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BERICHT/345: Diskurs - Basisgespräche links ... (SB)


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Habermas eine "Stimme der kritischen Vernunft, die weit über Deutschland hinaus in der ganzen Welt Gehör gefunden hat". Er sei ein "Aufklärer, der die Abgründe der Moderne durchmessen hat, ohne den bleibenden Anspruch einer Emanzipation des Menschen aufzugeben".
Glückwunschschreiben zum 90. Geburtstag am 18. Juni 2019 [1]


Auch im hohen Alter von 90 Jahren wird der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas noch immer auf produktive Weise seiner Funktion als Staatsphilosoph der Bundesrepublik gerecht. Als solchen würdigen ihn führende politische Repräsentanten und Feuilletonisten, hat sein Lebenswerk doch dazu beigetragen, den linksbürgerlichen Diskurs von allen radikaleren Anwandlungen freizuhalten und deren Umsetzung zu verhindern. Habermas hat sich im politischen Spektrum einmal als linker Sozialdemokrat verortet, was insofern durchaus zutrifft, als er die historische Rolle der Sozialdemokratie im Zuge seiner Karriere als wortgewandter Intellektueller geradezu personifiziert. Er setzte sich an die Spitze linksbürgerlicher Bestrebungen, um sie beizeiten auszubremsen, wo immer sie dezidiert antikapitalistische Positionen zu übernehmen drohten. Dieses Wechselspiel nötigte ihm zwangsläufig unablässige Windungen und Wendungen ab, deren roter Faden jedoch durchgängig eine staatstragende Formierung akademischer Ideologieproduktion blieb. Im Kontext der Spaltung und des Niedergangs der westdeutschen Linken kann man Habermas eine maßgebliche Beförderung dieses Prozesses attestieren.

Der Philosoph, Journalist und Kunstkritiker Hans Heinz Holz, der als Kommunist Professor für Philosophie in Marburg (1971-1979) und Groningen (1979-1997) war, kritisiert an der dezidiert antikommunistischen Frankfurter Schule um Adorno, Horkheimer und Marcuse, daß ihre Gesellschaftskritik stets bloße Kulturkritik war, welche die Eigentumsfrage und die Grundfragen der Macht ausblendete. Damit habe sie Intellektuelle angesprochen, aber keinerlei Verbindung zur Arbeiterklasse hergestellt. Das Muster der daraus hervorgegangenen Inkonsistenz sei Habermas, der alle paar Jahre seine philosophischen Auffassungen der jeweiligen Mode angepaßt habe - nie originell, aber im deutschsprachigen Raum immer zum ersten Mal. Diese Anpassungsfähigkeit sei charakteristisch für einen bestimmten Typus akademischer Intelligenz, der opportunistisch auf den Trend aufsattelt und sich rechtzeitig auf die Seite der Sieger schlägt. Habermas sympathisierte mit der Studentenbewegung, soweit sie die alten universitären Strukturen aufbrach, unter denen er selbst zu leiden hatte, wandte sich jedoch gegen sie, als gesellschaftsverändernde Tendenzen im Aufwind waren. [2]

Nach der Ermordung Benno Ohnesorgs und einer Aktionen fordernden Rede Rudi Dutschkes auf dem Kongreß in Hannover im Juni 1967 warnte er vor "rotlackierten Faschisten", womit er das Extremismuskonstrukt vorwegnahm, demzufolge links gleich rechts sei und staatlicherseits gleichermaßen bekämpft werden müsse. Er ruderte anschließend zurück, weil damals selbst Teile der bürgerlichen Presse dagegen Einspruch erhoben, doch war diese Äußerung letzten Endes kein Ausrutscher, da sie sich mit seiner generellen Ausrichtung deckte. Nach den Turbulenzen während des aktiven Streiks an der Frankfurter Universität im Winter 1968/69 inklusive der Besetzung des Soziologischen Seminars und des Instituts für Sozialforschung samt polizeilicher Räumung polemisierte Habermas gegen "die Scheinrevolution und ihre Kinder". Insbesondere die "Wahnvorstellungen" des "Agitators" Hans-Jürgen Krahl nahm er ins Visier, und auch den "Mentor", seinen Assistenten Oskar Negt, und den "Harlekin", nämlich Hans Magnus Enzensberger, sparte er nicht aus. Die Linke antwortete ihm, von Negt organisiert, mit einer geharnischten Replik. [3]

Ende Februar 1971 fand in Frankfurt/Main eine vom Institut für marxistische Studien und Forschungen veranstaltete Konferenz zum Thema "Die Frankfurter Schule im Lichte des Marxismus" statt, die sich mit der Kritischen Theorie und Habermas auseinandersetzte. [4] Wie damals herausgearbeitet wurde, gibt sich Habermas als Marx-Kritiker und zugleich als sein legitimer Erbe aus. Er negiert Marx' Kritik an den grundlegenden materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen im Kapitalismus und versucht, an ihn anzuknüpfen, wo er glaubt, mit seiner Hilfe kapitalistische Erscheinungsformen kritisieren zu können. Er registriert sehr genau die Degradierung der Persönlichkeit, die Verarmung der zwischenmenschlichen Beziehungen, den Abbau der Demokratie, die Unterwerfung von Wissenschaft und Kultur unter das Staatsinteresse und die Liquidierung der progressiven Traditionen des Bürgertums. Er begreift diese Entwicklung jedoch nicht als Ausdruck des dem Kapitalverhältnis immanenten Strebens zur allseitigen Herrschaft, sondern versucht, die Errungenschaften des Bürgertums mit der Entwicklung des kapitalistischen Systems zu versöhnen.

