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BERICHT/294: Es geht ums Ganze - wenn's doch nur absurd wäre ... (SB)


Versammlungen hält die Polizei für eine Gefahr. Nicht sie und damit das Grundgesetz zu schützen, sondern einzuschränken und zu behindern ist polizeilicher Alltag.
Frank Laubenburg vom Ensemble "Mein Einsatzleiter" aus Düsseldorf [1]


Dialog zwischen Versammlungsleiter und Polizistinnen:

"Können Sie mir sagen, welchen Weg ich nehmen muß, um zur Demo zu kommen?"
"Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich komme nicht aus Düsseldorf."
"Das haben mir die drei anderen auch gesagt. Es muß ja irgendeinen Weg geben, um zu der Kundgebung zu kommen."
"Versuchen Sie es mal eine Straße weiter."
"Da ist dann nicht abgesperrt?"
"Da müssen Sie schauen, wenn Sie an der Straße sind."

"Guten Morgen. Ich bin der Versammlungsleiter von 'Düsseldorf stellt sich quer' und bin mit meinem Einsatzleiter verabredet. Komme ich hier zu meiner Kundgebung?"
"Sie möchten zu den Gegnern?"
"Zu den Antifaschisten."
"Nein, dann können Sie hier nicht durch!"
"Also, ich bin da verabredet, ich bin der Versammlungsleiter und muß pünktlich sein."
"Ja, wenn Sie nicht genügend Zeit einplanen, können Sie mich doch nicht dafür verantwortlich machen!"
"Dann sagen Sie mir doch bitte jetzt, wie ich zu der Kundgebung komme."
"Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich komm nicht aus Düsseldorf."
"Ja, das hör ich die ganze Zeit. Es muß doch einen Weg geben. Sie sind doch hier auch, um unsere Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Ich muß doch anreisen können."
"Ja, schaun wir mal hier auf den Plan. Es steht drauf, wo wahrscheinlich nicht abgesperrt ist."
"Ja, es sind ja nur noch drei Minuten. Danke."
"Ja, wenn Sie nicht genügend Zeit einplanen, ich tue hier nur meine Pflicht."

Dialog zwischen Versammlungsleiter und Einsatzleiter:

"Morgen. Sind Sie der Einsatzleiter? Ich bin heute der Versammlungsleiter."
"Sie sind acht Minuten zu spät. Ich werde Sie anzeigen!"
"Äh ..."


Auf der Bühne - Foto: © 2017 by Schattenblick

Versammlungsleiter und Einsatzleiter
Foto: © 2017 by Schattenblick

Realsatire, gespeist aus originaler Quelle

Die Aktivistinnen und Aktivisten von "Düsseldorf stellt sich quer" waren in den letzten Monaten und Jahren immer wieder auf der Straße, insbesondere wenn Neonazis marschieren wollten. Dabei kam es zwangsläufig zu Situationen, in denen sie mit der Polizei kommunizieren mußten. Im Rahmen dieser Kooperation blieben Konfliktlinien nicht aus. Aus diesen Erfahrungen speist sich ein Stück politischen Kabaretts. Unter dem Motto "Mein Einsatzleiter - Ein Vormittag mit der Polizei" werden skurrile Dialoge, rechtswidrige Auflagen und höchst merkwürdige Anweisungen präsentiert, deren Originaltexte von der Polizei kostenlos geliefert wurden.

Auf die Bühne gebracht wird das Stück von Frank Laubenburg und dem Ensemble "Mein Einsatzleiter" aus Düsseldorf seit 2015, fortlaufend ergänzt durch neue Episoden, solange die Polizei weiteren Stoff dazu bereitstellt. Laubenburg ist seit über 30 Jahren in der politischen Linken und in der Schwulenbewegung aktiv. Von 1999 bis 2014 gehörte er der Fraktion Die Linke im Düsseldorfer Stadtrat an. Als Anmelder von Demonstrationen hielt er Gespräche mit der Polizei fest, die er nun mit sichtlichem Genuß in Szene setzt. Unterstützt von der Sängerin und Schauspielerin Anna Conrads, die zwei Lieder von Georg Kreisler vortrug, und dem Anwalt Jasper Prigge, der in seinen "Interludes" den juristischen Sachverhalt erläuterte, eröffnete das Ensemble "Mein Einsatzleiter" auf höchst erfrischende und erheiternde Weise den Kongreß "Demonstrationsrecht verteidigen!" am 7. Oktober 2017 in der Düsseldorfer Volkshochschule.


