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USA/1343: Spioniert die CIA den Kongreß aus? (SB)


Spioniert die CIA den Kongreß aus?

Auslandsgeheimdienst und Senat liefern sich brisanten Streit



Die diplomatische Krise um die Krim bietet Politik und Medien in den USA die großartige Gelegenheit, den längst totgeglaubten Geist des Kalten Krieges wiederzubeleben, Rußland als Störfaktor der internationalen Staatenordnung hinzustellen und seinen Präsidenten Wladimir Putin als unberechenbaren Despoten zu dämonisieren. Doch der aktuelle Skandal um eine Ausspionage eines Teils des Kongresses durch die Central Intelligence Agency (CIA) spricht dem Anspruch der USA, die demokratische Fackel unter den Nationen zu sein, ohne deren Strahlkraft die Welt in die Barbarei zurückfiele, Hohn. Erschwerend kommt hinzu, daß es sich bei dem eklatanten Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung um den Versuch handelt, die illegale Praxis der Folter von muslimischen "Terrorverdächtigen" durch die CIA zu vertuschen.

Im Mittelpunkt der Affäre steht ein 6300 Seiten schwerer Bericht, den der Geheimdienstausschuß des Senats zum Thema Folter nach vier Jahren Arbeit Ende 2012 erstellt hat. Seitdem stellt sich die CIA jedem Versuch, den Bericht auch nur auszugsweise zu veröffentlichen, in den Weg. Als Gründe für die Blockadehaltung werden bestimmte, im Bericht enthaltene Befunde vermutet, unter anderem, daß die CIA den Kongreß über das Ausmaß der von der Regierung angeordneten Folterpraktiken, der Einrichtung geheimer Gefängnisse im Ausland - den sogenannten "black sites" - im dunkeln gelassen hat, oder daß die durch die schwere Mißhandlung von Inhaftierten gewonnenen "Erkenntnisse" wenig bis gar nicht zur Verhinderung irgendwelcher "Terroranschläge" beigetragen haben.

Der Streit zwischen Auslandsgeheimdienst und Kongreß über die Veröffentlichung des Berichts hat sich im September vergangenen Jahres zugespitzt, nachdem CIA-Chef John Brennan mit einer eigenen Studie aufwartete, die einerseits die Bush-Administration und die in das weltumspannende Folter-Programm verwickelten Regierungsbeamten in Schutz nahm, andererseits aus Rücksicht auf die "nationale Sicherheit" geheim bleiben sollte. Kurz darauf sollen Kongreßmitarbeiter von der Existenz einer früheren internen CIA-Studie erfahren haben, welche die Schlußfolgerungen im Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats bestätigte. Letztere Studie war 2009, kurz nach dem Antritt Obamas als US-Präsident, von dessen CIA-Chef Leon Panetta in Auftrag gegeben worden.

Ende 2008 war Obama unter anderem aufgrund des Versprechens, den von der Bush-Regierung angerichteten Augias-Stall bei der CIA auszumisten, gewählt worden. In seiner ersten Amtshandlung als Präsident hat er im Januar 2009 die Schließung der "black sites" der CIA im Ausland angeordnet. Seitdem ist Obamas Politik der Transparenz ins Stocken geraten bzw. in ihr Gegenteil verkehrt worden. Der Betrieb im Sondergefängnis Guantánamo Bay auf Kuba läuft nach wie vor, während unter Eric Holder das Justizministerium gegen jeden energisch vorgeht, der über den illegalen großen Lauschangriff der National Security Agency (NSA), die CIA-Drohnenangriffe im Ausland oder das Folterprogramm der Bush-Regierung plaudert.

Am 4. März hat die Zeitungsgruppe McClatchy, Herausgeberin von dreißig US-Zeitungen, darunter der Miami Herald, der Kansas City Star und der Charlotte Observer, darüber berichtet, daß gegen die CIA deshalb juristische Ermittlungen gestartet worden sind, weil sie seit einiger Zeit die Nutzung jener Computer überwacht, die der Auslandsgeheimdienst in einem abgeschirmten Raum in seinem Hauptquartier in Langley, Virginia, den Mitgliedern des Senatsausschusses und deren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt hatte, damit diese sich mit der gigantischen Menge streng vertraulichen Materials - Dokumente, Ton- und Bildaufnahmen - über die verschärften Verhörmethoden befassen konnten. Es gibt sogar Indizien, daß die Obama-Regierung - einschließlich eventuell der Präsident selbst - von der CIA-Überwachung gewußt hat.

Das Bekanntwerden der CIA-Schnüffelei hat in Washington eine heftige Kontroverse ausgelöst, in der die gegenseitigen Vorwürfe aufgrund der brisanten Inhalte verklausuliert ausgetauscht werden. Man geht davon aus, daß die CIA die Nutzung der fraglichen Computer deshalb heimlich überwachte, weil sie den Verdacht hegte, einige Kongreßmitarbeiter wären an die sich widersprechenden Berichte von Panetta und Brennan herangekommen und hätten ihre Vorgesetzten, die Senatoren im Geheimdienstausschuß, darüber informiert, was drinstand. Dieser Umstand führte dazu, daß Brennan am 9. Januar bei einem Auftritt im Kongreß von Ron Wyden, dem demokratischen Senator aus Oregon, aus dem Nichts mit der unangenehmen Frage konfrontiert wurde, ob der Auslandsgeheimdienst gegen das Gesetz zum Verbot von Computerbetrug verstöße. Seitdem ist Brennan auf dem Kriegspfad, weist alle Vorwürfe eines Fehlverhaltens seiner Behörde von sich und bezichtigt die Mitglieder der Legislative, deren Mitarbeiter seien die eigentlichen Gesetzesbrecher, weil sie die Vertraulichkeitsregeln nicht einhalten würden.

Zusammen mit seinem demokratischen Parteikollegen, Senator Mark Udall aus Colorado, gehört Wyden im Kongreß zu den schärfsten Kritikern jenes nationalen Sicherheitstaates, in den sich die USA nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 verwandelt haben. Noch bevor im vergangenen Juni der junge Ex-CIA-Mitarbeiter Edward Snowden die ersten Details des gigantischen NSA-Überwachungsprogramms publik machte, warnten Udall und Wyden vor dem zunehmenden Abschleifen der verfassungsmäßigen Rechte des Bürgers in den USA durch die Exekutive. Udall und Wyden verlangen nun, daß die Folter-Studien von Panetta und Brennan dem Geheimdienstausschuß endlich vorgelegt werden. Sie drängen zudem darauf, den Bericht des Geheimdienstausschusses in stark gekürzter Form öffentlich zu machen. Leider steht zu befürchten, daß die Bemühungen der beiden Liberaldemokraten, Licht in die unsägliche Folterchronik der Bush-Regierung zu bringen, am Widerstand der eigenen Parteikollegen sowie der Republikaner im Kongreß scheitern wird. Dafür wird die demokratische Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien, die den Vorsitz im Geheimdienstausschuß des Oberhauses im US-Kongreß innehat und schon länger als loyale Speerträgerin des Sicherheitsapparats bekannt ist, schon sorgen.

7. März 2014