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USA/1368: Obama bezwingt die Iranophoben im Kongreß (SB)


Obama bezwingt die Iranophoben im Kongreß

Republikaner verlieren die Schlacht um das Atomabkommen mit Teheran


Nach sechs Wochen erbitterten Machtkampfs zwischen dem republikanisch dominierten Kongreß und dem demokratisch besetzten Weißen Haus, der nicht einmal während der parlamentarischen Sommerferien an Heftigkeit verlor, hat sich Barack Obama in der Frage der am 14. Juli in Genf getroffenen Vereinbarung zur Beilegung des Atomstreits mit dem Iran durchgesetzt. Inzwischen steht fest, daß die oppositionellen Republikaner, die sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat über eine absolute Mehrheit verfügen, am 17. September nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für ihre Resolution zur Ablehnung des Abkommens werden aufbringen können, um sich über das Veto des Präsidenten hinwegzusetzen. Bis zum 2. September hatten 34 von 44 demokratischen Senatoren öffentlich ihre Unterstützung für den Kurs Obamas in der Iran-Frage verkündet. Damit sind die Republikaner und mit ihnen die mächtige Israel-Lobby, die auf Drängen Benjamin Netanjahus die sich abzeichnende Versöhnung zwischen Washington und Teheran zum Kniefall vor dem Bösen aufgebauscht hatten, grandios gescheitert.

Da stellt sich die Frage, ob die republikanischen Kriegsfalken und die Zionisten ihren Einfluß in Washington überschätzt haben. Allen Umfragen zufolge befürwortet eine deutliche Mehrheit der US-Bürger trotz der ständigen Verteuflung der Führung in Teheran als Mullah-Kratie durch die US-Medien die Umsetzung des Iran-Abkommens. Bei demokratischen Wählern und jüdischen Bürgern ist die Mehrheit der Befürworter besonders groß. Nur die republikanischen Wähler, von denen viele ihre Informationen über das Ausland hauptsächlich vom hurrahpatriotischen Nachrichtensender Fox News zu erhalten scheinen, sind mehrheitlich gegen die Ratifizierung des Vertrages. Dessen ungeachtet haben das mächtige American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) und ihm assoziierte Gruppen wie Citizens for a Nuclear Free Iran (CNFI) mit einer gigantischen, mehr als 30 Millionen Dollar teuren Kampagne einschließlich entsprechender Fernsehspots Stimmung gegen die Ratifizierung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) gemacht, der das iranische Atomprogramm ausschließlich auf zivile Zwecke auf mindestens 15 Jahre hinaus festlegt und Teheran die Option einer militärischen Nutzung von radioaktivem Material verbaut.

Die Angriffe auf Obama und der Versuch, das Iran-Abkommen als Verrat an Israel und Beschwichtigung gegenüber den angeblichen Hauptförderern des "internationalen Terrorismus", nämlich der iranischen Führung, zu brandmarken, haben ihr Ziel verfehlt. Je mehr führende Vertreter der früheren Regierung des Republikaners George W. Bush wie Dick Cheney, Paul Wolfowitz und John Bolton in Presse und Rundfunk gegen den JCPOA zu Felde zogen, umso mehr wurden Amerikas Bürger daran erinnert, wie diese Leute sie 2002 und 2003 mit überzogenen Gruselgeschichten über die Gefährlichkeit Saddam Husseins belogen und im Irak einen Krieg entfesselten, der bis heute anhält und die ganze Region Nahost in einen Malstrom der Gewalt verwandelt.

In der rhetorischen Auseinandersetzung hat Präsident Obama zum ersten Mal seine bekannte Zurückhaltung aufgegeben. Bei einer aufsehenerregenden Rede am 5. August an der American University in Washington hat Obama klargestellt, daß die fehlende Ratizifierung des JCPOA durch Washington die USA zwangsläufig in einen verheerenden Krieg mit dem Iran führen würde. Bei einem Auftritt am 24. August in Las Vegas hat er die neokonservativen Gegner des Abkommens unumwunden als die "Irren" abgetan. Das war eine unzweideutige Anspielung auf die berühmte Episode, als 2004 der damalige US-Außenminister, Ex-Generalstabschef Colin Powell, gegenüber Tony Blairs Foreign Secretary Jack Straw die neokonservativen Kollegen in der Bush-Regierung als die "fucking crazies" bezeichnete und ihnen damit die geistige Zurechnungsfähigkeit absprach.

Gleichzeitig hat Obama bei jeder Gelegenheit die Verbundenheit der USA mit Israel unterstrichen und somit das Argument seines Hauptkontrahenten Netanjahu, das Abkommen eröffne dem Iran den Weg zur Atombombe und setze den jüdischen Staat einer "existentiellen Bedrohung" aus, entkräftet. Um seinen Worten Taten folgen zu lassen, hat Obama eine Aufstockung der US-Militärhilfe für Israel von drei auf 3,5 Milliarden Dollar pro Jahr angekündigt. Dazu gehört auch die Ausrüstung der israelischen Luftwaffe mit einer Staffel des modernsten Kampfjets der USA, des superteuren F-35 Lightning II von Lockheed Martin. Mit diesen und ähnlichen Schritten würden die USA dafür sorgen, daß Israel als Militärmacht dem Iran gegenüber auf Jahrzehnte hinaus überlegen bleibe, so Obama Anfang September im Interview für die jüdisch-amerikanische Wochenzeitung The Forward.

Nach der Entscheidung im Disput innerhalb der außenpolitischen Elite Amerikas um das Für und Wider des Iran-Abkommens steht der Ratifizierung durch die Gruppe P5+1 - die fünf ständigen UN-Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA plus Deutschland - und durch das iranische Parlament eigentlich nichts mehr im Weg. Im Iran hat die Oberste Geistlichkeit in Person von Großajatollah Ali Khamenei dem Vertrag seinen Segen gegeben, Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammad Javad Sharif für ihre diplomatischen Bemühungen gelobt und damit die persischen Kriegsfalken zum Verstummen gebracht.

Nach der verlorenen Schlacht will sich der neokonservative Klüngel in Washington jedoch nicht geschlagen geben. Wie Jim Lobe, der ehemalige Leiter des Washingtoner Büros der Nachrichtenagentur Inter Press Service, am 3. September auf seinem Blog Lobelog.com berichtete, bereitet AIPAC inzwischen eine Ergänzung zur geplanten Ablehnungsresolution vor, welche die Aufhebung bestehender Sanktionen gegenüber dem Iran erschwert und die Verhängung von neuen bei etwaigen künftigen Verstößen gegen den JCPOA erleichtern soll. Bei AIPAC geht man davon aus, die meisten Kongreßabgeordneten und Senatoren für diese Zusatzresolution, welche die von Obama beabsichtige Beendigung des Kalten Krieges zwischen den USA und dem Iran erheblich erschweren soll, gewinnen zu können.

4. September 2015


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