Auf der Bühne und Publikum - Foto: © 2017 by Schattenblick

Rechtskommentator Jasper Prigge
Foto: © 2017 by Schattenblick

Einschränkungen des Versammlungsrechts sind Programm

Wie Jasper Prigge ausführte, sei die im Dialog angedrohte Anzeige kein Witz. Es habe tatsächlich Strafanzeigen gegen Versammlungsleiter gegeben, weil sie wenige Minuten zu spät zu ihrer Kundgebung kamen. Melde man eine solche Versammlung an, verfüge die Polizei verschiedene Auflagen, die in der Anmeldebestätigung enthalten sind. Diese umfasse normalerweise drei, vier, fünf Seiten, bei "Düsseldorf stellt sich quer" seien es jedoch gleich zehn bis fünfzehn gewesen, aber jede Woche dieselben. Der Versammlungsleiter habe sich den Text genau durchgelesen und beispielsweise in einem Fall entdeckt, daß die Versammlungszeit eine Stunde vorverlegt worden war, ohne daß ihm das mündlich mitgeteilt worden wäre. Man könne spekulieren, wie das passieren kann, aber eines sei sicher: Wäre er zur normalen Zeit gekommen, hätte ihn eine Anzeige erwartet.


Auf der Bühne am Tisch - Foto: © 2017 by Schattenblick

Versammlungsleiter und Polizeidirektor
Foto: © 2017 by Schattenblick

Kooperationsgespräch im Präsidium:

"Hallo, guten Tag."
"Schönen guten Tag, bitte nehmen Sie Platz. Willkommen zum Kooperationsgespräch für die von Ihnen angemeldete Kundgebung. Ich darf Ihnen kurz vorstellen, wer heute von seiten der Polizei am Gespräch teilnimmt. Wir kennen uns ja schon, ich bin Polizeidirektor Willkür. Neben mir das ist Frau Tiefenberg und Herr Müller von der Versammlungsstelle, der Herr Lüder, Praktikant bei der Versammlungsstelle, Herr Jürgen und Herr Meier von der Polizeiinspektion Mitte, Frau Regierungsrätin Mittig, auch von der Versammlungsstelle, Herr Schmidt von der Gefahrenabwehr, Herr Schulz von der Verkehrsabteilung und Frau Reiter vom polizeilichen Staatsschutz."
"Guten Morgen zusammen."
"Guten Morgen."
"Ja, ich habe Ihre Anmeldung vorliegen. Sie melden hier eine Kundgebung vor der Konzernzentrale von Rheinmetall in Düsseldorf an. Veranstalter ist die Aktionskonferenz gegen G7, das Motto lautet 'Stoppen wir G7!', verantwortlicher Leiter vor Ort werden Sie sein. Hauptbestandteil der Kundgebung soll ein Aktions- und Blockadetraining sein. Als Hilfsmittel werden zudem Transparente und Megaphon zum Einsatz kommen. Also Sie wollen da Blockaden trainieren gegen den Gipfel in Elmau, hier vor der Konzernzentrale?"
"Es ist ein rechtlich gestattet bei Naziaufmärschen, Blockadetrainings sind ja vollkommen zulässig."
"Ja, Moment, Moment, Moment. Also das hier ist ja was ganz anderes. Das ist eine staatliche Veranstaltung."
"Ja stimmt, nicht?"
"Aus dem Grund muß ich die Demobeschränkungen bestätigen. Sie erhalten von uns folgende Beschränkungen:
1) Das Trainieren sowie die Durchführung von Vorbereitungsaktionen von strafbaren Handlungen in jedweder Form werden Ihnen und Ihren Versammlungsteilnehmern und -teilnehmerinnen hiermit untersagt.
2) Jegliche Aufforderung, die auf die Blockade oder Verhinderung des bevorstehenden G7-Gipfels gerichtet sind, werden Ihnen und Ihren Versammlungsteilnehmern und -teilnehmerinnen hiermit untersagt."
"Aber Sie können nicht verhindern, daß ich den Gipfel verhindern will. Also das ist eine zulässige Meinungsäußerung."
"Der Gipfel ist eine staatliche Veranstaltung. Die muß geschützt werden!"
"Die Versammlungsfreiheit muß geschützt werden. Also, wissen Sie, mir liegt ja immer sehr das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit am Herzen und ich finde, daß es unnötig ist, immer alles ..."
"Wenn Sie meinen."

