Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

KRIMINALITÄT/062: Côte d'Ivoire - Gefängnisse schlecht gesichert, hunderte Häftlinge ausgebrochen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2012

Côte d'Ivoire: Gefängnisse schlecht gesichert - Hunderte Häftlinge ausgebrochen

von Robbie Corey-Boulet


Emmanuel Biandjui Diffi, der ein halbes Jahr im Gefängnis von Abidjan einsaß - Bild: © Robbie Corey-Boulet/IPS

Emmanuel Biandjui Diffi, der ein halbes Jahr im Gefängnis von Abidjan einsaß
Bild: © Robbie Corey-Boulet/IPS

Abidjan, 30. Juli (IPS) - Eliane Negui weiß, was sie tun muss, wenn es in der ivorischen Hauptstadt Abidjan zu einem Gefängnisausbruch kommt. Sie wohnt seit neun Jahren in unmittelbarer Nähe der Haftanstalt. "Wir laufen dann schnell nach Hause und verriegeln unsere Türen ", erzählt die 24-Jährige, die vor dem Gefängnis gebratene Bananen verkauft. "Bei einem Ausbruch fangen die Wachen an zu schießen, und wir wollen nicht verletzt oder getötet werden."

Anfang Juli flohen zwölf Häftlinge. Acht wurden wenig später wieder eingefangen. Im Mai waren sogar etwa 50 Insassen entkommen. Die UN-Mission in dem westafrikanischen Land drückte daraufhin in einer Stellungnahme ihre Besorgnis aus.

Côte d'Ivoire hat die Folgen der Gewalt nach den Wahlen im November 2010 noch nicht überwunden. Die Unruhen waren ausgebrochen, nachdem sich der frühere Präsident Laurent Gbagbo nach der Wahlniederlage gegen Alassane Ouattara geweigert hatte, zurückzutreten. Während der Ausschreitungen leerten sich die 33 Gefängnisse des Landes, die Infrastruktur wurde weitgehend zerstört.

Die Haftanstalten nahmen erst im August 2011 wieder ihren Betrieb auf, zurzeit werden 31 von ihnen genutzt. Die Wiederinstandsetzung wurde durch zahlreiche Gefängnisausbrüche behindert. Wie die UN-Vertreterin Françoise Simard erklärte, entkamen seit vergangenem August bei 17 Ausbrüchen insgesamt etwa 250 Gefangene.

Die Sicherheitsprobleme im Land beschränken sich nicht nur auf die Gefängnisse. Vor den Ausschreitungen nach den Wahlen, bei denen rund 3.000 Menschen getötet wurden, waren die Wärter für die Sicherheit in den Gefängnissen zuständig. Laut Simard standen ihnen viel zu wenige Waffen zur Verfügung, die teils auch nicht mehr funktionierten.


Gefängniswärter unbewaffnet

Ab August 2011 durften nur noch Angehörige der ivorischen Armee Waffen mit sich führen. Soldaten leisteten den Wachen hinter Gittern Verstärkung. Mehr als ein Jahr nach dem Ende des Konflikts sind die Wärter immer noch unbewaffnet. Die Regierung zögere sie mit Waffen auszustatten, erklärte Simard.

Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Gbagbo-Regierung während ihrer zehnjährigen Herrschaft die Zahl der Gefängniswärter nahezu verdoppelt hat. Daher wird ihnen eine besondere Treue zu dem ehemaligen Regime nachgesagt. "In den Gefängnissen herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens", sagte Stéphane Boko, der als Aufseher im MACA-Gefängnis tätig ist.

Die Armee setzt sich dagegen größtenteils aus Ouattara-Getreuen zusammen, unter ihnen auch Mitglieder einer Rebellengruppe, die den Norden in dem zwischen 2002 und 2010 geteilten Land kontrollierte. In manchen Gebieten - vor allem im Westen - sind nur die Soldaten und nicht die Polizei mit Waffen ausgestattet.

Erst kürzlich wurden an manchen Orten Polizisten und Gendarmen wiederbewaffnet und ebenfalls an Gefängnisse versetzt. Laut Simard gilt seit Mai eine Richtlinie, nach der in jeder Haftanstalt fünf Polizisten und fünf Gendarmen eingesetzt werden müssen. Die Präsenz unterschiedlicher Sicherheitskräfte kann jedoch zu Koordinationsproblemen führen.

Anfang des Jahres konnten aus einem Gefängnis in Agboville etwa 80 Kilometer nördlich von Abidjan 93 Häftlinge fliehen. In den drei vorangehenden Tagen war kein Mitglied der Sicherheitskräfte dort gesehen worden.


Miserable Haftbedingungen

Auch die Haftbedingungen geben Anlass zur Sorge. Vor den letzten Wahlen waren die Gefängnisse völlig überfüllt. Nach UN-Angaben drängten sich in Einrichtungen, die Platz für maximal 5.500 Insassen boten, mehr als 12.000 Gefangene. Zurzeit sitzen knapp 6.000 Menschen in dem Land hinter Gittern, und ihre Zahl nimmt von Woche zu Woche zu.

Das US-Außenministerium wies in seinem jüngsten Menschenrechtsbericht über Côte d'Ivoire auf die Missstände in den Gefängnissen hin. Obgleich gewisse Verbesserungen festgestellt wurden, bleibt die Nahrungsversorgung ein großes Problem.

Darüber klagte auch Emmanuel Biandjui Diffi, der ab Januar ein halbes Jahr im MACA-Gefängnis verbrachte, weil er zwei Personen dasselbe Stück Land verkauft hatte. "Die Qualität des Essens war schlecht", berichtete er. "In der Suppe war weder Fleisch noch Fisch." Die Gefangenen erhalten nur ein Mal am Tag gegen 14 Uhr eine Mahlzeit. Die Vereinten Nationen drängen die Regierung, dies zu ändern. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.onuci.org/onucifm/spip.php?article3830
http://www.ipsnews.net/2012/07/security-gaps-fuel-cote-divoire-prison-escapes/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2012