Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

INTERNATIONAL/179: Sri Lanka - Mit Eigeninitiative aus der Armut, Lage im Norden weiterhin schwierig (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. September 2014

Sri Lanka: Mit Eigeninitiative aus der Armut - Lage im Norden weiterhin schwierig

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Im armen Norden von Sri Lanka müssen die Menschen das Beste aus dem machen, was sie haben
Bild: © Amantha Perera/IPS

Oddusuddan, Sri Lanka, 1. September (IPS) - Im Norden Sri Lankas, tief im ehemaligen Konfliktgebiet, befindet sich das kleine Dorf Oddusuddan. Hier sind die dunklen und satten Böden, die bei Hautkontakt einen bronzenen Farbton hinterlassen, für die Landwirtschaft bestens geeignet. Doch bedarf es für die Existenzsicherung mehr als gute Agrarflächen.

Schon immer war Oddusuddan im Bezirk Mullaitivu 338 Kilometer von der srilankischen Hauptstadt Colombo entfernt so fruchtbar, dass dort theoretisch alles gedeiht. Doch Mashewari Vellupillai, eine 53-jährige alleinerziehende Mutter, weiß nur zu gut, dass diese Erkenntnis allein nicht reicht.

30 Jahre dauerte der Bürgerkrieg im Norden der Halbinsel, bis er im Mai 2009 mit dem Sieg der Armee über die Separatisten der Befreiungstiger Tamil Eelam (LTTE) zu einem blutigen Ende kam. Nach fünf Jahren Frieden sind die Wunden noch tief und der Wohlstand in der Region lässt auf sich warten. Hilfsprogramme und berufliche Möglichkeiten für Zivilisten und rehabilitierte Kämpfer sind rar gesät.

Mindestens 30 Prozent der Provinzbevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Doch eine zehn Monate anhaltende Dürre und der traditionelle Anbau von nur einer Agrarpflanze auf einmal setzen den Bauern schwer zu.


Es zahlt sich aus zu diversifizieren

Nach dem Verlust ihrer Ernte im letzten Jahr kam Vellupillai in den Genuss eines Kredits. Von den 50.000 Rupien, umgerechnet 384 US-Dollar, kaufte sie sich neues Saatgut. Diesmal jedoch beschränkte sie sich nicht wie sonst auf ein Agrarprodukt, sondern baute auf ihrem ihrem 0,8 Hektar großen Land alles Mögliche an: von Zwiebeln über Bananen und Kassava bis Auberginen und Tabak. Zudem hat sie ihr ebenso großes Reisfeld verpachtet und heuert bisweilen Arbeiter an, die ihr bei der Ernte helfen.

Vellupillas lukrativstes Erzeugnis ist Tabak. Schon ein einziges Blatt guter Qualität bringt ihr zehn Rupien (0,77 Dollar) ein. Insgesamt verschafft ihr der Tabakanbau ein monatliches Einkommen in Höhe von 10.000 Rupien (76 Dollar).

"Sich von einer Erwerbsquelle abhängig zu machen, ist ein Fehler. Alternativen sind wichtig", sagt die 53-Jährige heute und berichtet von Nachbarn, denen mit einer Diversifizierung viel Leid erspart worden wäre. 2011 hatten die meisten Bewohner von Oddusuddan Auberginen ausgebracht, die sie infolge von Marktmanipulationen in der Stadt Vavuniya 60 Kilometer weiter südlich zu Schleuderpreisen verscherbeln mussten.

Mehr als 400.000 Menschen sind wie Vellupillai nach ihrer Flucht auf dem Höhepunkt der Kämpfe zwischen Armee und LTTE in den Norden zurückgekehrt. Seither hat die Regierung drei Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte wie Bahnverbindungen, neue Straßen und die Stromversorgung in der Region ausgegeben.

Doch trotz dieser eindrucksvollen Investitionen ist das Leben in der Region schwierig. Die Armut ist weiterhin hoch, wie Regierungszahlen bestätigen. In vier von fünf Provinzbezirken übersteigt sie den nationalen Durchschnittswert von 6,7 Prozent. Drei Bezirke - Kilinochchi, Mannar and Mullaittivu - sind mit Armutsraten von 12,7 Prozent, 20,1 Prozent und 28,8 Prozent geschlagen, wie aus der letzten offiziellen Überprüfung im April hervorgeht. Das ist kein Wunder, denn hier hatte der Bürgerkrieg besonders schlimm gewütet.