Jasper Prigge zufolge waren diese Auflagen rechtswidrig, ein Aufruf zur Verhinderung des G7-Gipfels sei natürlich erlaubt. Im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht habe man unter anderem geltend gemacht, daß das Wort "verhindern" nicht allein die physische Einwirkung, sondern jegliches Handeln umfasse. So versuche das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen, den Aufbau eines Protestcamps des Aktionsbündnisses "Stoppt G7!" auf dem Rechtsweg zu verhindern. Nach der Auflage der Antragsgegnerin dürfte nicht einmal zur politischen Verhinderung des G7-Gipfels aufgerufen werden. Den Veranstaltern wäre es gemäß der Auflage damit verboten, die Umstehenden aufzurufen, eine Online-Petition zu unterschreiben, welche die Bundesregierung zur Absage des Gipfels bewegen will. Das Gericht habe dem Antrag stattgegeben, die nächste Demo konnte stattfinden.


Mitten im Publikum - Foto: © 2017 by Schattenblick

Zivilbeamtin und Versammlungsleiter
Foto: © 2017 by Schattenblick

Dialog zwischen Versammlungsleiter und Zivilbeamtin:

Demoleitung per Megaphon: "Zuerst unsere Auflage an die Polizei: Die An- und Abreise zu einer Kundgebung ist grundgesetzlich genauso geschützt wie die Versammlung selbst. Deshalb fordern wir Sie auf, die Durchgänge zu der Kundgebung freizuhalten und zu ermöglichen, daß jederzeit noch jemand dazukommen kann und daß auch jederzeit jeder gehen kann.
Zweite Auflage: Paragraph 12 des Versammlungsgesetzes schreibt vor, daß Zivilbeamte, die in eine Kundgebung entsandt werden, sich dem Versammlungsleiter gegenüber unaufgefordert vorzustellen haben. Ich bin heute der Versammlungsleiter, bei mir war bislang kein Beamter. Sind hier Zivilbeamte anwesend?
Guten Morgen, darf ich fragen, wer Sie sind?"
"Mein Name ist (murmelt), ich bin hier als Zivilbeamtin."
"Ja, ich bin der Versammlungsleiter. Sie haben sich mir nicht zu erkennen gegeben."
"Das geht aber zu weit, jetzt reicht's!"
"Wie, jetzt reicht's? Paragraph 12 Versammlungsgesetz. Sie haben sich zu erkennen zu geben."
"Sie haben diesen Paragraphen noch nie genannt, jetzt kommen Sie auf einmal damit an."
"Wie, ich habe ihn noch nie genannt? Was meinen Sie damit? Waren Sie denn schon auf den anderen Kundgebungen?"
"Ich war in den letzten Monaten immer dabei, und nie haben Sie diesen Paragraphen genannt. Und jetzt auf einmal!"
"Das heißt, Sie haben sich nie von sich aus vorgestellt, obwohl Sie dazu verpflichtet sind, und haben an unseren Kundgebungen teilgenommen. Sie haben an allen Kundgebungen wirklich teilgenommen als Zivilbeamtin?"
"Letzten Monat war ich nicht da, da hatte ich frei."
"Das wird Konsequenzen haben. Also das geht nicht, daß Sie sich nicht vorstellen. Ich bin als Versammlungsleiter dazu aufgerufen und schlage vor, daß Sie sich vor den Polizeiwagen dort hinten stellen. Sagen Sie mir nochmal Ihren Namen?"
"(murmelt)"

