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FRAUEN/363: Frauen tragen bei einer Trennung weiterhin die finanzielle Hauptlast (WZB)


WZB Mitteilungen - Nr. 134/Dezember 2011
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Männer klar im Vorteil

Frauen tragen bei einer Trennung weiterhin die finanzielle Hauptlast

von Anke Radenacker


Ein Zeitvergleich der wirtschaftlichen Folgen von Familientrennung zeigt, dass Frauen weiterhin die finanzielle Hauptlast tragen. Auch die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen kann die Einkommensverluste durch die Trennung vom männlichen Hauptverdiener nicht ausgleichen. Frauen mit Kindern haben es nach einer Trennung nach wie vor schwer, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das hat auch damit zu tun, dass ihnen der Ausstieg aus dem Erwerbsleben bei der Familiengründung durch verschiedene Anreize sehr leicht gemacht wird.


Immer weniger Geburten und immer weniger Hochzeiten, dafür immer mehr Scheidungen: Die Familienstrukturen in Deutschland und ganz Europa haben sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Seitdem ist das Trennungsrisiko in Deutschland kontinuierlich angestiegen. Blieben die heutigen Scheidungsverhältnisse gleich, würde in den kommenden 25 Jahren jede dritte der im Jahr 2009 geschlossenen Ehen wieder geschieden. Gegenwärtig sind bei rund jeder zweiten Scheidung minderjährige Kinder betroffen, in 90 Prozent der Fälle leben sie nach der Trennung bei der Mutter.

Die Veränderungen haben dazu geführt, dass heute mehr Menschen von einer Trennung betroffen sind als jemals zuvor. In einem DFG-geförderten Forschungsprojekt am WZB wird auf der Grundlage von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) erforscht, welche wirtschaftlichen Folgen zentrale Lebensereignisse wie Familientrennung, aber auch Arbeitsplatzverlust, Krankheit und Renteneintritt im Lebensverlauf für betroffene Haushalte haben. Es ist ein bekanntes Ergebnis vorangegangener Forschung, dass die finanziellen Folgen einer Trennung für Männer und Frauen unterschiedlich sind, dass also das Geschlecht eine Dimension sozialer Ungleichheit ist. Unter dem Eindruck einer Ausweitung familienpolitischer Leistungen stellt sich aktuell aber vor allem die Frage nach der Entwicklung der Einkommensverluste für Frauen und Männer im Verlauf der Zeit.

Trennung einer Familie bedeutet hier, dass ein Elternteil aus einem gemeinsamen Haushalt auszieht, in dem zu diesem Zeitpunkt mindestens ein Kind lebt, das nicht älter als 14 Jahre ist. Dabei ist es unerheblich, ob das Paar verheiratet oder unverheiratet ist. Die finanzielle Situation bemisst sich am Haushaltsnettoeinkommen auf Jahresbasis. Dieses Einkommen wird gewichtet, damit die Einkommen von Haushalten unterschiedlicher Größe verglichen werden können. Ermittelt werden die finanziellen Veränderungen im Jahr der Trennung sowie in den folgenden vier Jahren gegenüber dem durchschnittlichen Einkommen der drei Jahre vor der Trennung. Dies gibt die relativen Unterschiede gegenüber den Einkommensverhältnissen der Vortrennungsjahre wieder. Die folgende Darstellung umfasst Familientrennungen zwischen 1987 und 2005. Dieser Zeitraum wird für den Zeitvergleich in drei Abschnitte unterteilt: von 1987 bis 1992, von 1993 bis 1999 und von 2000 bis 2005.

