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ARBEIT/562: Chile - Hohe Agrarexporteinnahmen, geringe Löhne für Erntehelferinnen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Mai 2014

Chile: Hohe Agrarexporteinnahmen, geringe Löhne für Erntehelferinnen

von Marianela Jarroud


Bild: © Tamara Albarran/Landwirtschaftsministerium

Zwei Erntehelferinnen in der chilenischen Region Coquimbo
Bild: © Tamara Albarran/Landwirtschaftsministerium

Santiago, 30. Mai (IPS) - In den ländlichen Gebieten Chiles verdingen sich zehntausende Frauen als Erntehelferinnen. Obwohl der Exportsektor horrende Einnahmen erzielt, leiden die Saisonarbeiterinnen unter Armut und schlechten Arbeitsbedingungen.

2013 erzielten die chilenischen Agrarexporte knapp 11,6 Milliarden US-Dollar. Die Mehrheit der Erntehelfer musste sich hingegen mit dem monatlichen Mindestlohn in Höhe von 380 Dollar begnügen.

Chile gehört zu den 25 am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegt sie Platz zwei. Das südamerikanische Land gehört dem Club der reichen Länder seit 2010 an. Chile und Mexiko sind die einzigen Mitglieder in dem erlauchten Kreis der Industriestaaten.

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zählt Chile zu den Ländern Lateinamerikas und der Karibik mit dem höchsten Anteil formalisierter Beschäftigungsverhältnisse. Nichtsdestotrotz gibt es in dem südamerikanischen Land zahlreiche Menschen, die unter prekären Bedingungen arbeiten müssen.

"In Chile gilt das besondere für Frauen in der Schattenwirtschaft. Ihre Löhne sind niedrig, ihre Arbeitsverhältnisse instabil. Zudem fehlt es an rechtlichem Schutz, weil es sich bei diesen Arbeitskräften um Subunternehmerinnen oder Outsourcingkräfte handelt", bestätigt Frauenministerin Claudia Pascual.

Die Arbeit in der chilenischen Landwirtschaft hat seit den 1980er Jahren in dem Grad zugenommen, wie sich Obstanbau und Obstexporte exponentiell vergrößerten. "Damals eröffneten sich zunächst für die armen ländlichen Frauen Verdienstmöglichkeiten", erläutert Alicia Muñoz, Leiterin der Nationalen Vereinigung der ländlichen und indigenen Frauen (ANAMURI). "Doch dann machten sich auch Städterinnen in die ländlichen Gebiete auf, um dort als Lohnarbeiterinnen tätig zu werden."

Inzwischen arbeiten bis zu 400.000 Chileninnen und 500.000 Chilenen in der Erntesaison von September bis März als Pflücker. 70 Prozent dieser Frauen arbeiten ohne Arbeitsvertrag, wie einer Untersuchung des Frauenministeriums zu entnehmen ist. Die Landwirtschaft des 17,6 Millionen Einwohner zählenden Landes ist nach dem Kupferbergbau Chiles zweitgrößter Devisenbringer. Doch das nützt den Weintrauben-, Apfel-, Birnen- und Pfirsichpflückerinnen wenig. Sie sind weder sozial noch arbeitsrechtlich abgesichert.


Knochenarbeit

Die Löhne haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten im Grunde kaum verändert, obwohl die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. "Damit die Frauen genug verdienen, um bis zur nächsten Erntesaison über die Runden zu kommen, übernehmen sie Doppelschichten (16 Stunden am Tag), um 800 oder 1.000 Euro im Monat zu verdienen", berichtet Muñoz. "Im Alter von 40 oder 50 Jahren sind die Beschäftigten ausgelaugt oder aufgrund des Kontakts mit Pestiziden zu krank, um weiter arbeiten zu können."

Staatspräsidentin Michelle Bachelet hatte während ihres Wahlkampfes versprochen, das umstrittene Gesetz über den Status von Saisonarbeitern zu reformieren. Nach Ansicht von Experten hat es zu einer Institutionalisierung der miserablen Arbeitsbedingungen in dem Sektor geführt.

Das Gesetz war in der ersten Amtszeit Bachelets als Staatschefin (2006-2010) verabschiedet worden und wurde von ihrem rechten Amtsnachfolger Sebastián Piñera (2010-2014) modifiziert. Es erlaubt Arbeitgebern und Arbeitnehmern, individuelle Arbeitsverträge auszuhandeln. Dadurch entfielen die Arbeitsrechte, wie sie in den von den Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträgen üblich sind.

"Diese Individualverträge lehnen wir ab", meint Muñoz. "In den ersten vier Jahren konnten wir eine deutliche Verschlechterung der Arbeitssituation beobachten. Zum Glück haben Gesetzgeber und Politiker auf uns gehört und sind bereit, die Situation der Erntehelferinnen nachhaltig zu verbessern." (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/05/temporeras-de-la-agroexportacion-excluidas-de-bonanza-chilena/
http://www.ipsnews.net/2014/05/seasonal-agricultural-workers-left-chilean-boom/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2014