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ARBEIT/459: Hausarbeit ist Arbeit - Interview mit einer Gewerkschafterin aus Trinidad (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 115, 1/11

Hausarbeit ist Arbeit
Interview mit der Gewerkschafterin Ida Le Blanc aus Trinidad und Tobago

Von Kathrin Pelzer


Ida Le Blanc ist die Generalsekretärin der National Union of Domestic Employees (NUDE) in Trinidad und Tobago. NUDE wurde 1982 gegründet und kämpft für die Rechte von HausarbeiterInnen und anderen gering bezahlten ArbeiterInnen, die von anderen Gewerkschaften nicht repräsentiert werden. Ein Ziel von NUDE ist es, dass HausarbeiterInnen als ArbeiterInnen anerkannt werden und von der Arbeitsgesetzgebung geschützt werden.


FRAUENSOLIDARITÄT: Wie hast du angefangen, dich für HausarbeiterInnen zu engagieren?

IDA LE BLANC: Vorbild war meine Mutter, die Präsidentin und Gründerin der Gewerkschaft war. Als ich meinen Job verloren habe, habe ich als Assistentin in der Gewerkschaft angefangen. Die Leute kommen mit persönlichen Belangen, und wir versuchen HausarbeiterInnen, auch dabei zu unterstützen. Wir unterstützen nicht nur HausarbeiterInnen, wir haben auch Mitgliedschaften von 500 informellen ArbeiterInnen. Diese ArbeiterInnen sind meist Frauen, die als HeimarbeiterInnen arbeiten. Wir haben auch Mitgliedschaften von ArbeiterInnen aus einer Fabrik, die dort unter schweren Bedingungen arbeiten. Sie werden in jeder Art und Weise ausgenützt. Wir müssen uns gegen die großen multinationalen FabriksbesitzerInnen wehren. Wir haben offensichtlich keine Stimme, auch wenn wir einen anerkannten Status haben, aber wir haben nicht die Macht, diese starken ArbeitgeberInnen herauszufordern.

FRAUENSOLIDARITÄT: Wer sind die HausarbeiterInnen?

IDA LE BLANC: HausarbeiterInnen sind größtenteils Frauen. Man findet selten Männer, die diese Arbeit machen. Aber in unserem Gesetz ist ein/e HausarbeiterIn jene Person, die in oder ums Haus herum arbeitet und dafür bezahlt wird. Also werden GärtnerInnen auch vom Gesetz als HausarbeiterInnen angesehen.

FRAUENSOLIDARITÄT: Wie ist die Situation von HausarbeiterInnen allgemein in der Karibik und im Speziellen in Trinidad und Tobago?

IDA LE BLANC: In Trinidad und Tobago haben wir eine Haushaltsassistenzbestimmung, die für Krankenstand und Mutterschutz sorgt. Viele ArbeitgeberInnen zahlen keine Sozialversicherung für ihre ArbeiterInnen, damit sind diese vom Arbeitsschutzgesetz ausgeschlossen. Das heißt, auch wenn ein/e ArbeiterIn seit vielen Jahren bei dem/ der gleichen ArbeitgeberIn gearbeitet hat, hat er/sie keinen Anspruch auf eine Abfertigung. Meistens haben sie auch keinen Pensionsanspruch. Wir finden, dass das, was HausarbeiterInnen mitmachen müssen, eine Menschenrechtsverletzung ist. In vielen karibischen Staaten gibt es keine Gesetze, die Bestimmungen für HausarbeiterInnen beinhalten. Also hat unsere Gewerkschaft eine Kampagne gestartet, um ein Netzwerk innerhalb der Karibik aufzubauen. Wir sind schon mit der Jamaican Household Workers Association, einer Organisation in Surinam und einer in Guyana vernetzt.

FRAUENSOLIDARITÄT: Wie viele HausarbeiterInnen gibt es in der Karibik?

IDA LE BLANC: Ich weiß nicht, wie viele es in der Karibik gibt, wahrscheinlich ein paar Millionen, in Trinidad und Tobago haben wir 10.000 registrierte HausarbeiterInnen. Wir schätzen aber, dass es viel mehr sind, so um die 15.000. Die Arbeitssituation ändert sich dahingehend, dass die ArbeitgeberInnen keine Vollzeit-HausarbeiterInnen wollen. ArbeitgerberInnen fragen die HausarbeiterInnen, ob sie für zwei Tage arbeiten können, aber in dieser Zeit machen sie die Arbeit von fünf Tagen. Ohne offiziell "normale" Arbeit kannst du die Verhältnisse nicht einfach so ändern. Man kann nicht zum Handelsgericht gehen, weil HausarbeiterInnen nicht als ArbeiterInnen anerkannt werden. Sie haben keine Ansprüche!

FRAUENSOLIDARITÄT: Wie organisierst du HausarbeiterInnen?

