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INTERNATIONAL/074: Westafrika - Verschleppt, verkauft und ausgebeutet, lukrativer Kinderhandel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2012

Westafrika: Verschleppt, verkauft und ausgebeutet - Lukrativer Kinderhandel

von Grit Porsch


Berlin, 31. Januar (IPS) - Die Armut großer Teile der westafrikanischen Bevölkerung lässt den Kinderhandel florieren. Skrupellose Agenten kaufen armen Familien ihre Kinder ab, um sie in ölreichen Staaten wie Gabun, Äquatorialguinea und in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) als Arbeitssklaven zu veräußern oder zu vermieten.

Viele Eltern glauben den verlockenden Versprechen der Kinderschmuggler von Jobs und einem besseren Leben. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) gehen Jungen und Mädchen häufig freiwillig mit, um dem Elend in der Heimat zu entkommen. Doch viele Kinderhändler lassen sich gar nicht erst auf Verhandlungen ein und verschleppen ihre Opfer mit Gewalt.

In der kongolesischen Hafenstadt Pointe Noire berieten unlängst Experten und Politiker aus Kamerun, der DRC, Gabun und Äquatorialguinea über Möglichkeiten, das kriminelle Geschäft mit den kindlichen Arbeitssklaven zu unterbinden.

"Kinderhandel ist eine Realität" betonte Mélanie Mbadinga Matsanga, Generalsekretärin im Sozialministerium von Gabun. "Gabun beispielsweise gilt für Kinderschleuser aus Westafrika als Eldorado", berichtete sie den Teilnehmern der Konferenz. Nach Angaben des vom US-Außenministerium erarbeiteten Berichts über Menschenschmuggel 2011 ist Gabun sowohl Ziel als auch Transitland für verschleppte Kinder und Frauen. Die Jungen müssen rund um die Uhr als Straßenhändler Geld verdienen, Mädchen und Frauen werden zur Prostitution gezwungen.

"Verlässliche Zahlen gibt es nicht, zumal auch die Medien kaum Notiz von dem Problem nehmen", kritisierte Marianne Flach, UNICEF-Vertreterin in der Republik Kongo, gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN. "Die missbrauchten Kinder halten die Zwangsarbeit für normal, und in den Heimatländern wissen ihre Eltern nicht, was tatsächlich mit ihnen geschieht", berichtete Flach.

Nach Ansicht von Experten werden jedes Jahr hunderttausende Kinder über die Grenzen geschmuggelt. Doch statt des versprochenen besseren Lebens müssen sie ohne den Schutz ihrer Familien, ohne Schulbildung und Gesundheitsversorgung auskommen.


Kinder zunehmend entführt

Dem Bericht des US-Außenministeriums zufolge überließen früher Eltern in ländlichen Gebieten Kameruns sogenannten Mittelsmännern zwei bis drei ihrer Kinder in der Hoffnung, sie hätten es in der Stadt besser. Seitdem jedoch solche Deals aufmerksamer beobachtet werden, ziehen es zunehmend mehr Kinderschmuggler vor, ihre Opfer zu verschleppen.

"Kinderschmuggel ist Missbrauch. Die Täter sind auf schnelles Geld aus", stellte Marcelline Pambou Loubondo von der zivilen Organisation 'Movement of Mothers for Peace, Solidarity and Development' fest. "Deshalb zwingen sie Kinder, für sich zu arbeiten."

In Regionen und Ländern, in denen wie beispielsweise in der DRC einheimische und ausländische bewaffnete Gruppen operieren, besteht immer noch die Gefahr, dass Milizen Kinder, Männer und Frauen zum Waffendienst oder zur Prostitution zwingen.


Kinder für den Bergbau und Ölsektor

Außerdem befindet sich eine hohe Zahl illegaler kongolesischer Bergarbeiter - Jungen und Männer - in einer Schuldverpflichtung gegenüber ausbeuterischen Geschäftsleuten, denen sie Werkzeug, Lebensmittel und andere Dinge des täglichens Bedarfs zu horrenden Preisen abkaufen müssen und an die sie dafür die aus ihren Minen geförderten Produkte zu Preisen weit unter dem Marktwert verkaufen müssen.

Weiter verweist der US-Report auf Kinderhandel in Äquatorialguinea. Dort, so heißt es, werden in den boomenden Ölförderzentren Malabo und Bata billige Arbeitskräfte gebraucht, und auch der Bedarf nach Prostituierten ist groß.

Die in Pointe Noire versammelten Konferenzteilnehmer appellierten an die Herkunfts- und Zielländer, sich auf wirksame bilaterale Vereinbarungen über die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Menschenschmuggels zu einigen. "Der Menschenschmuggel scheint sich sehr schnell und unkontrolliert auszubreiten", räumte die kongolesische Sozialministerin Emilienne Raoul ein.


Weitgehende Straflosigkeit

Auch in Gabun scheinen die vorhandenen einschlägigen Gesetze gegen den Menschenhandel wenig auszurichten. Von den rund 70 Verdächtigen, die zwischen 2003 und 2010 festgenommen worden waren, wurde keiner verurteilt, stellt der US-Report fest.

Da jedoch, wie die Internationale Organisation für Migration betont, illegale Migration bestraft wird, gelten verschleppte Kinder häufig nicht als besonders schutzbedürftige Opfer, sondern werden als Täter angesehen.

Die kongolesische Richterin Viviane Tchignoumba Mouanza ist dennoch auf lange Sicht zuversichtlich. "Auch die Sklaverei wurde schließlich abgeschafft, und dem Menschenhandel könnte es ebenso ergehen", meinte die Präsidentin der Vereinigung kongolesischer Juristinnen. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/2011/index.htm
http://www.iomuk.org
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94721

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2012