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ARBEIT/395: Hausangestellte organisieren sich (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 109, 3/09

Betreten der internationalen Bühne
Hausangestellte organisieren sich zur Einforderung global geltender Standards

Von Karin Pape


Weltweit gibt es geschätzte 100 Millionen Hausangestellte, die bisher im Regelwerk um Arbeitsrechte der Vereinten Nationen unbeachtet blieben. Dies soll sich nun durch Bemühungen verschiedener Gewerkschaften und Zusammenschlüsse ändern.


Es ist ein bisschen leise geworden um die "Millennium Development Goals" - die Erreichung der Ziele in der Millenniumserklärung von 2000, die darauf abzielte, die Armut bis 2015 auf die Hälfte zu reduzieren.

Bisher fast unmerklich betritt eine Gruppe von überwiegend informell Beschäftigten die internationale Bühne, um für sich einen Teil dieser Ziele zu erreichen: die Hausangestellten. Ende 2006 trafen sie sich das erste Mal in Amsterdam: Hausangestellte, die sich in Gewerkschaften und - wie in Lateinamerika - bereits in regionalen Netzwerken organisiert hatten, Frauenorganisationen, MigrantInnenorganisationen und andere unterstützende Organisationen. Sie verabschiedeten eine Abschlusserklärung, in der sie sich auf gemeinsame Forderungen und Vorschläge für eine weitere globale Zusammenarbeit einigten.(1)


Rechtloser Raum

Für die meisten Hausangestellten gilt, dass sich ihre Arbeitsverhältnisse außerhalb jeglicher Regulierung befinden, sowohl was ArbeitnehmerInnenrechte als auch was soziale Sicherung anbelangt. Weltweit arbeiten die meisten Hausangestellten als live-ins, also unter einem Dach mit ihren ArbeitgeberInnen. Wir können uns kaum vorstellen, was es bedeutet, krank zur Arbeit zu erscheinen, weil man sonst sofort gekündigt wird, was es bedeutet, keine Privatsphäre zu haben, das Gefühl der Ohnmacht, weil man isoliert arbeitet und den Launen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin ausgeliefert ist. Der private Haushalt ist oft ein rechtloser Raum: Übergriffe, auch sexuelle, sind keine Seltenheit. Wegen ihrer isolierten Lage ist es für die Hausangestellten besonders schwer, sich zu organisieren und sichtbar zu werden. In Europa mögen die Verhältnisse nicht ganz so dramatisch sein, da die Hausangestellten überwiegend nicht in den Haushalten leben und oft mehrere ArbeitgeberInnen haben. Trotzdem arbeiten auch sie überwiegend informell, zu niedrigen Löhnen, ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ohne bezahlten Urlaub und ohne Rentenansprüche. Zunehmend füllen Migrantinnen aus allen Teilen der Welt die westliche "Versorgungslücke" sozialer Dienstleistungen. Tendenz steigend. Es ist keine Schande, Hausangestellte zu beschäftigen, aber es ist eine Schande, sie nicht als Arbeitnehmerinnen zu behandeln.

In Übereinstimmung mit den Teilnehmerinnen der Amsterdam-Konferenz hat die IUL(2) den Beschluss gefasst, die Federführung in der Organisierung eines weltweiten Netzwerkes von Hausangestellten-Gewerkschaften oder andere Zusammenschlüssen zu übernehmen. Das internationale Netzwerk WIEGO (Women in Informal Employment: Globalizing and Organizing)(3) unterstützt die IUL in diesem Vorhaben. Das Netzwerk soll eine Plattform für organisierte Hausangestellte sein, um ihnen eine Möglichkeit zu geben, ihre Forderungen auch international auf die Tagesordnung zu setzen. Das Ziel ist, dass sie ihre Forderungen selbst vertreten und an politischen Entscheidungprozessen beteiligt werden. Das Netzwerk ist im Aufbau, ebenso wie eine eigene website.(4) Im Oktober 2008 wurde ein Lenkungsausschuss gebildet, in dem alle Regionen (bisher mit der Ausnahme von Europa) vertreten sind.


Empfehlung oder Ubereinkommen?

Die internationale Arbeitsorganisation (IAG / engl. ILO) hat die Verhandlung über eine Konvention auf die Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz 2010 und 2011 gesetzt. Es soll über ein Instrument verhandelt werden. 2010 wird sich entscheiden, ob es nur eine Empfehlung oder ein Übereinkommen sein wird. Letzteres ist bindend und muss, wenn ein Staat das Ubereinkommen ratifiziert, in nationales Recht umgesetzt werden. lAG-Übereinkommen sind Teil des Völkerrechts und damit international gültige Mindestnormen.(5)

