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USA/1314: Obama führt Bush juniors "Antiterrorkrieg" ad absurdum (SB)


Obama führt Bush juniors "Antiterrorkrieg" ad absurdum

Ex-Juraprofessor setzt die Mißachtung der Verfassung fort



Nach der diesjährigen Abendgala der Korrespondenten im Weißen Haus am 28.‍ ‍April war die amerikanische Presse voll des Lobes über Präsident Barack Obamas Fähigkeiten als Komiker. An dem Abend hatte Obama bei seinem kurzen Auftritt mit herrlich zugespitzten und im perfekten Timing eingestreuten Witzen zum Beispiel über den zwei Wochen zuvor im kolumbianischen Cartagena vom Secret Service verursachten Prostitutionsskandal, über seinen republikanischen Herausforderer bei der diesjährigen Präsidentenwahl, Mitt Romney, und über den schwerreichen Bau- und Immobilienmagnaten Donald Trump alle - selbst die anwesenden Betroffenen - zum Lachen gebracht. Wie sich immer mehr herausstellt, ist Obama jedoch sein größter Witz 2008 gelungen, als der ehemalige Jura-Professor an der Universität Harvard Amerikas Wählern versprach, der Willkürherrschaft des Republikaners George W. Bush ein Ende zu machen und der US-Verfassung wieder Geltung zu verschaffen. Seit dem Einzug ins Weiße Haus im Januar 2009 hat der Demokrat den "Antiterrorkrieg" der Bush-Regierung mit CIA-Drohnenangriffen im Jemen, in Pakistan und Somalia, dem völkerrechtlich illegalen NATO-Angriff auf Libyen zwecks Sturz und Beseitigung Muammar Gaddhafis und einer kräftigen Truppenaufstockung in Afghanistan nicht nur forciert, sondern auch noch nach Hause in die USA geholt.

Nach dem von Obama am Silvesterabend 2011 unterzeichneten National Defense Authorization Act (NDAA) kann aufgrund eines beliebigen "Terrorverdachts" jeder Bürger der USA auf Anweisung des Präsidenten ohne Anklageerhebung verhaftet und auf unbestimmte Zeit weggesperrt werden. Letztes Jahr hat Obama, der im Wahlkampf 2008 zudem versprochen hatte, das umstrittene Inhaftierungslager Guantánamo Bay auf Kuba zu schließen, als erster Präsident der Vereinigten Staaten die Tötung eines Mitbürgers angeordnet. Am 30. September 2011 wurde der in New Mexiko geborene Anwar Al Awlaki bei einem Raketenangriff der CIA im Jemen getötet. Al Awlaki hatte sich im Internet zu Al Kaida bekannt und seit Jahren als Kritiker der US-Außenpolitik hervorgetan. Ihm wurde vom FBI und CIA die Verwicklung in mehrere "Terroranschläge" angelastet. Doch statt ihn zu verhaften und die Verdachtsmomente einem ordentlichen Gericht zur Überprüfung vorzulegen, wurde der vermeintliche "Propagandachef" von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel mittels Hellfire-Raketen ins Jenseits befördert. Bei dem Angriff kam auch Samir Khan, ein US-Bürger pakistanischer Herkunft, ums Leben, der im Gegensatz zum 40jährigen Al Awlaki nicht auf der "Tötungsliste" der CIA stand und somit als unschuldiges Zivilopfer angesehen werden müßte.

Während mit der Liquidierung Al Awlakis der Schutz des US-Bürgers vor willkürlicher Tötung und sein Recht auf einen fairen Prozeß auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sind, ist mit dem Fall Tarek Mehanna das Recht auf freie Meinungsäußerung in den USA gestorben. Am 12.‍ ‍April ist der 29jährige Pharmakologe muslimischen Glaubens, der in den USA geboren und aufgewachsen ist, von einem Gericht in Worcester, Massachusetts, zu siebzehneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er im Internet die kriegerischen Aktivitäten des Pentagons in den Ländern der islamischen Welt kritisiert und Manifeste von Al Kaida aus dem Arabischen ins Englische übersetzt hatte, um die Diskussion um deren Inhalte anzuregen. Mehanna stand seit Jahren unter Beobachtung des FBI. Von Aufrufen zur Gewalt, die einige Besucher auf seiner Website hinterließen, hatte er sich stets distanziert. Mehannas einziges Vergehen scheint darin zu bestehen, die Anwerbungsversuche des FBI, das ihn als Informanten gewinnen wollte, abschlägig beschieden zu haben. Nach seiner Verurteilung hat Mehanna vor Gericht eine eindrucksvolle Rede gehalten, in der er sich zu den klassischen Freiheitsidealen Amerikas bekannte und deren Verrat durch die Behörden beklagte.

Nach Jahren, in denen sich der "Antiterrorkrieg" im Innern der USA fast ausschließlich gegen die muslimische Gemeinde richtete und das FBI mit Hilfe bezahlter Agent provocateurs ein fadenscheiniges islamistisches "Terrorkomplott" nach dem anderen aus dem Hut zaubern konnte, sind nun andere "Gefährder" des kapitalistischen Systems ins Fadenkreuz des Sicherheitsapparats geraten. Am 30. April meldete das Joint Terrorism Taskforce des FBI die Verhaftung von fünf jungen Männern, allesamt Anhänger der anti-kapitalistischen Occupy-Bewegung, die in Cleveland, Ohio, einen Sprengstoffanschlag auf eine Autobahnbrücke geplant haben sollen. In der offiziellen Presseerklärung des FBI hieß es, von den fünf "Anarchisten", von denen die meisten arbeitslos waren und der eine sogar in Obdachlosigkeit lebte, sei für die Öffentlichkeit zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Gefahr ausgegangen, denn die beiden "Bomben", die ihnen Informanten der Bundespolizei angedreht hatten, seien nicht echt gewesen; die Gruppe habe vom Anfang bis zum Ende der sechsmonatigen Ermittlung "unter der Kontrolle eines FBI-Angestellten" gestanden.

Mit dieser wenig beruhigenden Feststellung hat das FBI genau das vollständig bestätigt, was der US-Verfassungsrechtler Glenn Greenwald am 1. Mai anläßlich des von Obama aus Wahlkampfgründen medial gefeierten ersten Jahrestages der Liquidierung Osama Bin Ladens in Pakistan durch U. S. Navy Seals in seinem von Bürgerrechtlern vielbeachteten Blog / Unclaimed Territory für die Onlinezeitung Salon geschrieben hat: "Wie immer - die Bekämpfung des Terrorismus ist nicht der Zweck des Antiterrorkrieges; der Antiterrorkrieg ist Selbstzweck und der Terrorismus lediglich sein Vorwand."

4.‍ ‍Mai 2012