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USA/1397: Hysterie der Kriegstreiber um Rußlands "Hackerangriffe" (SB)


Hysterie der Kriegstreiber um Rußlands "Hackerangriffe"

Team Hillary Clinton will Donald Trumps Détente mit Moskau torpedieren


In den USA hätte der Kampf um die Präsidentschaft mit der Wahl am 8. November eigentlich sein Ende finden müssen. Dem ist aber leider nicht so. Die Anhänger der Verliererin Hillary Clinton wollen sich mit der Niederlage der ehemaligen First Lady und Außenministerin nicht abfinden. Sie appellieren an die Wahlmänner, die am 19. Dezember zusammenkommen, um den Nachfolger Barack Obamas zu bestimmen, anstelle des eigentlichen Siegers Donald Trump die Gattin Bill Clintons zum neuen Staatsoberhaupt zu wählen. Begründet wird der Appell mit der abstrusen Behauptung, der Republikaner Trump habe seinen Sieg russischen "Hackerangriffen" gegen die gegnerische Partei der Demokraten zu verdanken. Diese These wird von den amerikanischen Mainstream-Medien, allen voran der New York Times und der Washington Post, stark verbreitet. Trump hat die Verschwörungstheorie des "liberalen" Clinton-Lagers mehrmals als Nonsens abgetan, worauf der designierte US-Präsident am 15. Dezember in einem Leitartikel der New York Times als "nützlicher Idiot" Moskaus bezeichnet wurde.

Zweifelohne hat die über Monate laufende Diskussion um korrupte Praktiken bei der Clinton Stiftung während Hillarys Zeit als Obamas Chefdiplomatin - vor allem bei der Genehmigung gigantischer Rüstungsgeschäfte mit autokratischen Staaten wie Saudi-Arabien, was Spenden in Millionenhöhe einbrachte - sowie um Hillarys illegale Abwicklung ihres kompletten privaten und beruflichen Email-Verkehrs in dieser Zeit über einen Server im Keller ihres New Yorker Privathauses zum Überraschungssieg Trumps beigetragen. Hinzu kamen Veröffentlichungen der Enthüllungsplattform Wikileaks, wonach im vergangenen Frühjahr der Vorstand der demokratischen Partei die Vorwahlen manipuliert hatte, um Clinton in jener Phase den Sieg gegen linken Senator aus Vermont, Bernie Sanders, der damals mit seiner Vision eines "demokratischen Sozialismus" Millionen von jungen Menschen begeisterte, zu bescheren. Um vom Inhalt der Wikileaks-Enthüllungen, nämlich von der dreisten Manipulation der Vorwahlen, abzulenken, hat sich das Team Hillary auf eine perfide PR-Strategie versteift. Demnach hätte Wikileaks die entsprechenden Emails der Democratic National Committee (DNC) von den Russen bekommen; die ganze Geschichte sei ein Angriff des Kreml-Chefs und Ex-KGB-Manns Wladimir Putin auf Clinton, weil nur sie unter den Präsidentschaftsbewerbern bereit sei, dem "autokratischen" russischen Präsidenten die Stirn zu bieten und die "freie Welt" zu verteidigen.

Je näher der Tag der Zusammenkunft der Wahlmänner rückt, um so eifriger bemühen sich die Gewährsleute Clintons in Politik und Medien, die Legende um die vermeintliche Vereitelung des amerikanischen Volkswillens durch die bösen Russen zu verbreiten. Vor einigen Tagen haben sogar Vertreter der CIA die Mitglieder der Geheimdienstausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat über ihre Erkenntnisse bezüglich des russischen Hackerangriffs gegen das DNC informiert. Es gibt nur das Problem, daß es sich hier nicht um Erkenntnisse im eigentlichen Sinne handelt, sondern lediglich um "Schlußfolgerungen", die auf "Indizien" beruhen.

