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FRAUEN/384: Mexiko - Schlechte Noten für Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Schattenbericht vorgelegt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. März 2012

Mexiko: Schlechte Noten für Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen - Schattenbericht vorgelegt

von Emilio Godoy


Mexiko-Stadt, 20. März (IPS) - Eine Allianz aus sieben Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hat dem mexikanischen Staat in einer Untersuchung vorgeworfen, seinen in der UN-Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau (CEDAW) eingegangenen Verpflichtungen nicht nachzukommen. So sei der Zugang weiblicher Gewaltopfer zu den Gerichten begrenzt, die Straffreiheit verbreitet und die Gewaltprävention mangelhaft.

Wie aus dem Schattenbericht für die bevorstehende Sitzung des Komitees zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau hervorgeht, hat es die mexikanische Regierung an ihrer Sorgfaltspflicht fehlen lassen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die eine Ahndung geschlechtsspezifischer Verbrechen verhindern. Thematisiert wurden unter anderem Gewalt gegen Journalistinnen, die Folgen der Militarisierung der Bekämpfung der Drogenkriminalität und die Behandlung von Frauen, Jugendlichen und Mädchen.

Das 23-köpfige Komitee wird vom 9. bis 27. Juli prüfen, inwieweit Mexiko und auch die sieben Länder Bahamas, Bulgarien, Guyana, Indonesien, Jamaika, Neuseeland und Samoa mit der Umsetzung der CEDAW Fortschritte machen. Das UN-Komitee hatte dem mexikanischen Staat im November einen Katalog mit Fragen im Zusammenhang mit der Anpassung der nationalen, bundesstaatlichen und kommunalen Rechtsprechung an CEDAW vorgelegt.

Mexiko muss dem Komitee zudem Rede und Antwort stehen über die rechtlichen Möglichkeiten weiblicher Gewaltopfer, den Stand der Frauenrechte, die Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen und Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen.


Gewalt nimmt zu

"Gewalt und Ungleichheit verschärfen sich mit jedem Tag. Wir wissen zudem, dass die soziale Konfliktsituation, die wir gerade durchleben, die Unterschiede weiter vergrößert", sagte die Leiterin der Frauenorganisation 'Arthemisas por la Equidad' (Artemisierinnen für Gleichheit), Irma Ochoa. Die Organisation, die im nordöstlichen Bundesstaat Nuevo León aktiv ist, hatte am Parallelbericht mitgewirkt und sich insbesondere mit den vielen in Mexiko begangenen Frauenmorden befasst.

Wie aus einem gemeinsamen Bericht der UN-Frauenorganisation 'UN Women', der mexikanischen Regierung und dem Parlament hervorgeht, wurden im Zeitraum 1985 bis 2009 34.176 Frauen umgebracht. Vor allem seit 2005 nimmt die Zahl der Frauenmorde rapide zu.

Beim Zugang mexikanischer Frauen zu den Gerichten konnten keine Fortschritte erzielt werden, kritisierte María Castañeda, Projektkoordinatorin der NGO 'Equis', die im Rahmen einer regionalen Untersuchung 35 Gerichtsurteile der Jahre 2003 bis 2012 analysiert hatte. Die Bilanz war ernüchternd. So gab es nur ein einziges Urteil, das sich an internationalen Menschenrechtsstandards orientierte. Alle anderen Verfahren waren durch Diskriminierung und stereotype Sichtweisen geprägt.

Castañeda zufolge wurden die Aussagen von Frauen vor allem in Vergewaltigungsfällen meist nicht ernst genommen und gravierende Ermittlungsfehler begangen. Außerdem wurden keine Maßnahmen ergriffen, die Opfer männlicher Gewalt zu schützen.

Die mexikanischen NGOs bemängeln in ihrem Schattenbericht ferner, dass es an Kontrollmechanismen zur Umsetzung eines Gesetzes aus dem Jahre 2007 fehlt, welches Frauen ein gewaltfreies Leben garantiert. "Das Gesetz besteht aus toten Buchstaben. Das Ausmaß der Straflosigkeit erweckt den Anschein, als werde Gewalt gutgeheißen", sagte Ochoa. "Aus diesem Grund wollen wir, dass das UN-Komitee der Regierung detaillierte Empfehlungen unterbreitet, wie sie der Gewalt gegen Frauen entgegenwirken soll."


Schutzmechanismen ungenutzt

Im Januar hatten mexikanische Frauenverbände das Nationale System zur Prävention, Behandlung, Sanktionierung und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen des mexikanischen Innenministeriums angerufen, um in Nuevo León aufgrund der dort extrem vielen Übergriffe auf Frauen den in solchen Fällen vorgesehenen Gefahrenalarm auszurufen. Doch die Petition wurde im Februar abgewiesen, worauf die Aktivistinnen im März Verfassungsbeschwerde einreichten.

Bisher wurde kein solcher Gefahrenalarm, wie im Allgemeinen Gesetz vorgesehen, ausgelöst, obwohl er bereits von etlichen Organisationen - 2008 für den südlichen Bundesstaat Oaxaca, im Jahr darauf für die zentrale Region Guanajuato und 2010 für den Bundesstaat Mexiko - gefordert worden war. Die einzig gute Nachricht konnten die Frauen an 27. Februar vermelden, als ein Bundesrichter einer Verfassungsbeschwerde von Hilfsorganisationen stattgab, durch die zumindest die Möglichkeit einer strafrechtlichen Untersuchung der Frauenmorde gegeben ist.

Die sieben Frauenorganisationen fordern in ihrem Schattenbericht die Einrichtung von nationalen Datenbanken, in denen die Fälle von Gewalt gegen Frauen und die unternommenen Schutzmaßnahmen archiviert werden sollen. Der Report endet mit dem Vorwurf, dass die Regierung mit ihrer Untätigkeit die Verbrechen gegen Frauen indirekt fördere. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www2.ohchr.org/spanish/bodies/cedaw/index.htm
http://www.articulacionfeminista.org/a2/index.cfm?aplicacion=APP003
http://www.oas.org/es/cidh/prensa/comunicados/2012/Calendario144esp.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100350

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IPS-Tagesdienst vom 20. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2012