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USA/1405: Antirußlandkampagne - hysterisch und gefährlich ... (SB)


Antirußlandkampagne - hysterisch und gefährlich ...


Mit der Anklageerhebung gegen dreizehn russische Staatsbürger wegen des Verdachts der versuchten Manipulation der US-Präsidentenwahl 2016 am 16. Februar hat die hysterisch anmutende "Russiagate"-Affäre ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Denn was hier auf den ersten Blick wie ein handfester Skandal um russische Umtriebe gegen die USA erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als großangelegte Propagandakampagne, mit der die amerikanische Bevölkerung für einen Krieg gegen Rußland in Stimmung gebracht werden soll. Bis heute haben die Russophoben in Washington, angeführt vom Vietnamkriegsveteranen und republikanischen Senator John McCain, nicht verwunden, daß ihre Favoritin bei der Präsidentschaftswahl, die demokratische Kandidatin und ehemalige Außenministerin Hillary Clinton, die in der Vergangenheit den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Adolf Hitler verglichen und ihn bezichtigt hatte, er wolle die Sowjetunion wiederauferstehen lassen, nicht gewonnen hat.

Angefangen hat Russiagate, als Ende Juli 2016 Wikileaks Tausende interner Emails des Democratic National Commmittee (DNC) veröffentlichte, aus denen klar hervorging, daß der Vorstand der Partei die Vorwahlen manipuliert hatte, um Clinton die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin zu sichern und die Bewerbung ihres schärfsten Konkurrenten, des linken Senators aus Vermont, Bernie Sanders, zu torpedieren. Sofort stimmten Clintons Wahlkampfteam, befreundete ehemalige Militärs und Geheimdienstler sowie die großen Konzernmedien in den Aufschrei ein, Wikileaks habe die DNC-Emails vom russischen Geheimdienst erhalten, der sie seinerseits per Hackerangriff erbeutet habe.

Bis heute gibt es keinen einzigen Beweis für diese These. Rußland bestreitet, irgend etwas mit der Angelegenheit zu tun zu haben. Der in der Botschaft Ecuadors in London sitzende Wikileaks-Chef Julian Assange behauptet, die Daten von einem anonymen DNC-Mitarbeiter, der über den offensichtlichen Betrug an Sanders und dessen Anhängern empört war, auf einem USB-Stick übermittelt bekommen zu haben. Eine endgültige Klärung der Frage, wie die DNC-Daten entwendet wurden, wird es wahrscheinlich niemals geben, denn das FBI hat aus unerklärlichen Gründen bis heute darauf verzichtet, den fraglichen Server von den eigenen Technikern untersuchen zu lassen, sondern sich voll und ganz auf die Angaben von CrowdStrike, der vom DNC beauftragten Sicherheitsfirma, verlassen.

Statt dessen hat das FBI - nachdem es seine Ermittlungen gegen Clinton wegen der illegalen Verwendung eines privaten Servers zur Abwicklung ihres dienstlichen Emailverkehrs als Außenministerin wegen angeblicher Nichtigkeit eingestellt hatte - als Informanten den ehemaligen britischen Geheimdienstagenten Robert Steele angeheuert, der bis dahin im Auftrag der Demokraten Schmutzgeschichten aus Rußland über Trump gesammelt hatte. Ungeachtet der Fragwürdigkeit der Gerüchtesammlung des Ex-MI6-Agenten Steele hat die Spitze von FBI und Justizministerium sie genutzt, um im Herbst 2016 beim Sondergericht FISC eine Genehmigung zur elektronischen Rundumüberwachung von Carter Page, einem minderbedeutenden Angehörigen des Trumpschen Wahlkampfteams, zu erwirken. Wegen der unzulässigen Überwachung des Trump Tower in den letzten Monaten des Präsidentenwahlkampfs 2016 und danach, die Anfang Februar bekannt geworden ist, droht Ex-FBI-Chef James Comey und einigen seiner engsten Mitarbeiter eine Anklage wegen unerlaubter Wahlkampfhilfe für die Demokraten.