IDA LE BLANC: Wir organisieren HausarbeiterInnen schon seit 20 Jahren und haben auch ein Mindesteinkommen für HausarbeiterInnen erkämpft. Das ist aber noch nicht ausreichend, weil es keinen angemessenen Mechanismus gibt, der das Mindesteinkommen sicherstellt und dafür sorgt, dass alle diesen Lohn bekommen und gute Arbeitsbedingungen haben. Um das zu erreichen und dass alle darüber Bescheid wissen, haben wir eine Einstellungskampagne gestartet. Alle HausarbeiterInnen aus Trinidad und Tobago und alle aus der Umgebung sollen wissen, dass es eine Gewerkschaft gibt, die sich um ihre Bedürfnisse kümmert. Wir haben eine Kooperative gegründet, um HausarbeiterInnen zu ermutigen, unserer Gewerkschaft beizutreten. Wir sind gerade dabei, diese Kooperative zu formen, damit sie beim Arbeitsamt registriert wird. Wir hoffen, dass wir angemessene Arbeit für HausarbeiterInnen bekommen und dass HausarbeiterInnen davon profitieren können, wenn sie der Gewerkschaft beitreten. Es ist wichtig, HausarbeiterInnen zu fördern, um sich zu organisieren, denn wir können nichts allein tun, wir müssen es als Kollektiv tun.

FRAUENSOLIDARITÄT: In dieser Kooperative werden Jobs bereitgestellt, oder bringst du HausarbeiterInnen zu Jobs, bei dem sie einen Mindestlohn bekommen und unter guten Arbeitsbedingungen arbeiten?

IDA LE BLANC: Wir werden eine Einstellungskampagne machen und werden HausarbeiterInnen trainieren, damit professionelle HausarbeiterInnen in den Haushalten arbeiten. Viele glauben, dass es für Frauen naturgegeben ist, aber nicht alle Frauen können Hausarbeit machen. Für mich ist Hausarbeit eine Fertigkeit. Also werden wir eine Beschäftigung für sie suchen und sie versichern, damit sie angemessene Arbeit und Zusatzleistungen bekommen, dass sie dann, wenn sie das Pensionsalter erreicht haben, auch etwas von der staatlichen Versicherung haben. So können sie ein angenehmes Leben, wie alle anderen auch, führen.

FRAUENSOLIDARITÄT: Migrieren die HausarbeiterInnen?

IDA LE BLANC: Viele HausarbeiterInnen gehen nach New York, um dort Arbeit zu finden. Viele bleiben für sechs Monate und kommen dann für sechs Monate wieder nach Hause. Sie organisieren für sich eine andere Hausarbeiterin, die die Position hält, bis sie wieder zurückkommt. Viele von diesen ArbeiterInnen sind nicht registriert, weshalb sie an ihrem Arbeitsplatz Ausbeutung besonders ausgesetzt sind. Sie meinen, dass sie gut bezahlt werden, aber nur aufgrund des Wechselkurses. Nur wenn man nach Hause zurückgeht und das Geld wechselt, ist es eine gute Bezahlung. Viele HausarbeiterInnen gehen nach New York, um für die Kinder daheim zu sorgen. Ihre Kinder lassen sie bei den Großeltern zurück, die diese nicht unter Kontrolle haben. Wir haben jetzt in unserem Land eine hohe Jugendkriminalitätsrate. Es handelt sich meist um Jugendliche, deren Eltern in den USA sind. Diese Jugendlichen treten Gangs bei, Ich weiß nicht, ob wir es Sozialdumping nennen können, weil die Situation so schlimm geworden ist, nicht nur in Trinidad und Tobago, in der ganzen Karibik passiert das gleiche.

FRAUENSOLIDARITÄT: Was ist die große Hoffung bei der
HausarbeiterInnenkonvention, an der du arbeitest?

IDA LE BLANC: Wenn die HausarbeiterInnenkonvention bis Ende 2011 verabschiedet wird, dann hat die Regierung keine andere Wahl, als Gesetze zu verabschieden, die HausarbeiterInnen schützen. In dieser Konvention geht es um Arbeitsstunden, um Gehalt, um Sozial- und Krankenversicherung. Das wird ein großer Erfolg für alle HausarbeiterInnen weltweit sein.

FRAUENSOLIDARITÄT: Was inspiriert dich für die zukünftige Arbeit?

IDA LE BLANC: Was mich inspiriert, ist die Idee, dass all diese Frauen zu mir kommen und mich um Unterstützung bitten. Das hilft mir! Ich bekomme Unterstützung von Grassroot-Frauen und die Möglichkeit, zu reisen und andere Leute zu treffen, die die gleiche Arbeit wie ich machen. Das gibt mir Kraft!

Übersetzung aus dem Englischen: Claudia Dal-Bianco


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 115, 1/2011, S. 24-25
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2011