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USA/1322: Mitt Romneys Präsidentschaftskampagne implodiert (SB)


Mitt Romneys Präsidentschaftskampagne implodiert

Republikaner nach beleidigenden Sprüchen bei den Wählern unten durch



Sechseinhalb Wochen vor der US-Präsidentenwahl am 6. November scheint das Rennen um den Einzug ins Weiße Haus bereits gelaufen zu sein. Der im Mai heimlich aufgenommene, am 17. September von der linken Zeitschrift Mother Jones ins Internet gestellte Tonmitschnitt von Mitt Romney, wie er hinter verschlossenen Türen vor republikanischen Großspendern in Florida über die Durchschnittsamerikaner herzieht und sie quasi zu Schmarotzern und nutzlosen Essern erklärt, hat den schwerreichen Investmentmanager und ehemaligen Gouverneur von Massachusetts praktisch unwählbar gemacht. Infolgedessen hat Präsident Barack Obama seine bisher nur geringe Führung in den Umfragen kräftig ausbauen können. Wenn in der verbliebenen Zeit bis zum Urnengang nicht irgend etwas dramatisches in der Weltpolitik geschehen sollte, was Obama wirklich schlecht aussehen läßt, dürfte der Demokrat im Januar 2013 zu einer zweiten Amtszeit antreten.

Und das ist auch gut so, denn besagte Tonaufnahmen lassen bei Romney einen Mangel an außenpolitischem Sachverstand erkennen, der wirklich erschreckt. Als Präsident wäre er vermutlich nichts weiter als Knetmasse in den Händen seiner neokonservativen Berater, die größtenteils bereits Posten in der Regierung von George W. Bush innehatten und zwischen 2001 und 2008 schwere diplomatische Schäden angerichtet haben. In den unverblümten Erklärungen vor der republikanischen Geldelite übt Romney den Schulterschluß mit seinem Freund und Kollegen aus früheren Tagen in der Finanzwelt, dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, indem er sich dessen dummdreiste Vorurteile bezüglich der Palästinenser und Iraner bedient.

Ungeachtet des illegalen, seit Jahrzehnten forcierten Baus jüdischer Siedlungen im Westjordanland erklärt Romney, es bestünde deshalb kurz- bis mittelfristig keine Chance auf eine Friedenslösung im Nahen Osten, weil "die Palästinenser keinerlei Interesse daran" hätten. Seine Analyse der angeblich vom Iran ausgehenden Bedrohung Israels, des Westens und überhaupt des Friedens und der Stabilität auf der Welt kann man nicht anders als wirr bezeichnen. Übersetzt erklärt Romney wortwörtlich:

Wenn ich der Iran - ein verrückter Fanatiker - wäre, würde ich sagen, "laßt uns ein bißchen spaltbares Material zur Hisbollah schaffen, damit sie es nach Chicago bringen, und dann, sollte irgendwas schlecht laufen oder sollten sich die Amerikaner aufspielen, werden wir einfach sagen, 'Wissen Sie was? Wenn Sie nicht einen Gang zurückschalten, dann werden wir wohl eine schmutzige Bombe zünden.'" Ich meine, hier haben wir eine Situation, wo Amerika durch den Iran, durch die Mullahs, durch verrückte Leute, erpreßt werden könnte. Also haben wir keine Option außer, den Iran an der Beschaffung einer Nuklearwaffe zu hindern. [1]

Das hier beschriebene Szenario ist weder neu noch originell. Schon die Bush-Regierung spielte diese Karte, als sie 2002, Anfang 2003 zum Krieg gegen den Irak aufrief und die großangelegte Militäroperation mit den vermeintlichen Gefahren durch Sadam Husseins nicht-existente "Massenvernichtungswaffen" begründete. Unvergessen bleibt die Formulierung der damaligen Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, wonach es unverantwortlich wäre, solange zu warten, bis aus dem "rauchenden Colt" ein "Atompilz" über einer amerikanischen Metropole geworden sei.

Romneys Argumentationslinie ist dagegen noch abstruser, denn er hat nicht einmal gemerkt, daß nach der eigenen Logik die Iraner gar keine Atombombe bräuchten, um die USA zu "erpressen"; wenn es darum ginge, könnte die Islamische Republik schon heute eine Eliteeinheit der Hisb-Allah-Miliz oder der eigenen Revolutionsgarden mit Spaltmaterial aus dem bereits betriebenen Kernkraftwerk Buschehr nach Chicago, New York, Washington oder wo auch immer auf dem amerikanischen Festland entsenden. Die paranoische Weltsicht der Neokonservativen sollte man sich jedoch nicht antun, sonst käme man auf die Idee, daß Teheran womöglich bereits Schläfer mit schmutzigen Bomben in die USA eingeschleust hätte, oder daß Barack Hussein Obama ein heimlicher Moslem ist, der "God's own country" dem Weltkaliphat des Al-Kaida-"Netzwerkes" unterordnen wolle.

In seinen Ausführungen an jenem Abend in Florida hat sich Romney als ausgesprochener Anhänger der machiavellistischen, neodarwinistischen Lehre der Neocons entlarvt. "Für mich dreht sich alles um Stärke und darum, den Leuten klar zu machen, was akzeptabel ist und was nicht." Man kann vieles über den desolaten Stand der Demokratie in den USA sagen, aber nach einem "Führer" sehnen sich die allermeisten Amerikaner - Gott sei dank - immer noch nicht.

Fußnote:

1. Original-Zitat aus der britischen Tageszeitung Daily Mail vom 19. September:

"If I were Iran - a crazed fanatic, I'd say 'let's get a little fissile material to Hezbollah, have them carry it to Chicago, and then if anything goes wrong, or America starts acting up, we'll just say, 'Guess what? Unless you stand down, why, we're going to let off a dirty bomb.''
I mean this is where we have - where America could be held up and blackmailed by Iran, by the mullahs, by crazy people. So we don't have any option but to keep Iran from having a nuclear weapon."

21. September 2012