Die Brisanz der jüngsten Enthüllungen über die unsägliche Allianz zwischen dem DNC, dem Wahlkampfteam Clintons und deren Wasserträgern bei der damals noch amtierenden Regierung Barack Obamas erklärt die ungeheure Energie, mit der Trumps politische Gegner die Anklageerhebung gegen die dreizehn Russen zum endgültigen Beweis für die Existenz eines perfiden Komplotts des Kremls aufbauschen. Man muß sich an dieser Stelle nur die Dürftigkeit des Ergebnisses der Recherchearbeit des FBI und des Sonderermittlers, Ex-FBI-Chef Robert Mueller, vor Augen führen. Nach mehr als einem Jahr Ermittlungen gibt es weder einen Beleg für einen russischen Hackerangriff auf das DNC - den Ausgangspunkt der gesamten Scharade - noch für Kontakte zwischen Vertrauensleuten des Kremls und irgendeinem Wahlkampfmitarbeiter Trumps oder dem republikanischen Kandidaten selbst. Der vermeintliche Durchbruch bei den Russiagate-Ermittlungen läuft auf den Vorwurf hinaus, Russen hätten über die sozialen Medien Nachrichten lanciert, welche die USA im allgemeinen und Hillary Clinton im besonderen in ein schlechtes Licht setzten.

Die sogenannte "Troll-Farm" bei Sankt Petersburg namens Internet Research Agency beschäftigte 80 Menschen und hat ab 2014 für rund 1,2 Millionen Dollar im Monat reguläre englischsprachige Nachrichten etwa von der Washington Post oder CNN und keine "Fake News" bei Facebook, Twitter und Instagram verbreitet. Zum Vergleich haben Clinton und Trump für ihre beiden Wahlkampfkampagnen 2016 zusammen 2,65 Milliarden Dollar ausgegeben. Hinzu kommt, daß die Internet Research Agency, deren Inhaber Jewgenij Prigozin einst Chef in Putins Lieblingsrestaurant gewesen ist und danach Catering-Aufträge von einigen staatlichen russischen Stellen erhielt, ihre Arbeit bereits 2014 aufgenommen hat - also zu einem Zeitpunkt, als Donald Trump noch nicht einmal den Entschluß gefaßt hatte, um die Präsidentschaft zu kandidieren. Dies erklärt, warum bei der Veröffentlichung der Anklageerhebung der Stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein die Beschuldigten nicht der Wahlmanipulation, sondern lediglich des Versuchs, "Zwietracht im politischen System der USA zu säen", bezichtigt hat.

Prigozin hat sich gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Novowsti über die Anklageerhebung lustig gemacht. Wenn ihn die Amerikaner für den "Teufel" erklären wollten, sollten sie es ruhig tun, sagte er. Auch Steve Bannon, 2016 Trumps wichtigster Wahlkampfberater, hat sich vom Vorstoß des US-Justizministeriums wenig beeindruckt gezeigt. Am 19. Februar wurde der ehemalige Breitbart-Herausgeber in der New York Times mit den Worten zitiert: "Den Sieg [Trumps - Anm. d. SB-Red.] jemandem anderen einschließlich dieser 13 Russen zuzuschreiben bedeutet, den einfachen Amerikanern die Macht, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden, abzusprechen. Die Bedauerlichen [das Wort, mit dem Clinton im Wahlkampf die potentiellen Trump-Wähler beschrieben und damit beleidigt hatte - Anm. d. SB-Red.] haben Besseres verdient."

Dessen ungeachtet gerät in den US-Medien die Hysterie um die unzulässige Einmischung des Kremls und die anhaltende Weigerung Trumps, auf die Propagandalinie des "tiefen Staats" einzuschwenken, außer Kontrolle. McCain, der Ende 2017 mittels seiner guten Kontakte zu britischen Geheimdienstkreisen selbst dafür sorgte, daß das berüchtigte Steele-Dossier über Trump publik wurde, spricht von einer "Kriegserklärung" des Kremls und verlangt entsprechende Vergeltungsmaßnahmen gegen Rußland. Thomas Friedman, Amerikas einflußreichster Kolumnist, hat in einem Beitrag für die New York Times am 19. Februar Trump wegen dessen Unwillen, die russische Gefahr zu erkennen bzw. anzuerkennen, als "größte aktuelle Bedrohung" der amerikanischen Demokratie bezeichnet und den Stand der politischen Krise in Washington mit einem wirklich drastischen Begriff der Militärs, "code red", charakterisiert. Vor dem Hintergrund, daß das Pentagon Anfang Februar in der neuen Nuclear Posture Review (NPR) den Hackerangriff eines verfeindeten Staats in die Liste möglicher Anlässe für einen atomaren Vergeltungsschlag aufgenommen hat, kann man nur hoffen, daß sich die Gemüter am Potomac bald wieder beruhigen.

20. Februar 2018


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