Die Ergebnisse entsprechen zunächst den bekannten Befunden der Scheidungsforschung: Frauen tragen weiterhin die finanzielle Hauptlast einer Trennung, während Männer nach wie vor keine bedeutenden Einkommensverluste hinnehmen müssen. Im Gegenteil, Männer profitieren sogar von einer Trennung bzw. Scheidung, wenn es um das Haushaltsnettoeinkommen geht. Grund dafür ist das in Deutschland weiter vorherrschende Haupternährermodell: Nach einer Trennung haben die Männer nämlich nicht mehr im gleichen Umfang die Ex-Partnerin und Kind(er) zu versorgen und büßen gleichzeitig durch den Verlust der in den meisten Fällen höchstens teilzeitbeschäftigten Partnerin kaum Einkommen ein. Da es fast ausschließlich die Mütter sind, die nach der Trennung die gemeinsamen Kinder betreuen, können Väter unverändert oder sogar intensiver als zuvor erwerbstätig sein. So steigt das Haushaltsnettoeinkommen von Männern nach der Trennung um bis zu 25 Prozent - selbst wenn Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden, deren Höhe die Männer selbst angeben. Teilweise arbeiten Männer nach einer Trennung mehr als vorher. Gleichzeitig kommen diese relativen Gewinne aber auch rechnerisch zustande, weil von dem in etwa gleichbleibenden Erwerbseinkommen des Mannes nach der Trennung weniger Menschen versorgt werden müssen. Dadurch haben die Männer mehr Einkommen für den eigenen Bedarf zur Verfügung. Zu erwähnen ist allerdings, dass bei der Untersuchung - abgesehen von Unterhaltszahlungen - lediglich die Einnahmenseite berücksichtigt werden kann. Über die trennungs- und scheidungsbedingten Ausgaben wie Anwaltskosten oder Kosten für die doppelte Haushaltsführung stehen keine Informationen zur Verfügung, weder für die Männer noch für die Frauen.

Frauen geht rund die Hälfte des Haushaltseinkommens verloren, wenn der Familienernährer auszieht. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die relativen Einkommensverluste für die Frauen im Trennungsjahr eher geringer geworden sind - statt 47 Prozent in der ältesten Trennungskohorte waren es für die aktuellste Trennungskohorte noch 42 Prozent. Allerdings erholen sich die Frauen in den Folgejahren der Trennung heute langsamer als früher von ihren Verlusten. Das Haushaltseinkommen von Frauen, die sich Ende der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre getrennt hatten, erreichte bereits im dritten Jahr nach der Trennung fast das Ausgangsniveau. Trennungen in den 1990er und 2000er Jahren zogen auch im vierten Jahr nach dem Auszug des Partners noch bedeutende Einkommensverluste für Frauen nach sich. Bis zu einem Viertel des ursprünglichen Einkommens bleibt für getrennt lebende Frauen der 2000er Jahre dauerhaft verloren.

Welche Strategien verfolgen alleinerziehende Mütter, um die Verluste zu kompensieren? Und wie erfolgreich sind diese Strategien, inwiefern haben sie sich über die Zeit verändert? Können damit auch die dauerhaften Einkommensverluste der aktuelleren Kohorten erklärt werden? Immer mehr Frauen und vor allem Mütter sind erwerbstätig - weshalb zu erwarten wäre, dass sich das Haushaltseinkommen von Frauen im Laufe der Zeit vom Einbruch nach einer Trennung erholt. Tatsächlich aber ist die Frauenerwerbsquote in erster Linie dadurch gestiegen, dass es immer mehr Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungen gibt. Das Arbeitsvolumen ist derweil sogar gesunken. Analysen des Erwerbsverhaltens von Müttern nach einer Trennung zeigen, dass Frauen im Schnitt durchaus ihr individuelles Arbeitsvolumen im Zeitverlauf erhöht haben. Frauen der ältesten Trennungskohorte, die sich also zwischen 1987 und 1992 trennten, senkten die Zahl ihrer Arbeitsstunden sogar. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich Beruf und Familie damals noch schwerer vereinbaren ließen als heute. Die folgenden beiden Kohorten arbeiteten nach einer Trennung mehr, mit steigender Tendenz. Dies kann aber die finanziellen Verluste durch den Wegfall des Einkommens des Mannes nicht ausgleichen.

Die steigende Erwerbsquote von Frauen könnte sich aus finanzieller Sicht im Scheidungsfall sogar mehr und mehr negativ ausgewirkt haben, und zwar nicht erst durch die jüngsten Änderungen im Unterhaltsrecht. Denn der Anspruch auf Ehegattenunterhalt nach der Scheidung orientiert sich unter anderem daran, ob die Erwerbstätigkeit der Mutter im Hinblick auf ihre Qualifikation und die Kinderbetreuung als zumutbar angesehen wird. Erwerbstätigkeit während der Ehe und die damit bereits vorhandene Kinderbetreuung durch Dritte können dann als Grund gesehen werden, auch nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit als zumutbar einzuschätzen. Im Vergleich zur sogenannten Hausfrauenehe ist dies für die Frauen mit geringeren Aussichten auf Ehegattenunterhalt verbunden. Neben rein rechtlichen Ansprüchen ist aber letztlich ausschlaggebend, ob diese Ansprüche tatsächlich geltend gemacht werden. Um Streit zu vermeiden, aber auch im Streben nach Unabhängigkeit verzichtet eine Reihe von Frauen auf Unterhalt vom Ex-Partner.

