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USA/1412: Washington - innere Zerreißprobe ... (SB)


Washington - innere Zerreißprobe ...


Ungeachtet aller stehenden Ovationen, die dem ehemaligen norwegischen Premierminister Jens Stoltenberg bei seinem Auftritt vor beiden Häusern des US-Kongresses am 3. April zuteil wurde, wächst in Washington der Widerstand gegen jenen kostspieligen Dauerkrieg, in den sich Amerikas Streitkräfte seit 2001 vornehmlich unter dem Vorwand der "Terrorbekämpfung" in zahlreichen Ländern Asiens und Afrikas wie Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und Somalia verstrickt haben. Auffällig bei der allerersten Rede eines NATO-Generalsekretärs vor versammeltem Repräsentantenhaus und Senat war, daß die Kongreßabgeordnete Tulsi Gabbard demonstrativ sitzen blieb und sich nicht an der Jubelorgie für den europäischen Verbündeten beteiligte.

Die 37jährige Kongreßabgeordnete aus Hawaii bewirbt sich um die Nominierung zur demokratischen Kandidatin bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr und zwar als ausgesprochene Pazifistin. Gabbards wichtigste Wahlbotschaft ist ihr kategorisches Nein zum militärischen Interventionismus. Sie will alle US-Truppen aus Syrien abziehen und die Spannungen zu Rußland und China abbauen. Das durch eine Beendigung des Militarismus eingesparte Geld will sie in erneuerbare Energien investieren, die marode Infrastruktur Amerikas einer Generalüberholung unterziehen sowie die kränkelnden Bildungs- und Gesundheitssysteme auf Vordermann bringen. Aufgrund der eigenen Erfahrung beim Militär - als Sanitäterin der Nationalgarde von Hawaii diente sie 2004 bis 2005 in einer Kampfzone im Irak und 2008 bis 2009 in Kuwait - genießt Gabbard in militärischen Belangen hohe Glaubwürdigkeit und wäre für Demokraten und Republikaner wählbar. Deshalb stand sie als mögliche US-Außenministerin zur Debatte, als zur Jahreswende 2016/2017 der frischgewählte Präsident Donald Trump sein Kabinett zusammenstellte, und wurde deshalb von dem New Yorker Baulöwen zu einem Bewerbungsgespräch in den Trump Tower eingeladen.

Aktuell sind die beiden Kriege, die in den USA für den meisten politischen Gesprächsstoff sorgen, die in Syrien und im Jemen. Zuletzt wollte Trump alle amerikanischen Streitkräfte aus Syrien angesichts der erfolgreichen Niederschlagung des Kalifats der "Terrormiliz" Islamischer Staat abziehen, wurde an diesem Vorhaben jedoch von den Globalstrategen im US-Sicherheitsapparat gehindert. Das Pentagon, die republikanische Mehrheit im Senat, Außenminister Mike Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton haben durchgesetzt, daß mehrere hundert US-Soldaten im Osten Syriens bleiben, um auf ein Wiedererstarken des IS reagieren, vor allem aber um "den Einfluß des Irans" zurückdrängen zu können. Durch die Besetzung dieser Region, in der die wichtigsten Ölfelder Syriens liegen, wollen die USA zudem Damaskus zu Zugeständnissen zwingen und vielleicht doch noch den Rücktritt von Präsident Baschar Al Assad herbeiführen.

Im Jemen unterstützen die USA einerseits seit 2015 Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate im Kampf gegen die schiitischen Huthi-Rebellen, andererseits versucht die CIA dort seit 2002 mittels Drohnenangriffen Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) auszurotten, treibt ihr damit jedoch angesichts der zahlreichen Opfer unter der Zivilbevölkerung im Gegenteil Menschen zu. Seit Monaten gibt es deshalb im Washingtoner Kongreß eine Initiative, die US-Militärhilfe für den Krieg im Jemen einzustellen, ohne die Armeen Riads und Abu Dhabis dort ihre Segel streichen müßten. Eine entsprechende Resolution wurde im März vom Senat mit großer Mehrheit verabschiedet. Am 4. April hat das Repräsentantenhaus mit 247 zu 175 Stimmen bei einer Enthaltung für einen gleichlautenden Gesetzentwurf votiert. Leider steht zu befürchten, daß Trump in der Angelegenheit von seinem präsidialen Veto Gebrauch machen wird, um die Saudis und Emirater weiterhin im Jemen gewähren zu lassen. Schließlich verdient die US-Rüstungsindustrie an dem Massenschlachten im Armenhaus Arabiens Dollarsummen in Milliardenhöhe.

Bereits am 3. April hat eine überparteiliche Koalition aus linken Demokraten und libertären Republikanern im Kongreß in einem offenem Brief Trump dazu aufgefordert, an seinem geplanten Abzug der US-Streitkräfte aus Syrien festzuhalten und ihn gegen allen Widerstand der Kriegslobby durchzusetzen. Unterzeichnet wurde der Brief unter anderem von den Republikanern im Senat und Repräsentantenhaus Rand Paul aus Kentucky und Justin Amash aus Michigan sowie den Vertretern des neuen linken Flügels bei der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus - Ilhan Omar aus Minnesota, Ro Khanna aus Kalifornien und Alexandria Ocasio-Cortez aus New York. In dem Brief argumentieren die Verfasser, daß die Entsendung amerikanischer Streitkräfte 2015 nach Syrien damals vom Kongreß nicht abgesegnet wurde und deshalb gegen die US-Verfassung sowie gegen die War Powers Resolution von 1973 verstößt.

Ilan Omar, seit Januar eine der beiden ersten Musliminnen im Kongreß, hat in den letzten Wochen durch offene Kritik am politischen Einfluß der zionistischen Lobby eine lebhafte Debatte um die einseitige Parteinahme der USA für Israel im Nahost-Konflikt mit den Palästinensern ausgelöst. Octavio-Cortez, mit 29 Jahren die jüngste Kongreßabgeordnete aller Zeiten, macht mit ihrem Eintreten für einen ökologischen Umbau der amerikanischen Wirtschaft ebenfalls von sich reden. Trump macht sich seit Tagen über Octavio Cortez' Entwurf eines "Green New Deal" lustig, tut die junge Latina als "die ehemalige Kellnerin" ab. Der Donald sollte den demokratischen "Sozialisten" vielleicht mehr Respekt entgegenbringen, denn bekanntlich kommt der Hochmut vor dem Fall.

8. April 2019


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