Seiner Meinung nach existiert der Klassengegensatz zwar noch, jedoch lediglich latent. Aus ihm ließe sich kein systemsprengender Konflikt mehr entfachen. Dafür gibt Habermas zwei Gründe an. Erstens sei es dem System gelungen, die Arbeiterklasse durch ökonomische Zugeständnisse zu korrumpieren, was durch ein Anwachsen der interventionistischen Staatstätigkeit und des Aufstiegs der Wissenschaft zur ersten Produktivkraft möglich geworden sei. Zweitens könne der Staat seine systemstabilisierende Rolle nur erfüllen, wenn die Bevölkerung entpolitisiert sei. Die Produktivkräfte übernähmen die Rolle einer Ideologie, indem ihr Fortschritt die privatisierten Konsumbedürfnisse befriedige. Dies mache es möglich, im angeblichen Interesse eines Sachzwangs des technischen Fortschritts demokratische Willensbildungsprozesse auszuschalten.

Dieser Entwicklung will Habermas mit einer Politisierung der Öffentlichkeit entgegentreten, um den Unterschied von technischen und gesellschaftlichen Problemen wieder zu Bewußtsein zu bringen. Träger und Subjekt einer solchen systemverändernden Ideologie könne nicht die angeblich korrumpierte Arbeiterklasse sein, sondern eine soziale Gruppe, die aufgrund ihrer privilegierten Stellung, ihres ohnehin vorhandenen materiellen Einflusses nicht mehr durch ökonomische Zugeständnisse zu korrumpieren sei, nämlich die Intellektuellen und vor allem die Studenten bürgerlicher Herkunft. Deren Mission sei es, auf der Grundlage des Grundgesetzes und in Zusammenarbeit mit den noch bestehenden bürgerlich-demokratischen Institutionen und Organisationen die Öffentlichkeit zu repolitisieren.

Habermas will Marx nicht verstehen

Die kapitalistische Gesellschaft habe sich im Zuge ihrer Entwicklung derart verändert, daß die Marxsche Gesellschaftstheorie nicht mehr gültig sei. Vor allem treffe das auf die Lehre vom Klassenkampf, vom Basis-Überbau-Verhältnis, auf die Wert- und Ideologietheorie zu, überhaupt könne die politische Ökonomie nicht mehr das Kernstück einer revolutionären Theorie sein. An ihre Stelle müsse Ideologiekritik treten. Damit kommt Habermas nicht über eine Beschreibung der ideologischen und moralischen Physiognomie des Kapitalismus hinaus und er erhebt die Ausklammerung der Produktionsverhältnisse in seiner Sozialphilosophie zur Methode. Mit seiner Reduktion auf einen bloßen Kampf der Ideen gibt er Erscheinungen des Überbaus für das eigentliche Soziale aus, das er aus den auf Technik und Wissenschaft eingeengten Produktivkräften direkt ableitet.

Habermas' Kardinalvorwurf gegen Marx lautet: Marx sei von einem automatischen Entwicklungszusammenhang zwischen technischem und gesellschaftlichem Fortschritt ausgegangen. Er habe gesellschaftliche Beziehungen auf produktionstechnische reduziert und aus letzteren hergeleitet. Da der gegenwärtige Kapitalismus aber gerade durch den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher und technischer Entwicklung gekennzeichnet sei, sei der von Marx angenommene Zusammenhang obsolet geworden. Da Marx aber keinesfalls einen automatischen Zusammenhang zwischen technischer und sozialer Entwicklung unterstellt hat, muß sich Habermas einer selektiven Zitation befleißigen, indem er Passagen aus dem Zusammenhang reißt. Marx begreift die gesellschaftliche Produktion als widersprüchliche Einheit von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften sowie von Ökonomie und Gesellschaft. Habermas setzt an die Stelle dessen die Auseinandersetzung eines als isoliert gedachten Individuums mit der Natur und hantiert in seiner Soziologie mit einem Begriff von ungesellschaftlicher Arbeit und Produktion. Wenn Habermas resümiert, Marx habe Unrecht, da die Produktivkraftentwicklung nicht notwendig mit der Befreiung von Knechtschaft und Erniedrigung konvergiere, da kein entwicklungsautomatischer Zusammenhang zwischen Arbeit und Interaktion bestehe, spiegelt dies seine unzulängliche Marx-Rezeption wider.