Jasper Prigge: Paragraph 12 des Versammlungsgesetzes sage ganz klar, daß sich Polizeibeamte, die in eine Versammlung entsandt werden, dem Versammlungsleiter unaufgefordert zu erkennen zu geben haben. Andernfalls könne die Polizei, die inkognito vor Ort ist, den Sinn des Gesetzes aushebeln, daß man als Teilnehmer einer Versammlung nicht überwacht wird. Die Polizei könne das Recht brechen, dagegen könne man in der konkreten Situation lediglich protestieren. Zwar könne man sich hinterher gerichtlich dagegen wehren, was auch einen gewissen Sinn habe, aber in der Situation selbst habe die Polizei die Macht, das durchzusetzen, was sie für richtig hält.


Auf der Bühne - Foto: © 2017 by Schattenblick

Versammlungsleiter, Anwalt, Protokollführerin, Einsatzleiter
Foto: © 2017 by Schattenblick

Dialog zwischen Versammlungsleiter samt Anwalt und Einsatzleiter samt Protokollführerin:

"Guten Tag, Herr Löhe, sind Sie heute der Einsatzleiter?"
"Ich bin der Einsatzleiter. Und Sie?"
"Ich bin der Versammlungsleiter."
"Guten Tag. Zu Beginn möchte ich Ihnen mitteilen, daß an mich herangetragen wurde, daß Sie beim letzten Mal Gespräche mit ihrem polizeilichen Ansprechpartner mit ihrem Handy aufgezeichnet und Protokolle davon auf Facebook veröffentlicht haben. Sie dürfen das nicht, das ist eine Straftat!"
"Bitte, was soll ich? Kommst du mal! Mein Rechtsanwalt. Können Sie noch einmal wiederholen, was Sie gerade gesagt haben?"
"Ich habe gesagt, daß Sie Gespräche nicht mit dem Handy aufzeichnen dürfen."
"Nein, das haben Sie nicht gesagt! Sie haben etwas anderes gesagt."
"Ich habe gesagt, daß es wohl beim letzten Mal Protokolle bei Facebook gab, die alle lesen konnten, und den Hinweis gegeben, daß Sie Gespräche mit mir nicht aufzeichnen dürfen."
"Sie haben mir keinen Hinweis gegeben, Sie haben mich einer Straftat bezichtigt."
"Es gab doch diese Protokolle auf Facebook, und ich habe Ihnen lediglich den rechtlichen Hinweis gegeben, daß Sie Gespräche mit mir nicht aufzeichnen dürfen. (Zur Protokollführerin:) Sie schreiben hier doch so schön mit, können Sie mir vielleicht einmal sagen, was Sie notiert haben. Dann können wir ja vielleicht klären, wer hier was gesagt hat."
Protokollführerin: "Natürlich habe ich alles mitgeschrieben. Hier steht es: 'Der polizeiliche Ansprechpartner spricht den Versammlungsleiter an. Beide unterhalten sich."
Anwalt: "Vielleicht sollten Sie nächstes Mal die Gespräche mit meinem Mandanten mit dem Handy aufzeichnen, dann würde man wenigstens etwas wissen."
"Dann wissen wir jetzt, was gesprochen wurde und was nicht."
"Das hat keinen Sinn so. Ich hätte gern einen polizeilichen Ansprechpartner, der sich nach zwei Minuten noch daran erinnert, was er gesagt hat. Klären Sie das bitte mit dem Präsidium, daß hier ein Beamter steht, der weiß, was er sagt und was er tut."
[...] "Die Polizei kann Ihnen keinen anderen Ansprechpartner zur Verfügung stellen."
"Ich muß mich jetzt um meine Kundgebung kümmern."

