Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


USA/1364: Republikaner verbünden sich mit Israel gegen Obama (SB)


Republikaner verbünden sich mit Israel gegen Obama

Lobby der Neokonservativen und Zionisten läßt die Muskeln spielen


In den USA nimmt der Streit um den richtigen Kurs Washingtons in der Nahost-Politik an Heftigkeit zu. Die oppositionellen Republikaner, die seit Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat innehaben, verdächtigen Präsident Barack Obama von den Demokraten, eine Lösung im Atomstreit mit dem Iran anzustreben, die für Israel abträglich wäre. Die Verbundenheit der US-Republikaner mit Israel hat mit Rücksicht auf Amerikas jüdische Wähler nichts zu tun, denn diese stehen heute genauso wie seit Jahrzehnten dem linksliberalen Flügel der Demokraten nahe. Die aggressive pro-israelische Haltung der Republikaner im Kongreß rührt vielmehr aus deren Sucht nach den Spendengeldern der zionistischen Lobby und der Rüstungsindustrie, die gemeinsam ein großes Interesse an Spannungen im Nahen Osten bei gleichzeitiger Waffenüberlegenheit Israels haben. Nicht umsonst hat ein Börsenexperte der Deutschen Bank vor wenigen Tagen mit der Aussage für Schlagzeilen in der Finanzpresse gesorgt, daß im Falle eines Endes der Konfrontation zwischen den USA und dem Iran mit einem deutlichen Rückgang des Rüstungsgeschäfts rund um den Persischen Golf zu rechnen sei.

Seit Wochen leisten sich die Republikaner eine Provokation nach der anderen dem eigenen Präsidenten gegenüber. Sie luden Benjamin Netanjahu ein, am 3. März eine Rede vor beiden Häusern des Kongresses zu halten, wohl wissend, daß der israelische Premierminister den Auftritt dazu benutzen würde, um die Strategie von Obama und dessen Außenminister John Kerry bei den Atomverhandlungen zwischen der P5+1-Gruppe - China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA plus Deutschland - und dem Iran in Grund und Boden zu verdammen. Aus diesem Grund ist Joseph Biden, der als Vizepräsident auch Vorsitzender des Senats ist, zusammen mit zahlreichen demokratischen Politikern der Rede Netanjahus demonstrativ ferngeblieben. Im Anschluß an die Rede hat Nancy Pelosi, die seit 1987 dem Repräsentantenhaus angehört und von 2007 bis 2011 dessen Sprecherin gewesen ist, die hysterischen Warnungen des israelischen Regierungschefs als "Beleidigung der Intelligenz des amerikanischen Volkes" bezeichnet.

Dessen ungeachtet haben nur eine Woche später 47 von derzeit 54 republikanischen Senatoren in einem offenen Brief an Ajatollah Ali Khamenei, den Obersten Geistlichen des Irans, damit gedroht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ein eventuelles Abkommen zwischen der Obama-Regierung und Teheran zu torpedieren. Initiator der Aktion war der 37jährige Tom Cotton, der im vergangenen November erstmals in den Senat gewählt worden war. Der Jungblut-Politiker aus Arkansas traut sich die spektakuläre Einmischung in die internationale Politik nur deshalb zu, weil er die zionistische Lobby hinter sich weiß. Cotton gilt als Protégé von William Kristol, einem bekannten Anführer der einflußreichen US-Neokonservativen, dessen Emergency Committee on Israel die Bewerbung des politischen Neulings um den Senatssitz im vergangenen Herbst mit einer halben Million Dollar unterstützt hatte.