Während Habermas also für sich in Anspruch nimmt, Marx zu kritisieren und ihn weiterzuentwickeln, zeigt sich bei näherer Überprüfung, daß er ihn nicht verstanden hat und hinter ihn zurückfällt. Er möchte den Pessimismus und die Praxisferne eines Adorno überwinden, indem er die Kritische Theorie auf der "Höhe des gegenwärtigen Methodenbewußtseins und des Standes der analytischen Wissenschaften" erneuert. So integriert er in seine Gesellschaftstheorie eine Reihe von Ansätzen der bürgerlichen Philosophie, Soziologie und Psychologie und entwickelt Reformvorschläge. Bewußtseinsveränderung ist für ihn die einzig gebotene Strategie im Sinne einer massenhaften Aufklärung, mit der er die Öffentlichkeit repolitisieren möchte. Wie er behauptet, herrsche die spontane Naturwüchsigkeit kapitalistischer Verhältnisse durch die symbolischen Mittel des Geistes. Deshalb könne sie auch durch die Kraft der Reflexion bezwungen werden.

Dazu entwickelt Habermas die Strategie, den Kapitalismus von innen heraus, nämlich vermittels seiner eigenen Institutionen, aufzusprengen. So war sein zeitweiser Einfluß auf die Studentenbewegung vor allem darauf zurückzuführen, daß er dem Intellektuellen die führende Rolle im antimonopolistischen Kampf suggerierte. Er schloß zwar die Bedeutung der Arbeiterklasse nicht völlig aus, faßte sie aber lediglich als Objekt der von den intellektuellen Trägern der Kritischen Theorie zu entfaltenden Aufklärungsprozesse auf. Sein Vorteil gegenüber der offen systemkonformen bürgerlichen Sozialwissenschaft ist die Fähigkeit, vor allem die Kritik der Intelligenz zu binden, sie leerlaufen zu lassen und letztlich umzufunktionieren. Er adressiert seine Theorie an die Wissenschaft, empfiehlt sich aber zugleich als Berater der Politik im unmittelbaren Sinne nach amerikanischem Muster wie auch mit Blick auf eine allgemeine Befriedungsstrategie unter Einbeziehung linksbürgerlicher Bestrebungen.

Habermas ist mithin kein origineller Denker, der die soziologische Aushebelung kritischer Geisteswissenschaft, das Extremismuskonstrukt oder den Marsch durch die Institutionen erfunden hätte. Was ihn aber auszeichnet, ist sein Gespür, auf der Höhe jeweils aktueller gesellschaftlicher Kontroversen zu navigieren und aus Komponenten einander widersprechender theoretischer Ansätze ein Konglomerat zu kreieren, welches das sich aufbauende Spannungsverhältnis entschärft und den Bruch mit den herrschenden Verhältnissen entsorgt. Man muß die Frankfurter Schule nicht monokausal auf ein Geschöpf US-amerikanischer Strategien reduzieren, in Zeiten des Kalten Krieges die kommunistisch infizierte westdeutsche Linke von innen her ideologisch zu zersetzen, wenngleich es für diese These durchaus ernstzunehmende Anhaltspunkte gibt. Daß sich die Kritische Theorie in diesem Sinne instrumentalisieren ließ, verdankt sich indessen ihrem Ansatz, mit der zeitgeschichtlich unabweislichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem NS-Staat eine dezidierte Absage an eine revolutionäre Umwälzung zu verbinden. Das nach den Abgründen deutscher Geschichte erfrischend neu und unbelastet anmutende Konzept der Frankfurter Sozialforschung barg zugleich die Restauration der Klassengesellschaft in der jungen Bundesrepublik als vorgeblich emanzipatorischen Entwurf. Habermas erwies sich als legitimer Erbe der Frankfurter Schule, indem er Adornos Kulturpessimismus, daß nach dem Holocaust keine befreiende Philosophie mehr möglich sei, unter Einbeziehung seiner eklektizistisch verkürzten Marx-Rezeption in einen kulturalistischen Diskurs reformistischer intellektueller Eliten verwandelte.

Daß Habermas trotz zahlloser Dispute und Verwerfungen, die seinen Werdegang säumen, immer wieder auf die Füße gefallen und mit hochdotierten akademischen Posten, Auszeichnungen und Würdigungen seiner Verdienste bedacht worden ist, nimmt nicht wunder. Wenn er zugleich Andockstellen für emanzipatorische Entwürfe zu bieten scheint, verdankt sich diese Annahme derselben Quelle. Er hat die Grenzen konsensfähiger Theoriebildung lebenslang ausgelotet, so daß ihm der Fehltritt radikalen Widerspruchs nicht unterläuft. Zugleich bedient er die Verflachung des philosophischen Diskurses mit wohlfeilen Konstrukten, die allseitige Akzeptanz generieren, weil sie mit positiv konnotierten Begriffen der bürgerlichen Gesellschaft aufgeladen sind. Hatten ihm Kritiker schon Ende der 60er Jahre attestiert, die Entwicklung habe ihn überholt, so war Habermas doch nur um die nächste Ecke verschwunden, ehe man ihn festnageln konnte, um sich nach Maßgaben der Opportunität neu zu erfinden. Um den Jubilar bundesrepublikanischer Staatsphilosophie kritisch zu würdigen, empfiehlt sich daher eine Einschätzung seines Gesamtwerks im Kontext deutscher Ideologieproduktion. Dies dürfte dazu beitragen, trittsicher auch mit Teilaspekten seines umfangreichen Schaffens umzugehen.