"Warten Sie mal einen Moment. Sie haben doch gerade eine Ordnerbinde ausgegeben. Da können Sie mir doch sicherlich die Personalien der Ordner mitteilen."
"Nein, kann ich nicht! Warum?"
"Sie müssen mir die Namen der Ordner mitteilen!"
"Nein, dafür gibt es überhaupt keine Rechtsgrundlage. Brauchen Sie nicht."
Polizistin: "Aber wir müssen doch die Zuverlässigkeit und Eignung der Personen prüfen aufgrund der Personalien."
"Nein."
Einsatzleiter: "Wir benötigen die Personalien."
"Nein, Sie benötigen eine Rechtsgrundlage. Die gibt es nicht. Das einzige, was ich tun muß, ist die Zahl der Versammlungsteilnehmer zu ermitteln. Dann kann ich Ihnen die Zahl mitteilen. [...] Die Personalien muß ich Ihnen nicht geben."

"Ich habe gerade einen Anruf bekommen. Wir haben Dezibelmessungen durchgeführt und kamen auf einen durchschnittlichen Wert von 80,4 Dezibel. Das ist zu laut. Erlaubt sind nur 70."
"Wo haben Sie das gemessen?"
"Ich wollte Ihnen auch nur das Ergebnis mitteilen."
Polizistin: "Wir haben gemessen dort vor dem Hotel."
"Aber das bringt's doch nicht, wenn Sie irgendwo messen." [...] "Aber wir haben hier an der Absperrung gemessen, da war es auch zu laut."
"Wo an der Absperrung haben Sie gemessen?"
"Direkt hier."
"Das habe ich gesehen. Sie haben sich direkt zwischen die Nazikundgebung und unsere Kundgebung entlang einer befahrenen Straße gestellt und dort Ihre Schallmessungen durchgeführt. Für die habe ich aber keine Auflage. Ich bin nicht verantwortlich für den Straßenverkehr, ich bin nicht verantwortlich für irgendwelches Pfeifen oder Rufen, die Lärmmessungen beziehen sich doch ausschließlich darauf, welchen Lärm mein Lautsprecherwagen macht."
Einsatzleiter: "Es war zu laut. Ich wollte Ihnen auch nur das Ergebnis mitteilen."
"Damit kann ich nichts anfangen. Das sind alles Störungsversuche. Wie gesagt, wir sind ja alle Terroristen."


Unter dem Regenschirm - Foto: © 2017 by Schattenblick

Anna Conrads singt Georg Kreisler
Foto: © 2017 by Schattenblick

Wir sind alle Terroristen (Georg Kreisler) [2]

Wir sind doch alle, alle, alle Terroristen.
Es lebt in ganz Deutschland kein Demokrat.
Wir sind Terroristen gegen die Frauen,
gegen die Kinder, die uns vertrauen,
aber nicht einer gegen den Staat.
[...]
Ja, wir sind alle, alle, alle Terroristen.
Wir nennen's nur anders - das ist es ja grad.
Doch wir sind Terroristen gegen das Leben,
gegen das Träumen, Lavieren und Schweben,
gegen die Dichter und gegen die Narren,
gegen die Sänger und ihre Gitarren,
gegen den Sex, gegen alles und nichts,
aber etwas gibt's immer, weil sonst wird's ja fad,
nur gegen eins nicht: gegen den Staat.


Schirm mit Grafik eines Stinkefingers - Foto: © 2017 by Schattenblick

Metakommunikation ...
Foto: © 2017 by Schattenblick

Dialog zwischen Einsatzleiter und Versammlungsleiter:

"Es gibt auf Ihrer Demonstration hier diese Regenschirme mit den aufgemalten Stinkefingern. Könnten Sie nicht wenigstens dafür Sorge tragen, daß Ihre Ordner diese Schirme nicht tragen?"
"Da sehe ich jetzt gar keinen Anlaß."
"Wir wollen ja nur verhindern, daß von Ihren Ordnern beleidigende Äußerungen ausgehen."
"Ach, nee, da sehe ich keine beleidigenden Äußerungen auf den Regenschirmen, Außerdem haben Ordner die gleichen Rechte wie normale Kundgebungsteilnehmer."
"Ich finde, das ist problematisch."
"Ich finde die nicht problematisch, ich finde die toll! Ist das jetzt eine polizeiliche Anweisung, daß meine Ordner und Ordnerinnen diese Regenschirme nicht tragen dürfen?"
"Also, es gibt ja noch so Dinge dazwischen."
"Wir können gern mal zusammen einen Kaffee trinken gehen und uns über das Dazwischen unterhalten, aber jetzt gerade sind Sie ja dienstlich hier und ich in dem Sinne ja auch. Da gibt's kein Dazwischen, da gibt es Rechtsgrundlagen. Ist das jetzt eine polizeiliche Anordnung oder ist es keine?"
"Also, wenn Sie so wollen, ist das eine polizeiliche Anweisung."
"Und kommt die von Ihnen oder von einem Vorgesetzten?"
"Die kommt von meiner Dienststelle."
"Dann protokollieren Sie mal, daß Sie die an mich weitergegeben haben und daß ich sie kenne und gesagt habe, daß ich der nicht Folge leisten werde."


