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USA/1232: Irischer Friedensaktivist in Obamas Amerika unerwünscht (SB)


Irischer Friedensaktivist in Obamas Amerika unerwünscht

Hillary Clintons State Department verweigert Ed Horgan die Einreise


Nach mehr als einem Jahr Barack Obama im Weißen Haus sehen sich diejenige Beobachter bestätigt, die von der Wahl des Demokraten aus Chicago im November 2008 zum ersten schwarzen Präsidenten der USA weniger die Abkehr von der sozial ungerechten Innenpolitik und aggressiven Außenpolitik des republikanischen Texaners George W. Bush erwarteten als vielmehr die Konsolidierung derselben befürchteten. Vom versprochenen "Wandel, an dem man glauben" könne ist nicht viel übrig geblieben. Im Gegenteil hat sich der einstige Hoffnungsträger Obama in einen Kriegspräsidenten erster Güte verwandelt, der es bei seiner Rede anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises im Oslo Ende letzten Jahres fertigbrachte, allen Ernstes die über alle Maßen hochgerüsteten Streitkräfte der USA als stärkste Kraft des Friedens auf der Welt zu lobpreisen.

Unter Obama ist die Zahl der völkerrechtlich illegalen Drohnenangriffe der CIA auf mutmaßliche Taliban-Milizionäre in Pakistan drastisch gestiegen. Bei den Angriffen kommen bekanntlich weit mehr unschuldige Zivilisten als "bad guys" ums Leben. Obamas Versprechen, innerhalb von zwölf Monaten das umstrittene Gefangenenlager in Guantánamo Bay auf Kuba zu schließen, ist zum schlechten Scherz geworden. Den mutmaßlichen "Hintermännern" der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 - Khalid Sheikh Mohammed, Ramsi Binalschibh und vier weiteren Al-Kaida-Mitgliedern - stehen Schauprozesse in den USA bevor, während dem Gros der restlichen Guantanamo-Häftlinge die Abschiebung in das berüchtigte Foltergefängnis Bagram bei Kabul droht. Während Obama unter General Stanley McChrystal den Krieg in Afghanistan weiter eskalieren läßt, entpuppt sich der angekündigte "Abzug" der amerikanischen Streitkräfte aus dem Irak bis Mitte 2011 immer mehr als Etikettenschwindel. Laut dem Oberbefehlshaber General Ray Odierno könnte der Verbleib eines Kontingents mehrerer Zehntausend US-Soldaten im Irak über den Juli 2011 hinaus erforderlich sein, um angeblich - in Zusammenarbeit mit der neuen einheimischen Armee und Polizei - die Stabilität des Zweistromlandes mittel- bis langfristig zu gewährleisten.

Gegen die alte und neue Kriegspolitik der politischen Elite in Washington haben am 20. März, dem siebten Jahrestag der völkerrechtlich illegalen Irakinvasion, Amerikas Friedensaktivisten mit zahlreichen Kundgebungen - Märschen, Demonstrationen und Podiumdiskussionen - hauptsächlich in den Großstädten der Ost- und der Westküste der USA protestiert. Presseberichten zufolge nahmen an den Protestaktionen weit weniger Menschen als in den Jahren davor teil. Dies geht darauf zurück, daß die amerikanische Friedensbewegung traditionell mit den Demokraten zusammenarbeitet und diese verschont, wenn sie an der Macht sind. Die fundamentale Opposition zum Krieg spart man für Zeiten auf, wenn die Republikaner das Sagen haben. Schließlich begründen diese den Rückgriff auf militärische Gewalt meistens mit irgendwelchen Nationalinteressen, während die Partei von Obama und den Clintons - Bill and Hillary - meistens auf irgendwelche vermeintlichen humanitären Notwendigkeiten verweist.

Jedenfalls haben Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton gemeinsam dafür gesorgt, daß in diesem Frühjahr mindestens ein ausländischer Friedensaktivist nicht an Antikriegskundgebungen in den USA teilnehmen wird. Vor kurzem mußte Ed Horgan (*), der seit Jahren die Proteste gegen die Nutzung des zivilen Flughafens Shannon an der irischen Westküste durch das US-Militär anführt, erfahren, daß das State Department in Washington sein Visum zur Einreise in die Vereinigten Staaten widerrufen hatte. Horgan, ein ehemaliger Offizier der irischen Armee, der während seiner Zeit beim Militär an zahlreichen Friedensmissionen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen teilgenommen hat und seit Jahren in diversen Ländern als Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fungiert, wollte Mitte April auf einer internationalen Konferenz an der Duke University in Durham, North Carolina, zum Thema "außerordentliche Überstellungen" - im Volksmund "Folterflüge" genannt - der CIA referieren. Den jahrelangen Beobachtungen von Horgan und den mit ihm zusammenarbeitenden Aktivisten von Shannonwatch und der Peace and Neutrality Alliance (PANA) zufolge spielt der Flughafen Shannon beim Transport verschleppter mutmaßlicher "Terroristen" zwischen Zentralasien und dem Nahen Osten auf der einen Seite und Europa sowie Guantánamo Bay auf der anderen eine nicht unwichtige Rolle. Aus der Teilnahme Horgans an besagter Konferenz wird nun nichts.

Der Grund für den Entzug von Horgans Visum zur Einreise in die USA ist leicht erklärt. Die Obama-Regierung möchte das Thema der "extraordinary renditions" unter den Teppich kehren. Seit Monaten versucht sie vor einem Bundesgericht in San Francisco die Klage einer Gruppe Folteropfer der CIA gegen das an dem Verschleppungsprogramm beteiligte Boeing-Tochterunternehmen Jeppesen Dataplan mit dem Argument zum Fall zu bringen, die ganze Angelegenheit öffentlich zu erörtern würde die "nationale Sicherheit" der USA gefährden. Mit dem selben Argument versucht sie zu verhindern, daß CIA-Dokumente bei der Klage Binyam Mohameds - einer der Kläger gegen Jeppesen Dataplan - vor dem High Court in London gegen Mitarbeiter des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, die an seiner Folterung in Pakistan und Marokko beteiligt gewesen sein sollen, offengelegt werden. Der Fall Binyam Mohamed ist von großer Relevanz nicht nur wegen der Verwicklung amerikanischer und britischer Staatsbediensteter in schwere Menschenrechtsverletzungen, sondern auch, weil diese mittels schwerer Folter dem in Großbritannien als politischer Asylant anerkannten Äthiopier irgendwelche Äußerungen entlockten, welche 2002 und 2003 George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Condoleezza Rice, George Tenet et al bei öffentlichen Stellungnahmen als Hinweise auf die Existenz eines "Atomwaffenprogramms" seitens Al Kaida - eventuell in Zusammenarbeit mit Saddam Hussein - zur propagandistischen Vorbereitung des Irakeinfalls nutzten.

Wenige Tage, nachdem Ed Horgan die sicherlich enttäuschende Nachricht hinsichtlich des Widerrufs seines Visums für die Einreise in die USA erhielt, empfing Obama am irischen Nationalfeiertag, dem 17. März, zu den alljährlichen Sankt-Patricks-Tag-Feierlichkeiten im Weißen Haus den irischen Premierminister Brian Cowen. Vor laufenden Fernsehkameras dankte Obama den wegen der Wirtschaftskrise im eigenen Land schwergebeutelten Cowen ausdrücklich wegen der Nutzung Shannons durch das US-Militär. Damit hat der 44. US-Präsident zu erkennen gegeben, daß Washington nicht im Traum daran denkt, die von Donald Rumsfeld in den ersten Tagen nach dem 11. September 2001 einkassierte Neutralität der Republik Irland wiederherzustellen.

24. März 2010

(*) Siehe hierzu im Schattenblick unter INFOPOOL -> POLITIK -> REDAKTION:

EUROTREFF/010: US-Militärflüge über Shannon - Ed Horgan berichtet (SB)