Gesprächskreis vor Wand mit Plakat und Buchregal - Foto: © 2019 by Schattenblick

AG Kommunistische Politik von unten in Aktion
Foto: © 2019 by Schattenblick

Habermas - "Staatsphilosoph der BRD"?

Die Arbeitsgemeinschaft "Kommunistische Politik von unten" in der Partei Die Linke Schleswig-Holstein nahm den 90. Geburtstag von Jürgen Habermas zum Anlaß, um sich mit seiner Rolle als "Staatsphilosoph der BRD" auseinanderzusetzen. [5] Beim Treffen am 7. Juli im Parteibüro in Elmshorn ging es darum, sich kritisch mit seinem Nimbus eines frühen Verteidigers linker Bewegungen zu befassen und eine Einschätzung zu erarbeiten, was von seinen Ansätzen für nutzbar zu erachten und was zu verwerfen sei. Grundlage der Diskussion war insbesondere der Festvortrag "Zum Verhältnis von Moralität und Sittlichkeit", den Habermas am 19. Juni 2019 vor 3000 Gästen an der Goethe-Universität Frankfurt gehalten hat. [6]

Zum besseren Verständnis gab Helmut Lechner einen einleitenden Überblick über das Schaffen und die wichtigsten thematischen Schwerpunkte des Philosophen. Habermas werden etwa 750 Schriften zugeordnet, darunter "Strukturwandel der Öffentlichkeit", "Erkenntnis und Interesse" und "Technik und Wissenschaft als Ideologie", später dann sein Hauptwerk "Theorie des kommunikativen Handelns" (1981), der Historikerstreit 1986, die Kontroverse mit Luhmann, "Die Einbeziehung des anderen", seit 2001 ein verstärkter Bezug auf Religion in der Gesellschaft mit "Glauben und Wissen" oder "Naturalismus und Religion". Und er mischt sich seit langem in die Europadiskussion ein. Zwei Bände "Glauben und Wissen" folgen im Herbst 2019.

Drei Themen machen Habermas aus: Erkenntnisleitendes Interesse, herrschaftsfreier Diskurs und das unvollendete Projekt der Moderne. Erkenntnisleitendes Interesse gliedert er in drei Kategorien. Die menschliche Gattung habe drei Formen von Interesse: Das technische Interesse, über die Natur zu verfügen, wozu die empirisch-analytische Wissenschaft gehört. Die Hermeneutik, also Interpretation: Was bedeuten bestimmte Erfahrungen, die Menschen machen, für sie? Und die Emanzipation vom naturwüchsigen Zwang, also das soziologisch zu beschreibende Gebiet der Gesellschaft. Dazu gehört auch die Ideologiekritik. Habermas kritisiert den bürgerlichen deutschen Idealismus, übernimmt aber auch den Gedanken der Psychoanalyse und postuliert: Wir haben ein Interesse, frei und selbstbestimmt zu leben.

Im herrschaftsfreien Diskurs, den er auf die Französische Revolution bezieht, sind die Menschen gleich, frei und in der Lage, vernünftig miteinander zu kommunizieren. Den Verstand zu gebrauchen, ist Grundlage des Diskurses, niemand darf dem andern aufdrücken, was er zu denken hat. Das muß sich im Diskurs entwickeln, so sein normativer Anspruch.

Das unvollendete Projekt der Moderne beginnt mit Kant, dem Repräsentanten des aufstrebenden Bürgertums. Dieser konstatiert einen Fortschritt zu demokratischen Institutionen, die Vernunft übernimmt die führende Rolle im Völkerrecht in Gestalt von Verträgen und Vereinbarungen. Die Vereinten Nationen bezogen sich bei ihrer Gründung 1948 auf Kants "ewigen Frieden" als den Weg von Vereinbarungen, die den Krieg überflüssig machen. Kant sieht einen Fortschritt in der Natur und ebenso im Menschen, im Unterschied zur Religion, die ewig unveränderliche Werte postuliere.

Ganz anders Hegel, der in seiner "Philosophie des Rechts" wie auch in der "Phänomenologie des Geistes" vom Ende der Geschichte spricht. Er beschreibt in dialektischen Widersprüchen, wie sich die Gesellschaft entwickelt, und beschwört den Weltgeist, der sich in der Entwicklung der Völker und Nationen entfalte. "Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig." Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit, der preußische Staat als höchste Form gesellschaftlicher Entwicklung.

