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INTERVIEW/096: Petersberg II - Inoffizielle Vertreter Pakistans (SB)


Interview mit Rashad Ghauri, Mohammed Afzal und Rajah Anjad am 5. Dezember in Bonn


Eine Woche vor dem großen Afghanistan-Gipfeltreffen in Bonn kam es in den frühen Morgenstunden des 26. November zu einem folgenschweren Raketenangriff der US-Streitkräfte auf zwei pakistanische Grenzposten. Bei dem Angriff starben 24 pakistanische Soldaten. Islamabad hat den Vorfall als gezielte Aggression der Amerikaner bezeichnet und aus Protest die Grenzübergänge, über die ein Großteil des Nachschubs für die NATO-Truppen von der Hafenstadt Karatschi per Lastwagen nach Afghanistan transportiert wird, bis auf weiteres gesperrt und die geplante Teilnahme Pakistans an der Afghanistan-Konferenz aufgekündigt. Der Boykott der Pakistaner, die eine eventuelle Verständigung zwischen den USA und Taliban vermitteln sollten, hat die Hoffnung auf Fortschritte bei der Suche nach einer Friedensregelung für Afghanistan auf dem Treffen in Bonn zunichte gemacht. Um so überraschter waren die Redakteure des Schattenblicks, als sie bei der Mahnwache der Friedensbewegung am Vormittag des 5. Dezember an der Kreuzung Bonner Kunstmuseum/Friedrich-Ebert-Allee auf drei inoffizielle Vertreter Pakistans trafen. Es entstand das folgende Kurzgespräch.

Die inoffiziellen Vertreter Pakistans fahneschwenkend vor dem Bonner Kunstmuseum - Foto: © 2011 by Schattenblick

Rashad Ghauri, Mohammed Afzal und Rajah Anjad
Foto: © 2011 by Schattenblick

Schattenblick: Herr Ghauri, Herr Afzal und Herr Anjad, weswegen sind Sie heute hier?

Rashad Ghauri: Zum Protestieren.

SB: Und gegen was demonstrieren Sie?

RG: Vor wenigen Tagen haben die NATO-Streitkräfte in Afghanistan zwei Grenzposten der pakistanischen Armee mit Raketen angegriffen und 24 unserer Soldaten getötet. Gegen diese Aktion sowie die ständigen Raketenangriffe der CIA in der pakistanischen Grenzregion, die vielen Zivilisten das Leben kosten, protestieren wir.

SB: Finden Sie es richtig, daß Pakistan in Reaktion auf besagten Grenzvorfall die Afghanistan-Konferenz boykottiert?

Mohammed Afzal: Absolut.

SB: Wie könnte der Konflikt in Afghanistan Ihrer Meinung nach beigelegt werden? Was müßte aus Sicht Pakistans geschehen?

MA: Die Kriegsparteien müßten aufhören, nach einer militärischen Lösung zu streben, und statt dessen den politischen Weg einschlagen.

SB: Sollten sich also Vertreter der NATO mit Talibanchef Mullah Mohammed Omar, Gulbuddin Hekmatyar und den Hakkanis an einen Tisch setzen und Verhandlungen führen?

Rajah Anjad: Es könnte dabei nichts Schlimmeres herauskommen, als was heute in Afghanistan und bei uns ohnehin passiert. Letztlich sollten sich die westlichen Mächte zurückziehen und den afghanischen Gruppierungen erlauben bzw. sie darin unterstützen, über den Verhandlungsweg eine Lösung des Konfliktes zu finden. Wie man weiß, findet jeder Krieg erst durch politische Regelungen und Absprachen sein tatsächliches Ende. In Afghanistan ist eine solche umfassende Lösung längst überfällig.

MA: Darüber hinaus sollten die Europäer endlich zu einer eigenen Position finden und nicht mehr den Amerikanern einfach hinterherlaufen.

SB: Vielen Dank meine Herren für dieses Gespräch.

Polizisten auf Motorrädern und Straßensperren belegen die Kreuzzung - Foto: © 2011 by Schattenblick

Polizei gewährt Politelite die Vorfahrt
Foto: © 2011 by Schattenblick

22. Dezember 2011