Stehend im Gang - Foto: © 2017 by Schattenblick

Demonstrantin, Versammlungsleiter, Einsatzleiter
Foto: © 2017 by Schattenblick

Dialog zwischen Demonstrantin und Versammlungsleiter sowie Einsatzleiter und Polizistin:

Demonstrantin: "Die Beamtin da hat mich gerade, obwohl sie das überhaupt nicht darf, körperlich abgedrängt, damit ich hier keine Flugblätter verteile. Sie sagte, ich dürfte nur auf unserer Kundgebung verteilen, wo die Leute eh alle schon Bescheid wissen. Aber ich dürfte keine Informationen an Passanten geben, stimmt das? Das ist doch unverschämt!"
Versammlungsleiter: "Das ist völliger Unsinn. Können Sie das bitte mal klären mit dieser Beamtin?"
Einsatzleiter: "Was waren das denn für Flugblätter?"
Versammlungsleiter: "Ist doch völlig egal, was für welche das waren."
Demonstrantin: "Das war die Kollegin da vorne."
Einsatzleiter: "Hallo, Frau Kollegin, stimmt das?"
Polizistin: "Ja, das waren Flugblätter von 'Düsseldorf stellt sich quer'. Die können auf der Versammlung verteilt werden, aber nicht an Passanten auf der Straße."
Versammlungsleiter: "Sagen Sie mal, das ist ja unglaublich! Erste Stunde Polizeihochschule, ja? Das Verteilen von Flugblättern bedarf keiner Genehmigung und ist natürlich jederzeit möglich."
Polizistin: "Aber das sind doch Flugblätter von 'Düsseldorf stellt sich quer', die gehören auf die Versammlung."
Versammlungsleiter: "Nein, die werden jetzt einfach weiter verteilt, ja? Oder nicht?"
Einsatzleiter: "Ja, also, erstmal nicht. Solange das nicht geklärt ist, verteilt die Demonstrantin keine Flugblätter."
Versammlungsleiter: "Da gibt es eigentlich keine Rechtslage mehr zu klären, das ist ziemlich eindeutig. Aber wo wir gerade darüber sprechen, Sie haben hier alles abgegittert. Es war abgesprochen, daß es da einen Durchgang geben muß. Man kommt gar nicht auf die Kundgebung, wenn die Gitter vollständig zu sind. Ich hätte gern noch den Namen dieser Beamtin."
Einsatzleiter: "Das ist Polizeihauptkommissarin Bulle aus Recklinghausen."

(Versammlungsleiter: Wir haben die Namen verfremdet, sie hieß in Wirklichkeit nicht Bulle und war auch keine Frau. Aus Datenschutzgründen haben wir das geändert. In Wirklichkeit war es ein männlicher Polizist, und der hieß allen Ernstes Stier.)