Ein verändertes Haushaltseinkommen in den Jahren nach der Trennung kann auch aus einer sich verändernden Haushaltszusammensetzung resultieren. Frauen ziehen nach einer Trennung vielleicht wieder mit einem neuen Partner zusammen und verbessern dadurch die Einkommenssituation ihres Haushalts. Tatsächlich hat sich auch das nacheheliche Partnerschaftsverhalten im Laufe der Zeit verändert - ein Hinweis darauf ist, dass heute weniger Geschiedene als früher wieder heiraten. Zum einen mag die finanzielle Notwendigkeit eines männlichen Familienernährers durch die wachsende wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen abgenommen haben. Gleichzeitig sind Geschiedene und Alleinerziehende heute weniger stigmatisiert als früher. Ein weiterer Grund für die anhaltenden Einkommenseinbußen könnte sein, dass es immer mehr nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern gibt, in denen sich die Partner trennen. Frauen in diesen Lebensgemeinschaften weisen zwar eine höhere Erwerbsbeteiligung auf - sowohl die Frauenerwerbsquote als auch der Anteil in Vollzeit erwerbstätiger Frauen ist höher. Andererseits haben sie allein aufgrund des Familienstandes geringere Unterhaltsansprüche als vormals Verheiratete, was sich wiederum im Haushaltseinkommen bemerkbar macht.

Die Zusammensetzung des Haushaltseinkommens als Mix aus Arbeitseinkommen, staatlichen und privaten Transfers sowie die sich verändernde Zusammensetzung von Haushalten verdeutlichen die Komplexität der Einkommensverhältnisse, wenn es zu einer Trennung kommt. Weiter verkompliziert wird dies durch die Tatsache, dass heute zwar mehr Frauen als früher erwerbstätig sind, jedoch häufiger nur in Teilzeit arbeiten. Dass sich das Partnerschaftsverhalten nach der Trennung verändert und es immer mehr nichteheliche Lebensgemeinschaften gibt, tut ein Übriges. Nicht zuletzt verdeutlichen die familienpolitischen Maßnahmen seit den 1980er Jahren, wie schmal der Grat zwischen einer Anerkennung von Familienleistungen in Form von Geld oder Zeit einerseits und negativen Anreizen zu traditioneller Arbeitsteilung mit abgeleiteten Versorgungsansprüchen andererseits ist. So mag die Betonung der Eigenverantwortung im neuen Unterhaltsrecht - im Sinne abnehmender finanzieller Verpflichtungen gegenüber Ex-Partnerinnen, nicht aber gegenüber den gemeinsamen Kindern - zwar ein Weg zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit von Müttern sein. Andererseits sind die betroffenen Haushalte dadurch zunächst finanziell schlechter gestellt. Denn das Ehegatten-Splitting, der Versorgungsausgleich und großzügige Elternzeit-Regelungen verleiten Frauen bei der Familiengründung zum Rückzug vom Arbeitsmarkt. Der Wiedereinstieg wird ihnen dann später durch mangelnde Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und die Diskriminierung von Müttern erschwert. Bricht dann die Partnerschaft auseinander, haben es Frauen mit Kindern ausgesprochen schwer, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.


Anke Radenacker, Diplom-Demographin, ist seit April 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Ungleichheit und soziale Integration. Sie arbeitet im Projekt "Die wirtschaftlichen Folgen zentraler Lebensrisiken in Deutschland und den USA und ihre Entwicklung seit den 80er Jahren" und forscht über den Sozialstaat und Familie.
radenacker@wzb.eu


Literatur Radenacker, Anke: "Economic Consequences of Family Break-up. Income Before and After Family Break-up of Women in Germany and the United States". In: Schmollers Jahrbuch, Vol. 131, No. 2, 2011, S. 225-234.


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Quelle:
WZB Mitteilungen Nr. 134, Dezember 2011, Seite 10-12
Herausgeber:
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Professorin Jutta Allmendinger Ph.D.
10785 Berlin, Reichpietschufer 50
Tel.: 030/25 49 10, Fax: 030/25 49 16 84
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2012