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FRAUEN/511: Niger - Junge Bräute, hohe Müttersterblichkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2013

Niger: Junge Bräute, hohe Müttersterblichkeit

von Souleymane Maâzou


Bild: © Etrenard/CC By 2.0

Frühehen im Niger verbreitet
Bild: © Etrenard/CC By 2.0

Niamey, 31. Juli (IPS) - Für El Hadji Souley Moussa, einem ehemaligen Bankangestellten im westafrikanischen Niger, gibt es gute Gründe, die eigenen Töchter jung zu verheiraten. "Dann sind sie vor einer außerehelichen Schwangerschaft geschützt", sagt er und fügt hinzu: "Ein Kind in jungen Jahren zu verheiraten, macht stolz."

Souley Moussa spricht aus, was viele Eltern denken. Das bestätigt eine Studie des nigrischen Gesundheitsministeriums aus dem letzten Jahr. Danach werden drei Viertel aller Mädchen des 16 Millionen Einwohner zählenden Sahelstaates vor dem 18. Lebensjahr verheiratet.

Das Weltkinderhilfswerk UNICEF hat in seinen Bericht über die Lage der Welt 2011 Niger an die Spitze der Länder mit der höchsten Prävalenz von Kinderehen gesetzt.

Häufig berufen sich die Befürworter der Frühehen auf die Religion. "Für uns Muslime spielt die Ehe eine wichtige Rolle", sagt Aminatou Abdou, eine Hausfrau aus der Hauptstadt Niamey. Ihre beiden Töchter wurden im Alter von 15 und 16 Jahren verheiratet. "Es schickt sich nicht für muslimische Mädchen, nach der Pubertät keinen Ehemann zu haben", sagt sie.

Doch nicht alle Muslime sind der gleichen Meinung. "Religiöse Schriften werden oft falsch interpretiert", meint der islamische Gelehrte Malam Issa Dogo. "Im Islam geht es um das soziale Wohlbefinden. Ich bin gegen Kinderehen, weil sie negative Folgen haben." Eltern, die ihre Kinder jung verheirateten, wüssten es nicht besser. Doch der Islam sei eine Religion, die einen Mangel an Wissen nicht gutheiße.


Soziale Hintergründe

Ähnlich denkt Abdou Sani, Doktorand der Anthropologie an der Universität von Abidjan. Die wahren Gründe für Frühehen seien Unwissen und Armut, betont er. In der Regel würden junge Mädchen mit älteren Männern verheiratet, die finanziell abgesichert seien oder einen hohen sozialen Status einnähmen.

Frühehen wiederum verursachen frühe Schwangerschaften. Aus Gesundheitskreisen ist zu hören, dass etwa 40 Prozent der jungen nigrischen Bräute nur wenige Monat nach ihrer Heirat ein Kind erwarten. Für viele Mädchen bedeuten Ehe und Mutterschaft das Ende ihrer Schullaufbahn.

"Soziokulturelle Zwänge nötigen Mädchen dazu, ihre Gebärfähigkeit unter Beweis zu stellen", meint Salissou Habou, ein Soziologe in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Zahlen des Gesundheitsministeriums zeigen, dass 19 Prozent der Frauen im geburtsfähigen Alter Teenager sind und zu 14 Prozent zur Fruchtbarkeitsrate von Frauen des westafrikanischen Landes beitragen.

"Keine 40 Prozent der Mädchen nehmen pränatale Gesundheitschecks in Anspruch", kritisiert Hadjara Tinni, eine Hebamme in Niamey. Dass junge Frauen oft körperlich nicht reif für eine Schwangerschaft seien, mache sie doppelt so anfällig dafür, bei oder nach der Geburt ihres Kindes zu sterben, als Frauen über 20.

Der Untersuchung des Gesundheitsministeriums von 2011 zufolge ist die Müttersterblichkeit im Niger mit 554 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten besonders hoch. In 13 Prozent dieser Fälle sind Teenager die Opfer.

Überlebende leiden oft unter Krankheiten wie Geburtsfisteln. Im Jahr 2013 waren 80 Prozent der 163 Frauen, die in einem der sechs Krankenhäuser auf Geburtsfisteln behandelt wurden, vor dem 18. Lebensjahr verheiratet worden. "'Wir müssen dieser Realität ein Ende setzen und dafür sorgen, dass junge Mädchen mit der Schule weitermachen können", fordert Hadiza Issoufou, eine Lehrerin und Mitglied der Nigrischen Vereinigung zum Schutz der Menschenrechte.


Gesetz lässt auf sich warten

Doch die Verabschiedung eines Gesetzes, das bereits seit 2002 vorliegt und das Heiratsmindestalter auf 18 Jahre hochsetzen würde, ist bisher am Widerstand religiöser Organisationen gescheitert.

"Die Lage der Teenagerbräute ist ernst. Leider wird das Problem von der Bevölkerungsmehrheit ignoriert", meinte dazu die nigrische Bevölkerungsministerin Makibi Kadidiatou Dandobi am diesjährigen Weltbevölkerungstag am 11. Juli. (Ende/IPS/kb/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013