Marx ist in seiner Theorie geprägt vom Antagonismus. "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen" (Kommunistisches Manifest). Widersprüche treiben die Geschichte voran.

Habermas knüpft an alle drei Theorien an. Bei Kant an die Einheit von Vernunft und absoluter moralischer Verantwortung. Das Gewissen als Sitz der Vernunft, die einem sagt, was richtig ist. Kategorischer Imperativ: "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte." Die individuelle Verantwortung wird bei Kant als moralisches Zentrum definiert. Habermas greift bei Hegel den Gedanken des gesellschaftlichen Prozesses auf. Bei Hegel ist der Staat die selbstbewußte sittliche Instanz und Substanz in der Vereinigung von Familie und bürgerlicher Gesellschaft. Der Mensch ist als Gattung geboren in eine konkrete Gesellschaft, in der Sittlichkeit durch die Struktur des Staates repräsentiert wird. Von Marx übernimmt Habermas den Gedanken der kapitalistischen Ökonomie, die Probleme erzeugt. MEW 23: "Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen des Reichtums untergräbt, die Erde und den Arbeiter."

In "Einbeziehung des anderen" (1996) setzt er sich mit der Frage auseinander, wie sich ein politisches Gemeinwesen integriert. Worin besteht seine Identität? Wie lassen sich ausländische Mitbürger, Minderheiten, die BRD in den europäischen Zusammenhang und die Weltgemeinschaft integrieren? Was ist eine legitime, rechtsstaatlich organisierte Politik? Was ist ein moralisch gerechtfertigtes Gemeinwesen? Zitat: "Ich habe ein Gedankenmotiv und eine grundlegende Intuition. Diese geht auf religiöse Traditionen etwa der protestantischen oder der jüdischen Mystiker zurück. Der motivbildende Gedanke ist die Versöhnung der mit sich selber zerfallenden Moderne, die Vorstellung also, daß man ohne Preisgabe der Differenzierungen, die Moderne möglich gemacht haben, Formen des Zusammenlebens findet, in der wirklich Autonomie und Abhängigkeit ein befriedetes Verhältnis haben. Daß man aufrecht gehen kann in einer Gemeinsamkeit, die nicht die Fragwürdigkeit rückwärtsgewandter substantieller Gemeinschaftlichkeit an sich hat." Nachmetaphysisches Denken, also nicht abgeleitet von religiösen Maximen oder einer abstrakten Autorität, sondern aus sich selbst heraus begründet. "Moral läßt sich in einer metaphysischen Welt nicht mehr aus einem allseits selbstverständlichen Ethos schöpfen." Die kommunikative Vernunft ist der Weg.

Nach Habermas ist der Rechtsstaat in einer säkularen und pluralen Welt die einzig legitime politische Ordnung. Kommunikative Vernunft schafft die Grundsätze, über die wir uns verständigen müssen. Es ist die Bereitschaft, die Meinung des anderen zu hören, Meinungsverschiedenheiten gewaltfrei zu lösen und die Würde des Menschen unabhängig von seiner Meinung zu respektieren. Demokratisch muß ein Rechtsstaat sein, weil allein die Beteiligung der Bürger an den politischen Auseinandersetzungen die erforderliche gemeinsame Aussprache über das je zu Tuende gewährleistet. Die Einhaltung und Sicherung der Bedingungen für diesen Diskurs ist die höchste Norm, die man formulieren kann. Das Staatsverständnis deliberativer Demokratie bedeutet Diskurs, öffentliche Beratung, Teilhabe der Bürger. Ein Staat ist keine substantiell eigenständige Größe, sondern ein Prozeß, der durch den Willen und die Willensartikulation und die Diskussion der Bürger entsteht.

Für Ausländer fordert er eine offensive Einwanderungspolitik, die ihnen die Teilhabe ermöglicht. Von religiösen und ethnischen Minderheiten erwartet er die Bereitschaft zur Anwendung ihrer von der Verfassung verbrieften Rechte, bestreitet aber jedes Recht auf Separation. Er plädiert für eine schrittweise Abtretung des Nationalstaates zugunsten rechtsförmig organisierter internationaler Zusammenschlüsse. Selbst wenn die Nation irgendeine legitimierende Kraft hätte, bliebe sie unter den Bedingungen der Globalisierung ein veraltetes Modell. Europa müsse sich eine gemeinsame rechtsstaatliche Ordnung geben. Wenn eine normativ gerechtfertigte staatsbürgerliche Identität nur noch in der geteilten Mitwirkung am politischen Prozeß besteht, bedarf es für ein geeintes Europa nicht einer europäischen Volksgemeinschaft, sondern lediglich einer geteilten Praxis europäischer Staatsbürger. Wenn für die politische Identität die kulturelle oder religiöse Herkunft der Bürger keine tragende Rolle spielt, spricht nichts dagegen, den in Deutschland lebenden Ausländern die gleichen Teilnahmerechte einzuräumen wie den angestammten Deutschen. Um Partner im politischen Prozeß zu sein, bedarf es keiner Volksgenossenschaft, so die zentralen Postulate des Philosophen.