Auch die Arbeitslosigkeit bewegt sich über dem Normalniveau. Auch wenn offizielle Zahlen für die gesamte Nordprovinz fehlen, so gibt es Angaben über die Erwerbslosigkeit in Kilinochchi (9,3 Prozent) und Mannar (8,1) Prozent. Der nationale Durchschnittswert liegt hingegen bei nur vier Prozent. Wirtschaftsexperten vor Ort fürchten, dass die Arbeitslosigkeit in einigen Teilen der Provinz sogar 30 Prozent betragen könnte.

Ein Mangel an adäquaten Wohnmöglichkeiten verschärft die ohnehin diffizile Lage im Norden. Den Rückkehrern wurden 41.000 Wohneinheiten bereitgestellt, weitere 10.500 befinden sich im Bau. Der tatsächliche Bedarf liegt jedoch bei 143.000 Häusern. Nach Angaben des UN-Siedlungsprogramms UN-Habitat war zunächst die Finanzierung für 83.000 Wohneinheiten einschließlich der bereits fertig gestellten gesichert. Für die restlichen 60.000 fehlten dann die Gelder.


Selbst aktiv werden

"Diejenigen, die selbst nach einer Lösung der vielen Probleme suchen, fahren besser", meint Sellamuththu Srinivasan, der beigeordnete Bezirksvorsteher für Kilinochchi. Ein Rat, den Velupillai Selvarathnam, ein ehemaliger Lkw-Fahrer aus Mullaitivu, beherzigt hat. Nach Kriegsende mietete er einen Kleintransporter an und fährt regelmäßig ins 300 Kilometer entfernte Colombo, um dort Kleidung einzukaufen, die er in seinem kleinen Laden nahe der Stadt Puthukkudiyiruppu weiter veräußert. "Auf diese Weise verdiene ich jeden Monat an die 25.000 Rupien (192 Dollar)", berichtet er.

Das ist gutes Geld in einem Bezirk, der zu den ärmsten fünf des Landes mit Einkommen von unter 4.000 Rupien (30 Dollar) im Monat gehört. Selvarathnam, der einer Bombenexplosion eine Narbe von der Brust bis zum Schambereich verdankt, will demnächst nach Indien fahren, um den Einkaufspreis weiter zu drücken. "Du musst hier selbst aktiv werden", meint er. "Ansonsten stehst du ohne Geld da."

Auch Velvarasa Sithadevi hat alle Hände voll zu tun. Sie versorgt ihren 25-jährigen Sohn, der unter einem Granatenschock leidet, und ihren Mann, der von einer Kriegsverletzung immer noch nicht genesen ist. Als die Familie 2011 nach ihrer Rückkehr einen Kleinkredit des UN-Flüchtlingshochsekretariats in Höhe von 25.000 Rupien (192 Dollar) erhielt, investierte Sithadevi die Mittel in einen kleinen Laden. "Wir leben in einem Hinterzimmer", sagt sie. "Das ist genug Platz für uns."

Sithadevi ist eine gute Köchin. Die Gerichte, die sie kocht, verkauft sie in ihrem kleinen Straßenlokal. "Das Geschäft brummt, vor allem wenn Straßenarbeiten oder Bauarbeiten in der Nähe anfallen", erläutert sie. Pro Tag kommen auf diese Weise etwa 4.000 Rupien (30 Dollar) zusammen.

Doch auf jede einzelne Erfolgsgeschichte kommen tausende von Misserfolgen, die den Kreislauf der Armut am Leben erhalten. Dem Regierungsbeamten Srinivasan zufolge könnte eine Erhöhug der Hilfsgelder die Gesamtsituation bessern. Doch das wird in nächster Zeit nicht der Fall sein. "Wir wollen in einem nächsten Schritt versuchen, Investitionen anzuziehen. Mit einigen Unternehmen im Süden haben wir bereits gesprochen. Doch brauchen wir viel mehr, die hier investieren." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/08/innovation-offers-hope-in-sri-lankas-poverty-stricken-north/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. September 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2014