yemen" geht hervor, daß die CIA und das Joint Special Operations Command (JSOC) des US-Militärs seit Mitte Dezember ihre jemenitischen Verbündeten bei der Jagd auf "Terroristen" unterstützen und diesen bis dahin geholfen haben, sechs von 15 Führungsmitgliedern von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel zu liquidieren. Die ersten beiden solcher gemeinsamen amerikanisch-jemenitischen Anti-Terroroperationen sollen bereits am 17. und am 24. Januar durchgeführt worden sein, nachdem Obama sie vorher ausdrücklich genehmigt hatte, so die Washington Post. Angesichts dieser Enthüllung könnte man den Unterhosenbomber als passendes Weihnachtsgeschenk des US-Sicherheitsapparats an den neuen Oberbefehlshaber Obama auffassen, damit dieser dem amerikanischen Volk leicht erklären konnte, weshalb man den Antiterrorkrieg am Horn von Afrika forciert.

4. Februar 2010