"Zum Verhältnis von Moralität und Sittlichkeit"

In seinem Vortrag greift Jürgen Habermas ein klassisches Thema der praktischen Philosophie auf, das in seinem Werk eine große Rolle spielt. Ausgehend von der Kontroverse zwischen Kant und Hegel sowie unter Einbeziehung von Marx stellt er die Frage, wie sich die Prinzipien moralischer und politischer Autonomie zu der "sittlichen" Realität historisch situierter Gemeinwesen verhalten. Er erinnert an Hegels Konzept der Sittlichkeit und an den Einwand, den Kant dagegen erheben kann. Aus dieser Diskussion resümiert er ein Zwischenergebnis, das er dann um die politisch wirksamen sozialen Machtverhältnisse anreichert, die Marx aufdeckt. Aus diesem kurvenreichen Diskurs ergeben sich abschließend die Gesichtspunkte, unter denen man auch eine aktuelle Herausforderung der Gegenwart vielleicht etwas besser verstehen könne.

Auch heute müsse eine staatliche Politik der Krisenvermeidung, die für ausreichende Verwertungsbedingungen des Kapitals sorgt, sowohl dem Legitimationserfordernis einer moralisch gehaltvollen Verfassung wie dem funktionalen Erfordernis des sozialen Zusammenhalts genügen. Sozialstaaten müssen das Interesse breiter Schichten an den rechtlichen und materiellen Voraussetzungen ihrer politischen und persönlichen Autonomie befriedigen und sind andererseits auf die Solidarität ihrer Bürger angewiesen, damit Mehrheitsentscheidungen von der jeweils unterlegenen Minderheit akzeptiert werden und Wahlentscheidungen nicht ausschließlich im kurzfristigen Eigeninteresse getroffen werden. Hinzu kommen heute im Kontext einer politischen Inklusion auch unterschiedliche kulturelle Lebensformen und subkulturelle Milieus.

Dieses Konfliktpotential könne nur durch das Band einer gemeinsamen politischen Kultur entschärft werden, in der sich alle Bürger gleichermaßen wiedererkennen. Diese Kultur sei jedoch kein historisch gewachsenes Milieu, sondern müsse sich erst herauskristallisieren, ohne mit rechtlichen und administrativen Mitteln erzeugt werden zu können. Sie könne bestenfalls aus einer staatsbürgerlichen Praxis hervorgehen, die alle Bürger bereits gemeinsam ausüben. Dabei könne die moralische Empörung über soziale und politische Ungerechtigkeiten als Schrittmacher für die Ausdehnung jener neuen Art politischer Sittlichkeit dienen, die über soziale und kulturelle Abstände hinweg Solidarität zwischen Bürgern stiftet, indem die kritische Stimme der verletzten Grundrechte die Führung übernimmt.

Diese kulturalistischen Überlegungen seien kein liberaler Luxus einer gehobenen Mittelschicht, denn sie entfernten sich nicht von den handfesten sozialen Problemen, die im Zuge der kapitalistischen Krisendynamik entstehen. Aus dieser Sicht ließe sich erst die Größenordnung des Problems erkennen, das die europäischen Völker heute lösen müßten, um gegenüber den Imperativen eines weltweit entfesselten Finanzkapitalismus ihre im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung eingebüßten politischen Handlungsfähigkeiten auf transnationaler Ebene wiederzugewinnen. Sie müßten, um die Bestände ihres zerbröckelnden Sozialstaatsmodells zu retten, die Vertiefung der auf europäischer Ebene halbwegs institutionalisierten Zusammenarbeit vorantreiben und ein politisches Gehäuse erst noch hervorbringen. Die Völker müßten den wirtschaftsnationalen Egoismus ihrer Staaten überwinden, indem sie das bornierte Bewußtsein ihrer nationalstaatlichen Kulturen durchbrechen und sich füreinander öffnen. Nur durch die Lösung gemeinsamer Probleme könnten sie sich auch der gemeinsamen Wurzeln ihrer politischen Kulturen bewußt werden.

Er formuliere diese Sätze im Irrealis, weil heute die Solidarität stiftende Quelle der demokratischen Praxis schon im jeweils eigenen Land versiege, so Habermas. Die politischen Eliten ließen sich von einer ideologisch aufgebauschten gesellschaftlichen Komplexität entwaffnen und hätten den Mut zu einer gestaltenden Politik verloren. Währenddessen hätten sich die nationalen Öffentlichkeiten, die von fast allen wirklich relevanten Themen ausgetrocknet seien, in Arenen der Ablenkung und der Gleichgültigkeit, wenn nicht des gegenseitig geschürten nationalistischen Ressentiments verwandelt. Wolle man es nicht bei einer düsteren Prognose belassen, könne man von einem marxistisch aufgeklärten Kant eines lernen: "Der Maulwurf der Vernunft ist nur in dem Sinne blind, daß er den Widerstand eines ungelösten Problems erkennt, ohne zu wissen, ob es eine Lösung geben wird. Dabei ist er hartnäckig genug, um sich trotzdem in seinen Gängen voranzubuddeln. Diese Gesinnung hat uns Kant, gleichzeitig mit seinen Einsichten, eingeprägt. Und ist sie nicht das Großartigste an seiner so großartigen, aufklärenden Philosophie?"


