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FRAUEN/470: Afrika - Hirtenfrauen brauchen Zugang zu Bildung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. März 2013

Afrika:
Hirtenfrauen brauchen Zugang zu Bildung - Interview mit kenianischer Aktivistin Agnes Leina

von Matthieu Vaas


Bild: © Matthieu Vaas/IPS

Agnes Leina, Geschäftsführerin der Organisation Ill'laramatak Community Concerns'
Bild: © Matthieu Vaas/IPS

New York, 12. März (IPS) - Frauen in den ländlichen Gemeinschaften Afrikas brauchen vor allem eines: Bildung. Denn erst Wissen befähige sie dazu alternative Wege zu gehen, meint Agnes Leina, die Leiterin von 'Ill'laramatak Community Concerns' (ICC), einer Hilfsorganisation für Hirtengemeinden im Norden und Süden Kenias.

Am Rande der 57. Konferenz der UN-Kommission für den Status von Frauen (CSW) berichtet sie von den vielen kleinen und großen Schritten, die notwendig sind, um Afrikas Hirtenfrauen Gehör und ein besseres Leben zu verschaffen. Es folgen Auszüge aus dem Interview.

IPS: Bei Ihrer Arbeit mit dem Koordinationskomitee für Indigene Völker in Afrika (IPACC) und ICC kämpfen Sie für die Rechte von indigenen Frauen in Hirtengemeinden. Was für eine Rolle spielen Frauen in diesen ländlichen Gemeinschaften? Wie sieht ihr Alltag aus?

Agnes Leina: Die Frauen stehen um fünf Uhr morgens auf, um die Kühe zu melken, Wasser zu holen und Feuerholz zu sammeln. Dann bereiten sie das Essen für ihre Kinder vor und melken abends wieder. Einige von ihnen hüten die Herde und sehen nach den Ziegen.

Doch die Dinge ändern sich, da die meisten von ihnen Teil der Marktwirtschaft geworden sind. Sie wollen Geld verdienen. Sie melken ihre Kühe und verkaufen die Milch dann in der Stadt.

Frauen in den Hirtengemeinden sind Arbeitsmaschinen. Sie ruhen nie aus. Die Männer schauen nach den Kühen und bringen sie zu den Wasserstellen, die manchmal weit entfernt liegen. Wenn sie dann abends nach Hause kommen, erwarten sie, dass das Essen auf dem Tisch steht.

IPS: Haben Sie kulturelle Veränderungen festgestellt?

Agnes Leina: Ja, es tut sich etwas, vor allem für Frauen, die zur Schule gegangen sind. Die meisten Hirtenfrauen, die etwas gelernt haben, wollen ihre Töchter nicht beschneiden lassen. Sie sind auch mit ihrer Arbeit erfolgreicher als andere und verdienen mehr. Frauen, die keine Schulbildung genossen haben, lassen ihre Töchter auch weiterhin beschneiden und verheiraten sie früh. Ihnen geht es um die Aufrechterhaltung von Tradition und Ehe.

Zugleich haben wir in Afrika viele Frauen in Führungspositionen. Es ist jedoch wie bei einer Pyramide: nur wenige kommen bis an die Spitze. In einigen ländlichen Gemeinschaften ist die Lage besser als in anderen. Doch da Afrika noch sehr patriarchalisch ist, liegt noch immer ein langer Weg vor uns. Doch es ist gut, das Schweigen zu brechen.

IPS: Laut IPACC ist der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung ein Problem in indigenen Hirtengemeinden. Wie nehmen Sie Kontakt zu diesen Frauen auf?

Agnes Leina: In Kenia leben die meisten Analphabeten in diesen Gemeinden. ICC arbeitet daher intensiv darauf hin, dass sie Bildung erhalten. Mädchen wissen, dass sie ein Ziel brauchen. Menschen ohne Ziele im Leben wissen nicht, wo sie hingehen sollen. Eines Tages wird ein Vater zu seiner Tochter sagen: "Ich will, dass du meinen Freund heiratest, damit ich mehrere Kühe bekomme, denn ich werde immer ärmer." Da dies eine emotionale Angelegenheit ist, wird das Mädchen einwilligen.

Wir sagen diesen Mädchen: 'Überlegt, was ihr in 15 Jahren sein wollt', und die meisten setzen sich Ziele. "Ich möchte gern Ärztin werden, Pilotin, Chirurgin oder Abgeordnete", sagen sie. Und wenn ihre Väter sie dann bitten zu heiraten, werden sie ihm sagen, dass sie sich lieber Arbeit suchen möchten und ihm dann die Kühe kaufen werden. Der Vater wird dann einverstanden sein und das Mädchen weiter zur Schule gehen lassen.

Wir wollen einen Trustfonds einrichten, um Mädchen den Zugang zu den weiterführenden Schulen zu ermöglichen. Denn anders als die Primärbildung ist die Sekundarbildung nicht kostenfrei. Wenn die Mädchen eine berufliche Laufbahn einschlagen, können sie Dinge, die sie zurückwerfen würden, ablehnen.

IPS: Wie können die Regierungen in Afrika die Gewalt gegen Frauen stoppen?

Agnes Leina: Das hängt vom jeweiligen Land ab. Die meisten Staaten haben Gesetze, die Gewalt gegen Frauen ahnden. Sie haben die UN-Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen unterzeichnet und ratifiziert. Wenn man ein Abkommen ratifiziert hat, heißt das allerdings noch nicht, dass man es auch umsetzt. Deshalb haben wir noch einen langen Weg vor uns, bis Gesetze wirklich umgesetzt werden.

Das ist der Grund, warum wir an der CSW-Konferenz teilnehmen. Seit Jahrzehnten sprechen wir über Gewalt gegen Frauen. Warum lässt sie sich nicht ausrotten? Das ist eine wichtige Frage, mit der wir uns auseinandersetzen sollten.

Vielleicht müssen wir unsere Strategie ändern, vielleicht Männer stärker in unseren Kampf einbeziehen, schließlich kommen aus ihren Reihen ja meist die Täter. Immerhin haben wir das Schweigen um die Gewalt gegen Frauen gebrochen. Das ist schon mal ein großer Schritt. Wir müssen jetzt handeln und die Gewalt gegen Frauen ein für allemal beenden. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:
http://www.ipacc.org.za/eng/default.asp
http://www.un.org/womenwatch/daw/csw/
http://www.ipsnews.net/2013/03/qa-a-pastoralist-woman-is-like-a-working-machine/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2013