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USA/1377: Email-Affäre bringt Hillary Clinton in Bedrängnis (SB)


Email-Affäre bringt Hillary Clinton in Bedrängnis

Nicht nur Donald Trump steht der zweiten Clinton-Regentschaft im Weg


Politisch stehen Hillary Clinton und der Verwirklichung ihres Traums, erste Präsidentin der USA zu werden, nur noch der parteiinterne Rivale Bernie Sanders und der Republikaner Donald Trump im Weg. Nach der letzten großen Vorwahl in Kalifornien in Juni dürfte sie Sanders, den selbsternannten "demokratischen Sozialisten" aus Vermont, endgültig abgehängt haben und als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten feststehen. Mit der Unterstützung der großen Gewerkschaften, der Wall-Street-Banken sowie der Mehrheit der weiblichen, schwarzen und liberalen Wähler dürfte es ihr auch nicht allzu schwer fallen, den Republikaner Trump, der mit seinen Machosprüchen hauptsächlich weiße Männer der Mittel- und Unterschicht anspricht, bei der eigentlichen Präsidentenwahl am 8. November zu besiegen. Juristisch dagegen sehen die Dinge weniger rosig aus. Tatsächlich geht derzeit von der Email-Affäre die größte Gefahr für Clintons Präsidentschaftsambitionen aus.

Seit Frühjahr 2015 ist bekannt, daß Clinton während ihrer Zeit als Chefdiplomatin der USA ihren gesamten beruflichen Emailverkehr nicht, wie amtlich vorgeschrieben, über ein Konto im eigenen Ministerium - www.state.gov -, sondern zusammen mit ihren privaten, elektronischen Kommunikationen über einen Server an ihrem Wohnsitz in Chappaqua in Bundesstaat New York - clintonemail.com - abwickelte. Seit über einem Jahr ermittelt das FBI wegen des Verdachts des Verstoßes gegen mehrere Gesetze zum Schutz der nationalen Sicherheit gegen die ehemalige Senatorin aus New York. Anfang 2016 hat Bryan Pagliano, der als IT-Koordinator von Clintons Präsidentschaftskampagne 2008 die Website clintonemail.com eingerichtet und sie 2009 im Auftrag der frischgebackenen Außenministerin der Regierung Barack Obamas auch noch für den Dienstverkehr gangbar gemacht hatte, einen Deal mit dem FBI abgeschlossen. Gegen rechtliche Immunität für sich selbst sollte Pagliano gegenüber der Bundespolizei alle Einzelheiten auf den Tisch packen.

Im Wahlkampf versucht Clinton die Email-Affäre als unbedeutende Geschichte, die von ihren Feinden hochgespielt wird, abzutun. Sie verhält sich so, als hätte sie nichts verbrochen, schlimmstenfalls einige bürokratische Formfehler begangen, und als wäre das eigentliche Problem eine nachträgliche Aufwertung der Sicherheitseinstufung jener Emails, die sie zwischen 2009 und 2013 als US-Außenministerin erhalten und verschickt hat. Dagegen steht fest, daß Clinton gleich am ersten Arbeitstag im State Department unterrichtet wurde, daß die Verwendung eines privaten Servers und eines privaten Emailkontos für den Empfang und Versand von Regierungsdokumenten streng verboten ist, und sie sich nicht daran gehalt hat. Insgesamt lagerten zuletzt auf dem Server der Clintons mehr als 30.000 Emails - was eine ungeheure Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA darstellte.

In einem am 4. Mai ausgestrahlten Interview mit dem konservativen Nachrichtensender Fox News behauptete der bulgarische "Superhacker" Marcel Lehel Lazar, auch Guccifer genannt, daß die Nutzer von rund zehn anderen ausländischen IP-Adressen auf dem Server Clintons unterwegs waren, als er sich Anfang 2013 auf elektronischen Wege den Zugang dorthin verschaffte. Durch die Veröffentlichung von Emails von Sidney Blumenthal, dem engsten Berater Bill Clintons während dessen Zeit im Weißen Haus, der seitdem auch ein enger Vertrauter Hillarys ist, hat Guccifer 2013 quasi die ganze Affäre ins Rollen gebracht. Vor wenigen Wochen wurde Lazar, der bereits 2014 wegen diverser Hackerangriffe auf Computersysteme des bulgarischen Geheimdienstes in seiner Heimat zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, an die USA ausgeliefert. Derzeit sitzt er in Untersuchungshaft in Alexandria, Virginia.

Die Person, die in den US-Medien die juristischen Verwicklungen in diesem Fall bisher am engsten verfolgt und für interessierte Laien am besten analysiert hat, ist der pensionierte Bundesrichter Andrew Napolitano. In einem Artikel, der am 5. Mai auf der Website antiwar.com unter der Überschrift "Hillary's Secret Weapon" erschienen ist, hat Napolitano die erstmalige Intervention Bill Clintons in der Affäre, nämlich bei einem Wahlkampfauftritt zugunsten seiner Gattin am 30. April, mit einer überaus bedeutenden Entwicklung vom Tage davor in Zusammenhang gebracht. Napolitano führte den durchsichtigen Versuch des Ex-Präsidenten, die Vorwürfe gegen seiner Frau und Möchtegern-Nachfolgerin als Lappalie abzutun, auf die erstmalige Bekanntgabe zurück, daß es sich hier um eine "strafrechtliche Ermittlung" handelt. Mit jener Formalbegründung hatte am 29. April das FBI vor Gericht Widerspruch gegen den Antrag des Investigativjournalisten und VICE-News-Mitarbeiters Jason Leopold nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf Freigabe der Inhalte der Emails, die Hillary Clinton vor der Übergabe ihres Servers an das FBI zu löschen versucht hatte, sowie von Kommunikationen zwischen ihr und dem Justizministerium eingelegt.

Nach Informationen von Napolitano, der sich auf eigene Quellen im US-Justizapparat beruft, sollen die Beweise für die Schuld Clintons "erdrückend" sein. Die mit dem Fall befaßten FBI-Ermittler sollen voller Zuversicht sein, daß die bisher erbrachten Beweise sowohl für eine Anklage als auch für eine Verurteilung mehr als ausreichen. Die Entscheidung, ob es zur Anklage kommt oder nicht, liegt natürlich bei Justizministerin Loretta Lynch. Allen Beteuerungen bezüglich der Unabhängigkeit der amerikanischen Justiz zum Trotz ist es jedoch unwahrscheinlich, daß Präsident Obama grünes Licht für einen solch spektakulären Schritt geben wird. Sollte also, wie erwartet, Obama bis November seine schützende Hand über die demokratische Parteikollegin halten, ist Hillary Clintons Präsidentschaftskandidatur trotzdem von der Email-Affäre akut gefährdet. Bei einer Blockade des regulären juristischen Wegs ist davon auszugehen, daß mit dem Fall vertraute, frustrierte FBI-Ermittler pikante Details an die Presse durchsickern lassen werden, was der ehemaligen First Lady die Wahl doch noch kosten könnte.

6. Mai 2016


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