Für den großen "Hackerangriff" Rußlands gegen das DNC, den Putin persönlich im Auftrag gegeben haben soll, fehlt bis heute jeder stichhaltiger Beweis. Darüber hinaus steht die CIA mit ihrer Version der Ereignisse ziemlich allein da. FBI, Bundespolizei und Inlandsgeheimdienst sowie der Director of National Intelligence, James Clapper, Leiter aller 17 US-Geheimdienste, weigern sich bislang, der Argumentationskette der CIA zu folgen. Die Uneinigkeit bei den eigenen Geheimdiensten hat Präsident Obama trotzdem nicht daran gehindert, in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender NPR am 15. Dezember Rußland mit amerikanischen Cyber-Angriffen - die wohlgemerkt leicht einen regelrechten Krieg der beiden Atommächte auslösen könnten - mit Vergeltung zu drohen. Damit ist Obama zum Ende seiner Präsidentschaft doch noch auf die Linie der Kriegstreiberfraktion eingeschwenkt, die auf einer Konfrontation der USA mit Rußland beharren: Entweder soll Clinton doch noch ins Weiße Haus gehievt werden oder Trumps Handlungsoptionen gegenüber Moskau werden so limitiert, daß nur noch der Kriegskurs übrigbleibt.

Die Vehemenz, mit der die liberal-interventionistischen Demokraten und die neokonservativen Republikaner den russischen "Hackerangriff" medial hochspielen, soll offenbar die breite Öffentlichkeit davon ablenken, daß es auch eine andere Erklärung dafür gibt, woher Wikileaks das Email-Material bekommen haben könnte. In einem offenen, an Obama gerichteten Brief, der am 12. Dezember unter der Überschrift "US Intel Vets Dispute Russia Hacking Claims" bei Consortiumnews.com erschienen ist, haben die friedensbewegten Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) die Dürftigkeit der bisherigen Vorwürfe an die Adresse Moskaus offengelegt. Jeder Hackerangriff auf die Rechner des DNC wäre der NSA aufgefallen und der von den elektronischen Einbrechern genommene Weg im Cyberspace rekonstruierbar; die Tatsache, daß der NSA offenbar solche Beweise nicht vorliegen, spricht dafür, daß die fraglichen Dokumente nicht per ausländischem Hackerangriff über Netz, sondern mittels eines Lecks durch einen Insider auf irgendeinem Datenträger an Wikileaks gelangt seien, so die VIPS-Autoren, darunter - wohlgemerkt - der ehemalige NSA-Chefkryptologe William Binney.

Und siehe da: Am 15. Dezember ist bei der britischen Zeitung Daily Mail ein Interview erschienen, in dem der Ex-Diplomat Craig Murray, ein Freund von Julian Assange, erklärte, er habe im September an einem konspirativen Treffen teilgenommen, das in einem Waldstück in der Nähe der US-Hauptstadt Washington stattfand und bei dem die fraglichen DNC-Daten übergeben wurden. Murray ist glaubwürdig, weil integer. 2004 wurde er als britischer Botschafter in Taschkent gefeuert, nachdem er sich bei seinen Vorgesetzten in London lautstark und wiederholt darüber beschwert hatte, daß unschuldige Menschen von den Behörden in Usbekistan gefoltert würden - einige von ihnen sogar zu Tode -, um gegenüber dem Westen Einsatz im "globalen Antiterrorkrieg" vorzutäuschen.

Laut Murray stammen die peinlichen DNC-Emails von einem Mitarbeiter der Demokraten, der von den Machenschaften gegenüber Bernie Sanders sowie den Umtrieben bei der Clinton-Stiftung "angewidert" gewesen ist. Im Interview mit Sean Hannity in dessen Sendung beim US-Nachrichtensender Fox News hat Assange am 15. Dezember bestätigt, daß das DNC-Material von einem Bürger der USA stammt, sich gleichzeitig geweigert, die Identität der Person preiszugeben. Es kursieren Gerüchte, wonach es sich bei der Wikileaks-Quelle um den 27jährigen DNC-Mitarbeiter Seth Rich, der am 10. Juli aus von der Polizei bislang ungeklärten Gründen auf offener Straße in der Nähe seiner Wohnung in Washington von einem Unbekannten erschossen wurde, handelt.

18. Dezember 2016


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