Gesprächskreis in Sicht auf Ladenfenster mit Straße - Foto: © 2019 by Schattenblick

Ohne Theoriearbeit keine revolutionäre Praxis
Foto: © 2019 by Schattenblick

Theorie erschließen - die Praxis im Blick

An die gemeinsame Lesung des gesamten Vortragstextes samt Zwischenfragen schloß sich eine lebhafte Diskussion an, in der es einerseits um das Verständnis der Habermasschen Theoriebildung und andererseits die Umsetzung in eine konkrete politische Praxis ging. Der Eindruck, nicht genau verstanden zu haben, was er konkret meint, mündete in die Kritik, daß er gegen seine eigenen Prinzipien kommunikativen Handelns verstoße, da sein Vortrag nur auf jene abziele, die ohnehin in dieser Sphäre zu Hause sind, aber andere nicht einbeziehe. Dieser akademische Diskurs sei Folge einer ausdifferenzierten Arbeitsteilung. Äußere er sich in praktischen politischen Fragen, passe das nicht mit dem zusammen, was er theoretisch formuliere. Andererseits habe er den Festvortrag in einem bestimmten Kontext gehalten, weshalb man ihm nicht ankreiden könne, konkrete Details und praktische Vorschläge auszusparen.

Habermas hat die Studenten 1968 als Linksfaschisten bezeichnet, 1999 den Jugoslawienkrieg gutgeheißen und zum Irak gesagt: Wenn es überhaupt einen Kriegsgrund gäbe, dann hätten wir ihn. Das kann und muß man ihm übelnehmen. Indessen findet man bei allen Philosophen jede Menge Mist, muß sie aber in ihrer jeweiligen Zeit sehen. So würde man sich etwa den Zugang zu Brechts Werken verbauen, legte man allein seine Lebensweise zugrunde. Skandalisieren reicht nicht, man muß sich mit der Theorie auseinandersetzen.

Während Rousseau oder Hobbes noch Modelle eines idealen Staates entwickelt haben, sieht Hegel diesen im preußischen Staat realisiert und spricht vom Ende der Geschichte. Indessen hat schon Plato auf der Höhe der mächtigsten Staatswesen seiner Zeit argumentiert, aber dabei die Sklavenarbeit als ökonomisches Fundament der Gesellschaft ausgeblendet. Habermas, der ursprünglich aus der bürgerlichen Linken kommt, bleibt deutlich hinter den Erkenntnissen gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse zurück, die er eigentlich haben müßte, und führt eine kulturalistische Debatte, während die materiellen Grundlagen unerwähnt bleiben. Die Klassenfrage blendet er aus, eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse taucht bei ihm nicht auf.

Der für Habermas zentrale Begriff "Vernunft" bleibt unter diesen Voraussetzungen ein Herrschaftsbegriff, der sich gegen jene richtet, die entschieden für ihre Interessen eintreten und sich nicht in die herrschende Ordnung fügen. Er zielt auf einen Konsens innerhalb gegebener Voraussetzungen ab, fordert Einsicht in die Notwendigkeit der herrschenden Verhältnisse. Ist es vernünftig, einen Knecht zu haben, daß ich reich bin und der andere arm? Revolutionen haben das in Frage gestellt. Vernünftig wäre es im Betrieb, nicht unter solchem Zeitdruck zu arbeiten, da sich das auf die Qualität des Produkts auswirkt. Der Betriebsleiter setzt jedoch angesichts enger zeitlicher Vorgaben seine ganz andere Vorstellung von Vernunft durch. Vernunft ist geradezu eine Klassenfrage, als unhinterfragter Kernbegriff vorausgesetzt, kann sie nur im Zuge eines Herrschaftsdiskurses erörtert werden.

Viel Raum nahm in der Diskussion die "Theorie des kommunikativen Handelns" ein, in der Habermas fordert, alle müßten gleichberechtigt an der Debatte beteiligt werden, und zwischen verständigungsorientierter und erfolgsorientierter Kommunikation unterscheidet. Dies sei von Interesse, da eine Diskussion auf gleicher Ebene in der Gesellschaft nicht vorgesehen sei und in der betrieblichen Praxis nicht vorkomme. Angesichts dieser ausgrenzenden Umgangsweise müsse linke Politik im Blick haben, daß sich alle äußern können: Wir sind nicht Stellvertreter, die für andere sprechen, sondern sollten dafür sorgen, daß alle mitreden können, die das Problem lösen wollen. Radikaldemokratische Ansätze seien spannend für linke Politik.