Weil der große staatsmännische Auftritt in Washington für Netanjahu und seine Likud-Partei nicht den erhofften Sprung in den Umfragen brachte, hat der israelische Premierminister am Vorabend sowie am Tag der Knessetwahlen in Israel am 17. März durch rassistische und extrem undiplomatische Äußerungen die konservativen Wähler doch noch an die Urne getrieben. Wörtlich sagte Netanjahu, der mit dem forcierten Siedlungsbau im besetzten Westjordanland die Bemühungen der USA um den Nahost-Friedensprozeß seit Jahren zunichte macht, unter ihm als Premierminister würde es "niemals" einen palästinensischen Staat geben. Des weiteren behauptete er, die arabischen Bürger würden "in Scharen" in die Wahllokale strömen, die jüdische Verfaßtheit des Staates Israel sei deshalb in existentieller Gefahr. Angesichts derlei populistischer Rhetorik läßt sich gut nachvollziehen, warum die US-Regierung auffällig kühl auf den Wahlsieg Netanjahus reagiert hat und ihrerseits offen überlegt, bei UN-Abstimmungen in der Nahost-Problematik eine distanziertere Haltung gegenüber Israel einzunehmen.

Doch selbst solche vorsichtige Kritik des Weißen Hauses am Wahlkampfverhalten Netanjahus bauschen die Republikaner zum Dolchstoß am israelischen Verbündeten auf. In einem Live-Interview am 22. März in der allsonntäglichen CNN-Politrunde "State of the Union" beleidigte John McCain, derzeit republikanischer Vorsitzender des Verteidigungausschusses, Obama schwer, indem er ihn dazu aufforderte, seinen angeblichen "Tobsuchtsanfall" wegen des Ausgangs der Knessetwahl fallenzulassen und die Zusammenarbeit mit Netanjahu wieder aufzunehmen. Für den Fall, daß die Obama-Administration kein Veto gegen eine UN-Resolution zur Gründung eines palästinensischen Staates einlegen sollte, drohte McCain mit einer vom Kongreß verhängten Beendigung der Teilnahme der USA an der Finanzierung der Vereinten Nationen. Nicht Netanjahu sei Amerikas Problem im Nahen Osten, sondern diese Ehre gebühre der "Terrormiliz" Islamischer Staat und dem Iran, so McCain, der in jeder Situation stets zu allererst für die Anwendung von US-Militärgewalt eintritt.

Die Veröffentlichung des umfangreichen, gut ausrecherchierten Artikels, "Israel Spied on Iran Nuclear Talks With U.S", durch das Wall Street Journal am 23. März online und am 24. März in der Druckausgabe dürfte für eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen Washington und Tel Aviv sorgen. Besonders frappant an der Enthüllung ist nicht der Nachweis, daß Israel die laufenden Verhandlungen im Atomstreit ausspionierte, sondern die Tatsache, daß die Israelis unter der Leitung von ihrem Botschafter in Washington, Ron Dermer, mit den gewonnenen Informationen - auch in verzerrt dargestellter Form - zu den Republikanern im Kongreß gelaufen sind, um diese in ihrem Widerstand gegen ein mögliches Abkommen mit Teheran zu stärken. Botschafter Dermer war es auch, der kurz nach der Jahreswende mit John Boehner, dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, am State Department in Washington vorbei die Einladung an Netanjahu zum Auftritt vor beiden Häusern des Kongresses ausgeklüngelt hatte.

Im WSJ-Artikel wird die Befürchtung geäußert, Israel könnte über das Ziel hinausgeschossen sein, weil die diplomatisch-geheimdienstliche Trickserei bei Kongreßabgeordneten und Senatoren der Demokraten für Irritationen sorge, deren Stimmen zusätzlich erforderlich wären, um im Kongreß den drohenden Iran-Deal Obamas aufzuhalten. Doch die Sorge der Freunde Israels in den USA scheint unbegründet zu sein. In einem offenen Brief an das Weiße Haus, der dem der 47 republikanischen Senatoren stark ähnelt und am 23. März veröffentlicht wurde, hat der außenpolitische Ausschuß des Repräsentantenhauses damit gedroht, eine Aufhebung der US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu blockieren. Unterzeichnet wurde der Brief an Obama von 367 Kongreßabgeordneten. Mit Hilfe von nicht wenigen demokratischen Abgeordneten haben die Republikaner, die nur über 245 von 435 Kongreßsitzen verfügen, offenbar eine Zweidrittelmehrheit zustande gebracht, mit der sie sich einem Veto des Präsidenten widersetzen können.

24. März 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang