Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

WOHNEN/091: Probebewohner erleben Görlitzer Innenstadt (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 2 vom 2. Februar 2010

Probebewohner erleben Görlitzer Innenstadt
Von TUD begleitetes Projekt "Probewohnen" läuft weiter bis Juli 2010

Von Anne Pfeil


Unter dem Motto "Schau doch mal rein! Probewohnen" hatte das Görlitz Kompetenzzentrum Revitalisierender Städtebau an der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Wohnungsbaugesellschaft Görlitz mbH (WBG) und dem Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Görlitz im Jahr 2008 das Projekt "Probewohnen" aus der Taufe gehoben. Probewohnen ist ein Modellvorhaben der Nationalen Stadtentwicklungspolitik - angesiedelt im Forschungsprogramm "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" (ExWoSt) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Es wird durch Mittel des Bundes gefördert.

Die Begleitstudie am Kompetenzzentrum zeigt, dass dem Wohngebiet bislang eine tragfähige "Quartiersidentität" fehlt. Aufbauend auf der umfassenden Quartiersanalyse und den Ergebnissen der Teilnehmerbefragung wird empfohlen, das Quartier Schritt für Schritt im Dialog mit den Bewohnern und Eigentümern im Wohnquartier wohnlicher zu gestalten.

Als Diskussionsgrundlage hierfür legen die Projektpartner nun die Vision für das Jahr 2020 "Wohnen im Luther Delta" vor, die erste Gestaltungsvorschläge für die Aufwertung des öffentlichen Raums beinhaltet.

Die Begleitstudien am Kompetenzzentrum bestätigen, dass die Probebewohner durch das Erleben des eigenen Alltags in der Innenstadt und durch den direkten Erfahrungsaustausch mit Fachexperten die innerstädtische Wohnqualität und die Konsequenzen des eigenen Handelns auf die Entwicklung der Stadt besser verstehen. Hierbei können Vorurteile gegenüber dem Wohnen in einem gründerzeitlichen Altbau abgebaut werden. Als besonders geeignet erweist sich Probewohnen für Personen aus einem Stadtrandgebiet oder dem ländlichen Raum, die Umzugspläne hegen und herausfinden möchten, welche Konsequenzen ein Umzug in die Innenstadt für den eigenen Alltag hat. "Der Weg zurück in die Innenstadt hilft, die besondere Qualität der europäischen Stadt zu bewahren und leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Prosperität von Wirtschaft und Gesellschaft in ostdeutschen Städten", erläutert Sulzer.

Es wurden auch polnische Teilnehmer eingebunden, die sich einen deutlich stärkeren kulturellen Austausch zwischen den beiden Städten Görlitz und Zgorzelec wünschten.

Anne Pfeil, Leiterin des Projekts Probewohnen, fordert als Fazit des Projekts: "Wir müssen weg vom Wohnungsmanagement hin zu einem echten Mietermanagement in den ostdeutschen Innenstädten. Denn Vertrauen innerhalb der Nachbarschaft ist wichtig für die Lebensqualität. Die Zusammensetzung der Hausgemeinschaft muss daher mehr sein als nur Zufallsprinzip."

Die WBG ist da auf einem guten Weg. Geschäftsführer Arne Myckert verweist auf entsprechende Themen-Häuser, bei denen die Wohnungsbaugesellschaft unterschiedliche Zielgruppen für bestimmte Häuser definiert hat. "Wir wollen den Mietern ein Zuhause geben, in dem sie sich wohlfühlen", betont Myckert. "Deshalb bieten wir schon heute für Jüngere oder auch Senioren entsprechende Nachbarschaft an.

Derzeit entwickeln wir gerade ein Konzept, um gut Verdienende aus dem polnischen Teil der Europastadt für ein Wohnen in sanierten Häusern der Görlitzer Innenstadt zu begeistern."

745 Menschen aus 211 verschiedenen Orten bewarben sich für das Modellvorhaben Probewohnen, um jeweils eine Woche kostenfrei das Wohnen in einem der Gründerzeithäuser der Görlitzer Innenstadt auszuprobieren. "Drei der 24 am Projekt teilnehmenden Haushalte sind bereits dauerhaft in Gründerzeithäuser umgezogen, einer sucht aktuell eine Wohnung, weitere sind ernsthaft interessiert", bilanziert Prof. Jürg Sulzer, Leiter des Görlitz Kompetenzzentrums Revitalisierender Städtebau und Initiator des Projekts. In zwei je sechswöchigen Probewohnphasen im Herbst 2008 und im Frühjahr 2009 erlebten die ausgewählten Teilnehmer unter wissenschaftlicher Begleitung das Wohnen in Gründerzeithäusern der Innenstadt. Aufgrund der hohen Bewerberzahlen entschlossen sich die Partner, das Modellprojekt gemeinsam in leicht modifizierter Form für zwölf Monate unter der Federführung der WBG fortzusetzen. Berücksichtigt werden vorzugsweise bereits vorliegende Bewerbungen aus den westdeutschen Bundesländern. "Unser Ziel ist es, gerade im Westen eine stärkere Nachfrage nach dem Wohnen in Gründerzeithäusern der Görlitzer Innenstadt zu generieren und Zuwanderer für ein Leben in unserer attraktiven Stadt zu gewinnen", sagt Myckert. Begleitet wird das Projekt weiterhin vom Görlitz Kompetenzzentrum der TU Dresden, das den Verlauf unter besonderer Berücksichtigung der Zuwanderung und der Wirtschaftlichkeit evaluieren wird. Das Projekt wird dabei in eine privatwirtschaftliche Finanzierung überführt, um zu zeigen, dass es sich auch auf Bestände von anderen privaten und öffentlichen Eigentümern und auf andere ostdeutsche Städte übertragen lässt.


Weitere Informationen:
Anne Pfeil, Görlitz Kompetenzzentrum Revitalisierender Städtebau
Bei der Peterskirche 5a, 02826 Görlitz


*


Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 21. Jg., Nr. 2 vom 02.02.2010, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2010