Dies wäre ein Durchbruch für geschätzte 100 Millionen Hausangestellte weltweit, die auf Englisch "domestic worker" heißen, und damit klar ist, was sie sind: arbeitende Menschen und nicht Dienstmädchen, Helferinnen, Babysitterinnen oder Kinderfrauen. Sie verlangen die gleichen Rechte wie andere arbeitende Menschen, u.a. das Recht auf einen Acht-Stunden-Tag, auf einen freien Tag in der Woche, auf Bezahlung von Überstunden, das Recht, auf soziale Sicherung, das Recht, nicht belästigt oder geschlagen zu werden, das Recht Gewerkschaften zu bilden. Das alles ist nicht selbstverständlich, da sie in vielen Ländern nicht als Arbeitnehmerinnen anerkannt werden und durch ihre vereinzelte Lage besonders schutzlos sind. Auch im internationalen Rahmen sind sie aus vielen Konventionen ausgeschlossen. Das soll sich nun bald ändern.

Im Juni 2009 hat der Lenkungsausschuss bereits an der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK 2009) teilgenommen, um sich auf die Verhandlungen ihrer Konventionen für nächstes Jahr vorzubereiten. Sie informierten andere Gewerkschafts- und RegierungsvertreterInnen über ihre Lage und ihre Forderungen. Die VertreterInnen nutzten außerdem die Gelegenheit, die Struktur des Netzwerkes zu konsolidieren(6). Sie gaben dem Netzwerk den Namen International Domestic Workers Network (IDWN). Es wurde beschlossen, dass nur Gewerkschaften und andere Mitgliedsorganisationen das Recht haben, Entscheidungen zu treffen. Ämter sollen nur Frauen übernehmen dürfen, die selber als Hausangestellte gearbeitet haben. Organisationen, die hauptsächlich unterstützend tätig sind (z.B. Nichtregierungsorganisationen), sind herzlich eingeladen sich zu beteiligen, haben allerdings kein Stimmrecht. Es wurde eine Verfassung beschlossen, die eventuell im Prozess des weiteren Aufbaus der Struktur durch die Mitglieder angepasst werden muss. Ein Aktionsplan, der die Stärkung bestehender Hausangestellten-Gewerkschaften und das Lobbying für eine Konvention beeinhaltet, wurde ebenfalls verabschiedet. Den organisierten Hausangestellten ist klar, dass eine Konvention - so sie auf der IAK 2011 beschlossen wird - nur ein erster Schritt ist, um tatsächlich wirksam ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Die internationalen Mindeststandards müssen in nationales Recht umgesetzt und nationalstaatlich durchgesetzt werden. Das ist ein langer Weg. Sie glauben daher, dass nur die Stärkung der Selbstorganisation auf allen Ebenen gewährleisten känn, dass dieses Ziel erreicht wird.


Ein Anfang

Es ist das erste Mal, dass eine internationale Gewerkschaftsorganisation sich der Herausforderung stellt, eine Branche von überwiegend informell arbeitenden Frauen zu organisieren. Die IUL und WIEGO sind zu diesem Zweck eine Partnerschaft eingegangen. Hier wird ebenfalls Neuland betreten. Eine diesbezügliche Kooperation zwischen einer internationalen Nicht-Regierungsorganisation und einer internationalen Gewerkschafts-Organisation hat es bisher nicht gegeben. Alle Beteiligten sind davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit von gegenseitigem Nutzen sein wird. WIEGO verfügt über langjährige Erfahrung in der Unterstützung von Organisationen informell Beschäftigter. Die IUL organisiert überwiegend abhängig Beschäftigte und bringt von daher die Struktur und Stärke einer international operierenden Gewerkschaftsorganisation mit ein. Die organisierten Hausangestellten sind jedenfalls davon überzeugt, dass ihnen diese Partnerschaft hilft, ein starkes internatonales Netzwerk aufzubauen.


Anmerkungen:

(1) Respect and Rights - Protection for domestic/household workers! Report of the international conference, Amsterdam, 8-10 November:
http://en.domesticworkerrights.org/?q=node/21.

(2) Die IUL (www.iuf.org) organisiert weltweit Lebensmittel, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen, u.a. auch Hausangestellte. Die IUL ist eine globale Branchengewerkschaftsorganisation und hat ihren Sitz in Genf.

(3) www.wiego.org

(4) www.domesticworkerrights.org

(5) Der erste Bericht zur Vorbereitung der Verhandlungen der Konvention kann in allen IAO-Konferenzsprachen unter
http://www.ilo.org/public/english/protection/condtrav/index.htm abgerufen werden.

(6) Vgl. Bericht auf der WIEGO-Website:
http://www.wiego.org/ occupational_groups/domesticWorkers/IDWN-2009.php.


Zur Autorin:
Karin Pape ist Europa-Regionalkoordinatorin für WIEGO und wird ab September für eine befristete Zeit zur IUL ausgeliehen werden, um die internationale Koordination des internationalen Hausangestellten-Netzwerkes vorübergehend zu übernehmen. Sie lebt in Genf.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 109, 3/2009, S. 26-27
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Senseng 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2009