Allerdings argumentiere Habermas auf einer abstrakten Ebene und blende dabei die konkreten Hindernisse eines Diskurses auf gleicher Augenhöhe aus. So werde formale Bürgerbeteiligung in begrenztem Umfang ermöglicht, die aber spontanem Protest und organisiertem Widerstand das Wasser abgraben soll. Als in Städten wie New York erste Maßnahmen gegen den Meeresspiegelanstieg in Angriff genommen wurden, bezog man die Menschen in den betreffenden Stadtteilen ein. Was aber wird anschließend von wem beschlossen? Die Debatte ist etwa mit Blick auf lokale Bürgerentscheide oder Volksentscheide schon sehr viel weiter. Auch fehlten bei Habermas Aussagen zu den Massenmedien, welche die öffentliche Kommunikation dominieren und sehr einseitig bestimmen.

Junge AktivistInnen beispielsweise der Klimagerechtigkeitsbewegung haben Fragen herrschaftsfreier Diskurse längst gestellt und ihre eigene Gesprächskultur entwickelt, die in mancherlei Beziehung vorbildlich ist. Auch wird in der Organisation der Klimacamps das Rotationsprinzip praktiziert, um das Anwachsen ungleicher Einflußmöglichkeiten zu bremsen. Zu diskutieren wären auch Modelle wie imperatives Mandat oder Rätedemokratie, zumal sich auch für eine Basisbewegung solche Fragen unmittelbar stellen, sobald eine Organisierung auf höherer Ebene für erforderlich erachtet wird. Der Übergang in institutionalisierte und professionalisierte Strukturen ist zwangsläufig mit anwachsenden Problemen verbunden. Das zeichnet sich bereits im Hambacher Forst in Gestalt der Übernahme durch große NGOs ab. Nicht um die Bewegung zu idealisieren, doch als konkretes Beispiel angeführt, täte die Linke als Partei gut daran, an diese Bewegungen, die andere Kommunikationskulturen entwickeln und andere Fragen aufwerfen, stärker anzukoppeln und dies mit der sozialen Frage im Rahmen einer gesellschaftlichen Veränderung zu verbinden.

Wie vieles, was Habermas sagt, klingen auch seine Aussagen zu Europa auf den ersten Blick ansprechend. Wenngleich er aus guten Gründen vage bleibt, gibt er am Ende doch deutliche Signale. Er beklagt den Verlust der Eliten an Handlungskompetenz, was im Umkehrschluß nur bedeuten kann, daß er deren Handlungsmacht gutheißt und wiederhergestellt sehen will. Er ist ein Protagonist der herrschenden Ordnung, die er tendentiell durch ein internationales Finanzkapital gefährdet sieht. Er verteidigt also das klassische deutsche Kapital gegen global agierende Kräfte. Auch spricht er von Europa, wenn er die EU meint, die ja kein Projekt der Völker Europas, sondern der führenden Nationalstaaten und ihrer Kapitalfraktionen ist. Als linksbürgerlicher Intellektueller versteht es Habermas, am Rande dessen zu navigieren, was fortschrittlich klingt und gerade deswegen geeignet ist, kritische Geister einzubinden und von einer antikapitalistischen Position und Staatskritik abzuhalten. So bleibt er als einer der letzten "öffentlichen Intellektuellen" des Landes, der sich in aktuellen Debatten zu Wort meldet und dabei einer gewissen Beachtung erfreut, was er immer schon war: Staatsphilosoph der Bundesrepublik.

Einigkeit herrschte in der Diskussionsrunde darüber, daß der Ansatz, Habermas zum Anlaß einer theoretischen Auseinandersetzung mit den Philosophen zu nehmen, anregend und fruchtbar war. Zum einen erwachse daraus das kritische Interesse, sich noch eingehender mit Habermas zu befassen, zum anderen kämen dabei Themen zur Sprache, die für eine linke Praxis bedeutsam und weiterführend seien.


Schaufenster mit Demoplakaten - Foto: © 2019 by Schattenblick

Treffpunkt Linkes Zentrum Bauerweg in Elmshorn
Foto: © 2019 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] www.sueddeutsche.de/news/wissen/philosophie-der-politische-intellektuellejuergen-habermas-wird-90-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190617-99-679993

[2] Hans Heinz Holz: Die Sinnlichkeit der Vernunft, S. 225 ff.

[3] www.taz.de/90-Geburtstag-von-Juergen-Habermas/!5600386/

[4] www.trend.infopartisan.net/trd0216/t050216.html

[5] www.linke-sh.de/2019/habermas-staatsphilosoph-der-brd/

[6] www.normativeorders.net/de/aktuelles/meldungen/69-veranstaltungen/7291-noch-einmal-moralitaet-und-sittlichkeit


16. Juli 2019


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