"Die Teilnehmer an der Kundgebung können ja hier an der Seite an der Absperrung durchgehen."
"Aber wir beide hatten doch etwas anderes verabredet. Wer hat das denn veranlaßt, daß es jetzt doch wieder zu ist?"
"Das war derselbe Beamte, der auch gesagt hat, daß die Flugblätter nicht verteilt werden dürfen."
"Alles klar, dann gibt es zwei Dienstaufsichtsbeschwerden. Und da hinten steht ein Kamerawagen."
"Aber die Kamera ist doch gar nicht ausgefahren."
"Das ist vollkommen egal. Sie kennen die Urteile sämtlicher Oberlandesgerichte, ausgefahrene Kameras haben auf Kundgebungen nichts zu suchen, weil kein Demonstrant wissen kann ..."
"Wir haben sie ausgeschaltet."
"Das spielt keine Rolle, ob sie ausgeschaltet ist. Das ist nicht erkennbar, das beeinflußt Leute, die sich nicht trauen, auf die Kundgebung zu kommen. Können Sie mir die Personalien der Leute aus dem Kamerawagen geben?"
"Nein, das kann ich nicht. Ich weiß nicht, wer das ist."
"Ja, dann gehen Sie doch bitte hin und holen die Personalien."
"Aber jetzt fährt der Kamerawagen gerade weg."
"Das heißt, ich komme nicht mehr an die Personalien?"
"Nein."
"That's life."

Jasper Prigge: "Es gibt einige Evergreens von rechtlichen Anordnungen und Handlungsweisen der Polizei auf Versammlungen. Wir fangen mal von hinten an: Ein Kamerawagen, bei dem die Kamera ausgefahren ist und auf die Versammlung zeigt, ist nur gestattet, wenn eine konkrete Gefahrenlage vorliegt. Ansonsten ist das rechtswidrig. Auch daß Namen von Rednerinnen und Rednern, Ordnerinnen und Ordnern gefordert werden, passiert immer wieder, obwohl es dafür überhaupt keinen Anlaß gibt oder auch nur eine Auflage, die das verfügen würde. Zankapfel ist auch die Lautstärke, auch da muß man sagen, Messungen, die vor Ort durchgeführt werden, müssen natürlich so durchgeführt werden, daß man am Ende weiß, daß die Lautstärkeemissionen tatsächlich von dem Lautsprecherwagen stammen."


Auf der Bühne am Tisch - Foto: © 2017 by Schattenblick

Dienstbesprechung im Präsidium
Foto: © 2017 by Schattenblick

Dienstbesprechung im Präsidium:

"Zur Dienstbesprechung bitte! Wir brauchen noch eine Gefahrenanalyse, wir müssen dem Verwaltungsgericht klarmachen, wie gefährlich dieser Versammlungsleiter ist. Haben wir da irgend etwas vorliegen?"
"Ja, ich habe hier schon etwas aufgeschrieben."
"Dann lesen Sie mal vor."
"Verschiedene Äußerungen und Gesten des Versammlungsleiters gaben durchaus Anlaß zu der Annahme einer konkreten Gefährdung für die öffentliche Sicherheit durch strafbare Handlungen. So veröffentlichte der Versammlungsleiter auf seiner Facebook-Seite unter anderem ein Bild, auf welchem Demonstrationsteilnehmer ein Banner in der Hand halten, auf welchem zu lesen ist: 'Alle Rassisten sind Arschlöcher!'"
"Skandal! Skandal!"
"Das ist noch nicht alles: Auf einem weiteren Foto sind Versammlungsteilnehmer zu sehen, die den Mittelfinger in Richtung der Dügida-Demonstranten halten oder einen Regenschirm aufgespannt haben, auf dem ein Mittelfinger abgebildet ist."
"Das gefährdet doch eindeutig die öffentliche Sicherheit! Eindeutig."
"Ich habe Zeitung gelesen."
Alle: "Ach!"
"Dienstlich natürlich."
Alle: "Ach soo."
"Ich habe das mal zusammengefaßt: Darüber hinaus äußerte sich der Versammlungsleiter im Rahmen eines Interviews in der Tageszeitung junge Welt, das er auf seinem Blog veröffentlicht hat, wie folgt: 'Wir müssen uns in Düsseldorf nicht nur mit Dügida, sondern auch mit Rechtsbrüchen der Polizei auseinandersetzen.' Weiterhin sagte er: 'Ich gehe davon aus, daß es auf fast jeder linken Kundgebung Rechtsbrüche durch die Polizei gibt.'
"Das ist ungeheuerlich! Unglaublich!"
"Das geht noch weiter. Er sagt: 'Die Staatsanwaltschaft wird sich wie immer vor allem um Ermittlungen gegen unsere Leute kümmern. Insbesondere auf unsere Versammlungsleiter haben Polizei und Staatsanwaltschaft es dabei abgesehen. Fast alle haben Verfahren am Hals.' Die Überschrift des Interviews lautet: 'Das grenzt schon an organisierte Kriminalität'.
"Es ist unglaublich, was der sich erlaubt!"
"Ich fasse mal zusammen: Die Sachverhalte machen deutlich, daß im Rahmen der Versammlung und seitens des Versammlungsleiters kürzlich noch Äußerungen und Gesten getätigt wurden, bezüglich derer eine Strafbarkeit jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Das Zeigen des Mittelfingers in Richtung anderer Demonstranten ist durchaus geeignet, um eine Beleidigung im Sinne des Paragraphen 185 StGB zu erfüllen. Auch die Aussage, 'alle Rassisten sind Arschlöcher' könnte beleidigenden Charakter haben. Die Äußerungen im Rahmen des Interviews könnten ebenfalls den Tatbestand der Paragraphen 130 Volksverhetzung und 185 ff Beleidigung, üble Nachrede verwirklichen, werden die Düsseldorfer Polizei und Staatsanwaltschaft doch des Rechtsbruchs bezichtigt."
"Gute Arbeit!"

