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FRAUEN/464: Kambodscha - Als Sexarbeiterinnen ausgenutzt, Masseurinnen kämpfen um ihre Rechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Februar 2013

Kambodscha: Als Sexarbeiterinnen ausgenutzt - Masseurinnen kämpfen um ihre Rechte

von Michelle Tolson


Bild: © Michelle Tolson/IPS

Tausende Frauen in Kambodscha werden als Masseurinnen ausgebeutet
Bild: © Michelle Tolson/IPS

Phnom Penh, 22. Februar (IPS) - Als im vergangenen Oktober der kambodschanische König Norodom Sihanouk starb, wollten sich fünf Angestellte eines Massagesalons in der Hauptstadt Phnom Penh einige Stunden freinehmen, um dem Monarchen die letzte Ehre zu erweisen. Doch der Betreiber lehnte die Bitte der Frauen ab und feuerte sie, als sie nicht gehorchten. In Kambodscha tobt seitdem eine heftige Debatte über die Arbeitsbedingungen im so genannten Vergnügungssektor.

In dem südostasiatischen Land mit 14 Millionen Einwohnern ist es um die Arbeitsrechte nicht gut bestellt. Weit über die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, eine geregelte Beschäftigung im formalen Sektor ist kaum zu finden.

Als der Tod von Sihanouk am 15. Oktober offiziell bekannt wurde, baten die Frauen um Erlaubnis, ihren zwölf Stunden langen Arbeitstag zu unterbrechen, "um einige Stunden trauern zu können", wie Mora Sar, die Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes CFSWF erklärte. Nach ihren Angaben sind Masseurinnen sechs Tage in der Woche von zehn Uhr bis 22 Uhr im Einsatz.

Trotz des Verbots ihres Arbeitgebers schlossen sich die Frauen den Millionen Menschen an, die aus allen Ecken des Landes in die Hauptstadt strömten, um dem König das letzte Geleit zu geben. Am folgenden Tag erfuhren sie, dass ihnen fristlos gekündigt worden war und sie ihren letzten Monatslohn nicht mehr erhalten sollten. Obwohl die für Arbeitsstreitigkeiten zuständige staatliche Schiedsstelle feststellte, dass der Betreiber des 'Aziadee Spa' gegen die geltenden Arbeitsgesetze verstoßen hat, lenkte dieser nicht ein.

Während der offiziellen dreieinhalb Monate langen Trauerzeit für Sihanouk, die am 5. Februar endete, sorgte der Fall der Masseurinnen für eine Protestwelle. Vom 11. bis zum 18. Januar demonstrierten die Entlassenen, Gewerkschaftsvertreter und andere Frauen aus dem 'Vergnügungsgeschäft' vor dem bekannten Spa, das viele ausländische Touristen anzieht. Mit Lautsprecheransagen sowie Transparenten und Flugblättern auf Englisch zogen sie die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.


Masseurinnen erstritten ausstehende Gehälter und Abfindungen

Schließlich erreichten die fünf Frauen, dass ihnen das letzte Gehalt, Schadensersatz, eine Abfindung und eine Vergütung für den entgangenen Jahresurlaub ausgezahlt wurden. Die Abfindung bewegt sich je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 300 und 1.000 US-Dollar. Dies sei zwar ein bahnbrechender Erfolg gewesen, aber dennoch erst ein Anfang, meinte Mora.

Die Gewerkschaft vertritt auch die Rechte von 15 Masseurinnen in der nordwestlichen Provinz Siem Reap, die bei 'Alaska Massage' arbeiten. Die von Koreanern geführte Firma hat etwa 200 Beschäftigte, die umgerechnet etwa 50 Dollar monatlich verdienen. Wie Mora erklärte, zahlt Aziadee Spa seinen Beschäftigten in der Hauptstadt dagegen bis zu 70 Dollar im Monat.

Über die Arbeitsbedingungen der Masseurinnen in Kambodscha ist bisher wenig bekannt. Die Medien berichten meist über die schwierige Situation, in der sich Kellnerinnen, Hostessen, Karaoke-Sängerinnen und Tänzerinnen befinden.

Die Frauen in den Massagesalons bieten auch sexuelle Gefälligkeiten an. Dass sich viele Männer der Sexindustrie zuwenden, führt der Wissenschaftler Ian Lubek von der Universität Guelph in Kanada auf den Verlust ihrer Eltern während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer (1975 bis 1979) zurück. Traditionell sind es die Eltern, die in Kambodscha Ehen arrangieren.

Doch auch verheiratete Männer sind im Rotlichtmilieu anzutreffen. Offiziellen Angaben zufolge sucht ein Viertel aller Kambodschaner Prostituierte auf. Seitdem die Bordelle 2008 nach Inkrafttreten eines umstrittenen Gesetzes gegen Menschenhandel geschlossen wurden, arbeiten Prostituierte im zwielichtigen Vergnügungssektor, der deutlich gewachsen ist.

Einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zufolge verkauften sich 2008 etwa 490 Masseurinnen in Phnom Penh an Freier. Schon ein Jahr später waren es bereits 2.400 Frauen. Das bedeutet einen Zuwachs von 390 Prozent.


Viele Prostituierte unterstützen arme Verwandte

Frauen, die in dem Sektor arbeiten, unterstützen mit dem Verdienst in der Regel ihre großen Familien in ländlichen Regionen. Sie selbst leisten sich nur das Nötigste. Wie Lubek herausfand, werden nicht nur Masseurinnen, sondern auch Kellnerinnen, Hostessen und Karaoke-Sängerinnen ständig unterbezahlt. Sie sind gezwungen, etwa 40 bis 60 Prozent ihres Einkommens durch Trinkgelder zu verdienen.

Pisey Ly von der Prostituierten-Vereinigung 'Women's Network for Unity' (WNU) weist darauf hin, dass eine Massage in einem einfachen Salon zwischen 1,75 und 2,5 Dollar kostet. Sex bringt fünf Dollar mehr. Die Frauen arbeiteten als Masseurinnen, weil die Ausübung ihres eigentlichen Gewerbes verboten sei. Ly zufolge sind die Kunden zumeist Einheimische. Ausländer nähmen eher die Dienste von Frauen in Bars und Clubs in Anspruch.

Da die Arbeit im Vergnügungsgewerbe immer häufiger Sexleistungen beinhaltet, werden Masseurinnen zunehmend gesellschaftlich stigmatisiert, so Mora.

Die ILO verweist auf eine Studie, aus der hervorgeht, dass 90 Prozent von 1.000 befragten Prostituierten berichtet hatten, vergewaltigt worden zu sein, in manchen Fällen von mehreren Männern. David Welsh von der Hilfsorganisation 'Solidarity Center' zufolge sind die Arbeitsbedingungen in der Branche weitgehend ungeregelt. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.cfswf.org/english/
http://www.phnompenhpost.com/2013011760832/National/masseuses-protest-sackings.html
http://atguelph.uoguelph.ca/2013/01/research-helps-reduce-hivaids-in-siem-reap/
http://www.no-trafficking.org/resources_laws_cambodia.html
http://www.ilo.org/asia/countries/cambodia/lang--en/index.htm
http://www.ipsnews.net/2013/02/no-rest-for-weary-massage-workers/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2013