Jasper Prigge: "Das waren Originalzitate aus einem Schriftsatz der Düsseldorfer Polizei an das Verwaltungsgericht. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt, Artikel 5 des Grundgesetzes. Eine berühmte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betraf die Aussage 'Soldaten sind Mörder!'. Dügida stand vor einer Moschee und skandierte: 'Wir wollen keine Salafistenschweine!' oder las auf dem Klingelbrett die Namen von 'Volksschädlingen' vor. Auf dieser Seite passiert relativ wenig, was die Einschränkung der Meinungsfreiheit betrifft."

Versammlungsleiter: "Wobei es natürlich auch Polizisten gibt, die gesagt haben, daß sie Nazis nicht gut finden. Man darf da nicht so pauschal etwas gegen die Polizisten sagen, die haben ja einen schweren Job und tun ganz häufig nur ihre Pflicht, ohne daß sie selbst irgendwie geschützt wären. Das ist halt auch einfach ein Problem, oder? Da hätten wir doch was:"


Alle auf der Bühne - Foto: © 2017 by Schattenblick

Schlußchor
Foto: © 2017 by Schattenblick

Alle zusammen singen auf der Bühne "Schützen wir die Polizei!" (Georg Kreisler) [3]

Wir hab'n den Tierschutzverein, wir hab'n den Kinderschutz,
wir hab'n den Rentnerschutzverein, und der ist gar nichts nutz.
Wir haben außerdem den Mutterfreudenschutzverband
und einen Schutzverband fürs teure Vaterland.
Wir hab'n den Denkmalschutz, wir haben auch den Jugendschutz,
und einen Schutzverband, der schützen soll vor Schund und Schmutz.
Doch es gibt etwas, was man überhaupt nicht schützt.
Ich möchte hoffen, daß man mich da unterstützt:

Schützen wir die Polizei vor Verdruß und Schererei! [...] Schützen wir die Polizei!
Sie wär längst schon an der Reih'.
Manchmal läßt sie sich bestechen, und ich weiß ja, das ist trist,
doch wer schützt den Polizist? Ja, wer schützt den Polizist?
Und wer schützt ihn vor dem Schmerz,
wenn er pfeift und keiner hört's?
Oh, wir schützen jedes Tier, schützen Steuerhinterzieh'r,
schützen Volksdemokratien, schützen Schützenkompanien.
Jeden Tag sind wir beim Schützen frisch dabei,
schützet auch die Polizei!


Blick ins Publikum und auf Saalwand mit Transparenten - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] http://demonstrationsrecht-verteidigen.de

[2] http://www.songtexte.com/songtext/georg-kreisler-und-barbara-peters/wir-sind-alle-terroristen-43c21bf3.html

[3] http://www.songtexte.com/songtext/georg-kreisler/schutzen-wir-2bfc382a.html


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10. November 2017


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